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Herzog von Savoyen!“ Augenblicklich herrschte eine Totenstille, nur der junge Satorius lächelte und stand beinahe zeitgleich mit seinem Vater auf. Beide kamen um den Tisch herum, traten vor den König hin und verbeugten sich tief. „Eure Majestät“, sagte der Graf, „ich weiß nicht, wie ich Euch danken soll! Welche Ehre, für das Haus Satorius!“, meinte er, doch Henry lächelte nur Satory an. Der beugte tatsächlich ein Knie vor dem König, küsste ihm die Hand und sah ihm dabei frech in die Augen. Henry lachte auf und entzog ihm seine Hand kopfschüttelnd. „Steht auf, Satory, selbst jetzt noch, versucht Ihr mich zu verspotten! Setzt Euch wieder, oder ich überlege es mir noch einmal! Euer Sohn ist wirklich unverbesserlich, Herzog Satorius!“, sagte er und lächelte den an. Satorius verbeugte sich kurz und nickte Henry zu. „Wie Ihr meint, Eure Majestät“, antwortete er kalt und beide setzten sich wieder auf ihre Plätze. Herzog Richard sah seinen Neffen an, als ob er einen Verrückten vor sich hätte, doch Henry erhob erneut seinen Weinbecher und rief: „Lasst uns auf das Wohl des neuen Herzogs von Savoyen, dem edlen Satorius und seine Familie trinken!“ Sie erhoben mehr oder weniger zögernd ihre Becher und prosteten dem neuen Herzog zu. Einen Moment war es wieder still und sie hörten Amanoue in diesem Augenblick gequält aufstöhnen. Er wimmerte fast, wälzte sich hin und her und sprach dabei, geradezu flehend, immer wieder die gleichen Worte auf asconisch. Außer Satory konnte ihn niemand verstehen, der junge Hauptmann schloss seine Augen und schüttelte leicht den Kopf dabei. „Oh Gott“, sagte er leise und legte eine Hand an die Stirn. Henry sah ihn an. „Ihr könnt ihn verstehen? Was sagt er da?“, fragte er überrascht. Satory öffnete seine Augen und sie waren tränenfeucht. „Er ruft nach seinem Vater und bittet ihn um Hilfe“, sagte er stockend, „bitte, Vater, hilf mir doch, bitte, so helfe mir doch! Wo bist du nur, Vater?“, übersetzte er Amanoues Worte und schnaufte tief durch. „Und dann fleht er immer wieder darum, aufzuhören. Ich denke, er träumt gerade davon, wie er gefangen genommen wurde und allem Anschein nach, wurde er dabei missbraucht.“, fuhr er fort und atmete erneut entsetzt durch. Sein Vater legte ihm seine Hand auf den Arm und drückte ihn kurz. „Sebastian, geh und wecke ihn auf, das ist ja schrecklich mitanzuhören“, raunte Henry sichtlich bestürzt. „Na dann, war er wohl gar nicht mehr unberührt“, meinte Richard kalt, „die haben dich, glatt, übers Ohr gehauen, lieber Neffe!“ Henry sah seinen Onkel mit zusammengekniffenen Augen an und schüttelte fassungslos seinen Kopf. „Vielleicht ist er ja der Sohn eines reichen Kaufmannes und ihre Karawane wurde überfallen.
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Das kommt oft vor, im Grenzgebiet zu Tiranien“, meinte Hauptmann Satorius nachdenklich. „Kann er sich denn wirklich, an gar nichts erinnern?“ Henry sah wieder zu ihm hin. „Nein, ich habe mit Gregorius über ihn gesprochen und der meint, er würde es verdrängen. Alles, seine gesamte Vergangenheit, ist weg. Aber manches Mal, scheint er sich wie selbstverständlich, an etwas zu erinnern. Er kann lesen und schreiben, besser als ich. Könnt Ihr Euch das vorstellen?“ „Nun, Henry, du hast dir ja auch nie die Mühe gemacht, es zu lernen! Bist lieber, mit deinem Bruder zur Jagd gegangen“, spottete sein Onkel wieder und Henry warf ihm einen missbilligenden Blick zu. Sebastian war inzwischen nach hinten gegangen und rüttelte Amanoue sanft an den Schultern. „Wach auf“, sagte er leise und beruhigend, „ist ja gut!“ Amanoue fuhr dennoch erschrocken auf und sah ihn verwirrt an. „Wer seid Ihr? Wo bin ich? Vater?“, murmelte er noch immer auf asconisch und Sebastian sah ihn verständnislos an. „Was redest du da? Ich kann dich nicht verstehen, Kind! Sprich austrisch, mit mir, hörst du?“, erwiderte der alte Diener. Amanoues Blick irrte verwirrt im Zelt umher. Wieder sprach er asconisch und schlug schluchzend beide Hände vor sein schönes Gesicht. „Was sagt er jetzt?“, wollte Henry von Satory wissen. „Ich kann es auch nicht, so richtig verstehen. Er spricht einen starken Dialekt, wie aus dem Süden Asconiens und völlig wirr, Eure Majestät.“, antwortete der, erhob sich, ging hinüber zum Bett und setzte sich. „Amanoue, ich bin es, Satory“, sagte er sanft auf asconisch und nahm dessen Hand. „Es ist alles gut, Ihr seid hier in Sicherheit. Niemand will Euch etwas Böses antun“, versuchte er ihn zu beruhigen und Amanoue sah ihn traurig an. „Sie sind alle tot“, schluchzte er, „und die, die mit mir überlebt haben, sind alle fort! Der Fürst hat mir die Kette weggenommen und weggeworfen, damit sie mich nicht erkennen. Niemand, darf erfahren, wer ich bin, sagte er und dann haben sie ihn getötet, weil er mich beschützen wollte. Sie haben mir so wehgetan und mich immer wieder geschlagen dabei und nun sind alle fort!“, rief er verzweifelt, stand auf und lief verwirrt auf und ab. Satory erhob sich und folgte ihm vorsichtig nach. „Sebastian, lass Gregorius holen! Sofort“, befahl der König und blickte wieder Satory an. „Majestät“, der junge Hauptmann hob die Schultern, „wie gesagt, ich kann nicht alles verstehen, oder werde nicht recht schlau daraus, er spricht von einem Fürsten, den irgendjemand getötet hat und von einer Kette, die man ihm abgenommen hätte und dass alle weg oder tot sind! Vielleicht war er ja da schon ein Gefangener und lag in Ketten? Und dieser Fürst, wollte ihn befreien? Ich weiß es nicht, tut mir leid, mein König!“ Gregorius war in der Zwischenzeit hereingekommen und eilte sofort zu Amanoue, doch als der erschrocken zurückwich, blieb er augenblicklich stehen. „Amanoue“, sagte er ruhig,
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„wisst Ihr denn nicht, wer ich bin?“ Er näherte sich ihm behutsam und Amanoue sah ihn an. „Ihr seid der Heiler aus Istrien“, antwortete er leise auf Altgriechisch, der Sprache der Gelehrten, „helft Ihr mir? Ich muss hier fort, bitte, ich muss ihnen helfen! Lasst mir mein Pferd bringen…“ Plötzlich griff er sich an den Kopf, „es tut so weh! Mein Kopf tut so weh!“ Er taumelte zurück, wäre beinahe gestürzt, doch Satory fing ihn auf, hob ihn hoch und trug ihn zurück zum Bett. „Wartet, ich werde Euch etwas geben“, sagte Gregorius, ging zum Tisch, nahm einfach Henrys leeren Pokal und träufelte etwas Opium hinein. Dann schenkte er etwas Wasser darauf und schwenkte den Pokal im Kreis. Henry war mittlerweile auch nach hinten gegangen und als der Heiler zurückkam, sah der den König an. „Er spricht griechisch, habt Ihr das gewusst?“, fragte er und Henry nickte nur besorgt. Gregorius sah ihn überrascht an und wandte sich an Amanoue. „Hier, Amanoue, trinkt das!“, sagte er auffordernd zu ihm und hielt ihm den Pokal hin. Amanoue nahm ihn, trank und sah dann den Heiler verwirrt an. „Wie sprichst du mit mir? Weißt du nicht, wer ich bin?“, entgegnete er verstört auf Griechisch, während Gregorius austrisch gesprochen hatte. „Natürlich weiß ich, wer Ihr seid“, antwortete er sanft, „Ihr seid Amanoue, der Sklave des Königs.“ Amanoue sah ihn erschrocken an, wollte aufstehen, doch seine Augenlider wurden bereits schwer und so sackte er nach vorne weg und dieses Mal fing Henry ihn auf. „Mein Liebling, was ist nur mit dir?“, raunte er ergriffen und strich ihm zärtlich über die Wange. „Henry“, sagte Amanoue matt, schlang seine Arme um dessen Hals, der hob ihn hoch und legte ihn aufs Bett zurück. „Allem Anschein nach, ist er wohl auch noch verrückt“, meinte Richard verächtlich, „vielleicht kannst du ihn ja umtauschen!“, schnaubte er spöttisch. Henry drehte sich zum Tisch um und atmete tief durch, um ruhig zu bleiben. „Meine Herren, wenn Ihr uns nun alleine lassen würdet? Eure Ernennung zum Herzog, werden wir in Austra noch gebührend nachfeiern“, sagte er barsch und sah kurz zu Satorius hin. Augenblicklich erhoben sich alle von ihren Plätzen, verbeugten sich in seine Richtung und wandten sich zum Gehen, doch Henry hielt Satory am Ärmel fest. „Bitte, bleib! Ich möchte gerne wissen, was er sagt, falls er noch einmal asconisch spricht!“ Satory nickte, sah kurz fragend zu seinem Vater, der auf ihn wartete, der nickte nur wütend zurück und verließ verbittert als erster das Zelt. Als sie alle draußen waren, blickten sie dem neuernannten Herzog noch nach, der bereits auf sein Pferd gestiegen war und rasch zurück zu seinen Soldaten ritt. „Der hat`s aber verdammt eilig, hier wegzukommen, was?“, fragte der General verwundert
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