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II
Es war inzwischen dunkel geworden, als sie wieder das Lager erreichten und es herrschte das absolute Chaos. „Meine Güte, wo zum Teufel, habt Ihr gesteckt?", schnauzte der Herzog ihnen entgegen. „Wir haben sämtliche Wachen, auf die Suche nach Euch ausgeschickt! Eure Majestät, wie konntet Ihr nur ohne ein Wort, das Lager verlassen?!" „Jetzt bin ich ja wieder da", antwortete Henry gereizt. Unterwegs war ihm klargeworden, was er getan hatte und nun fürchtete er sich fast davor, seinem Onkel zu beichten, dass hinter ihm im Sattel über die Hälfte seiner Kriegskasse saß. Direkt vor seinem Zelt hielt er an und stieg vom Pferd. Amanoue schwang sein Bein ebenfalls über den Hals des Tieres, rutschte von dessen Rücken und jeder der Umstehenden konnte seine schlanken, nackten Schenkel sehen, bis hinauf, zu seiner spärlich bedeckten Scham. Der Herzog sah erst ihn völlig verdutzt an und blickte dann fragend zu Henry. „Ich denke, wir müssen reden", meinte er ernst zu seinem Neffen, der nickte nur und folgte seinem Onkel verlegen ins Zelt. Nachdem er einen Becher Wein getrunken hatte, erzählte er Richard was er angerichtet hatte und kam sich beinahe wieder wie früher vor, wenn er mit seinem Bruder Wilhelm wieder irgendeinen Unsinn getrieben hatte. Sie hatten, als sie noch Kinder waren, immer alles ihrem Onkel Richard gebeichtet, der sie dann immer vor ihrem Vater verteidigt hatte, doch dieses Mal stand der Herzog mit geballten Fäusten da. Er konnte nicht glauben, was er da hörte. „650 Goldstücke?! Für einen Lustknaben?", schrie er aufgebracht und schnappte nach Luft. „Bist du verrückt geworden? Mit was, willst du jetzt deine Soldaten bezahlen? Sie ausrüsten? Und sie ernähren? Heinrich, ich habe dich und deinen Bruder oft genug vor eurem Vater in Schutz genommen, aber ganz ehrlich, heute würde ich dir am liebsten selbst, ein paar Ohrfeigen verpassen! Was ist nur in dich gefahren?!" Henry stand nur da und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es selbst nicht, Onkel, ich weiß nur, dass ich ihn behalten will", antwortete er kleinlaut. „Ich bitte dich daher, morgen einen Boten mit dem Gold in die Stadt zu schicken, um meine Schulden zu begleichen." Der Herzog wandte sich nur kopfschüttelnd um und ging einfach hinaus, ohne auf die Erlaubnis sich entfernen zu dürfen, zu warten. Draußen vor dem Zelt, stand Amanoue ein wenig verloren herum. Er hatte es die ganze Zeit über vermieden, irgendjemanden anzusehen, doch alle anderen hatten ihn geradezu gierig
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angestarrt, in der Meinung ein leicht bekleidetes Mädchen vor sich zu sehen. Die Soldaten tuschelten dabei aufgeregt miteinander und deuteten immer wieder auf ihn. Herzog Richard trat vor ihn hin und musterte ihn von Kopf bis Fuß. „Geh ruhig hinein, zu deinem Herrn und besorg`s ihm gut, heute Nacht! Teuer genug warst du ja, da kann er wohl auch einiges erwarten!", schnauzte er ihn an und ging wütend davon. Amanoue betrat zögernd das Zelt, wagte es aber nicht weiter zu gehen, sondern blieb schüchtern am Eingang stehen. „Amanoue", sagte Henry, „komm zu mir", winkte er ihn zu sich und Amanoue kam langsam näher. „Zieh das bitte aus", raunte Henry, als er endlich bei ihm angekommen war und nahm ihm den Umhang ab. Amanoue streifte sich die Tunika über die Schultern und ließ sie zu Boden gleiten. „Das auch", sagte Henry und deutete auf den Lendenschurz. Amanoue gehorchte, zog das Tuch durch seine Beine, öffnete den Knoten und ließ es ebenfalls zu Boden fallen. Es war blutbefleckt, Henry blickte kurz darauf und schob es mit der Stiefelspitze beiseite, dann nahm er seinen eigenen Morgenmantel, legte ihn Amanoue um und rief nach seinem Diener. „Sebastian, das ist Amanoue. Bringe ihm etwas zum Anziehen! Etwas von meinen eigenen Sachen!" Sebastian verbeugte sich, musterte Amanoue nur kurz und verschwand auch gleich wieder. Er war schon seit Henrys Kindertagen im Dienste der königlichen Familie und der König vertraute ihm blind. Kurz darauf brachte er ein paar Kleidungsstücke, die er eigentlich schon ausgemustert hatte, reichte sie Amanoue und hob die Sklavensachen auf. „Verbrenne sie", befahl Henry, „und bring uns etwas zu essen, ich habe einen Bärenhunger." Als Sebastian sich wieder entfernt hatte, trat der König zu Amanoue und umarmte ihn. „Die brauchst du heute nicht mehr", sagte er zärtlich, nahm ihm die Kleider ab und versuchte ihn zu küssen, doch Amanoue entzog sich ihm, indem er den Kopf auf die Seite drehte. Henry kniff kurz die Augen zusammen, atmete tief ein, sagte aber nichts und warf die Sachen auf einen Stuhl. Sebastian kam mit zwei weiteren Dienern wieder herein und während er einen großen Krug Wein und zwei Trinkpokale auf den Tisch stellte, hatten die beiden anderen jeder ein Tablett mit Essen dabei. „Stellt es hin und geht! Wir bedienen uns selbst. Sebastian, ich will heute nicht mehr gestört werden", sagte Henry und der alte Diener nickte. „Jawohl, Eure Majestät", antwortete er und die drei zogen sich wieder zurück. „Komm", sagte Henry und setzte sich auf seinen Reisethron, „setz dich neben mich und iss." Er nahm sich selbst etwas, Amanoue kam näher und besah sich skeptisch das Essen. „Ist das Sweinefleisch?", fragte er schüchtern und zog etwas den Kopf ein, „isch esse keine Sweinefleisch, es ist mir verboten, verseiht, `err."
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„Unsinn! Setz dich und iss! Es ist Wildschwein und schmeckt sehr gut!“, antwortete Henry und deutete auf den freien Stuhl neben sich. Amanoue ging um den Tisch herum und setzte sich zögerlich. „Isch bin sehr durstig, aber es ist nur Wein da. Kann isch bitte Wasser `aben, `err?", bat er leise und Henry lachte auf. „Auf alle Fälle, ist das sicher besser für dich!", meinte er, rief nach Sebastian und befahl ihm, einen Krug Wasser zu bringen und als Amanoue seinen ersten Durst gestillt hatte, goss ihm Henry trotzdem Wein nach. „Trinke langsam und du wirst sehen, dass dich der Wein etwas entspannter machen wird", sagte er und Amanoue nickte leicht. Er brach sich ein Stück Brot ab, steckte sich immer nur kleine Stückchen davon in den Mund, aß langsam und äußerst vornehm und Henry sah ihm dabei zu. Schließlich riss er einen Fetzen Fleisch ab und hielt es ihm hin. „Hier, versuche es wenigstens einmal", meinte er, „wenn du nichts Richtiges isst, wirst du den Wein nie vertragen und dir wird wieder schlecht werden! Amanoue, ich warne dich, wenn du mir nicht gehorchst, werde ich dich züchtigen!", fügte er hinzu und der zuckte etwas zusammen. Er wich ein wenig zurück, doch Henry hielt ihm das Stückchen Fleisch noch immer hin. Langsam öffnete er seinen Mund und Henry schob es hinein, Amanoue kaute es allerdings kaum, sondern würgte es fast hinunter und trank hastig einen Schluck Wein hinterher. „Siehst du, war doch gar nicht so schwer! Du wirst dich schon daran gewöhnen! Ab heute wird Austrien deine neue Heimat sein und ich will nichts mehr, von deiner Vergangenheit hören!", sagte Henry, beugte sich noch ein wenig weiter zu ihm hin, hob die Hand und wischte mit dem Daumen unter Amanoues Augen entlang, die wie am Tag zuvor, dick schwarz umrandet waren, so wie es bei den Asconiern üblich war. „Warum schminkst du dich?", fragte er, „der andere Junge, der Blonde, war es nicht. In Austrien schminken sich nur die Huren! Du wirst das sein lassen, hast du verstanden!" Amanoue nickte leicht, hob dann etwas seinen Kopf und sah ihn direkt an. Unwillkürlich zuckte Henry zurück als er in diese wunderschönen, smaragdgrünen Augen blickte, die beinahe unwirklich wirkten und er verspürte einen brennenden Schmerz, in seiner Brust. Henry von Austriens Herz stand in Flammen, er hatte sich verliebt.
Als sie später im Bett lagen nahm der König ihn in seine starken Arme, streichelte ihn zärtlich und küsste ihn immer wieder, mal sanft und verspielt und dann wieder voller Leidenschaft, ließ ihn aber ansonsten in Ruhe, doch Amanoue erwiderte keine, von Henrys Zärtlichkeiten und am nächsten Morgen, ließ der König seinen Leibarzt kommen. Es war noch sehr früh und Amanoue schlief tief und fest. „Ah, Gregorius", sagte Henry leise. Er war bereits komplett bekleidet und frühstückte gerade. Der Heiler stand etwas verlegen da, angesichts des jungen Mannes im Bett des Königs, er wusste zwar, von Henrys Vorlieben, stand jetzt aber doch etwas neben sich.
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