Er rechnete nicht damit, dass Loana zuerst sein Gesicht zärtlich in beide Hände nahm und ihm einen kleinen süßen Kuss gab, bevor auch sie den Zwillingen gratulierte und ihnen ihre Geschenke überreichte:
Bildbände zu den Werken von Gauguin, Monet und Matisse für Viktoria und CDs mit Musik von Alan Stivell, Tri Yann und Nolwenn Leroy für Viktor. Die beiden freuten sich lauthals darüber, weil diese Sachen genau ihren Vorlieben entsprachen und Loana außerdem ihren bretonischen Wurzeln treu geblieben war. Es zeugte davon, wie viel Gedanken sie sich deswegen gemacht haben musste.
… Auch Vitus freute sich darüber, dass Loanas Geschenke derart großen Anklang bei seinen Kindern fanden, hatte sie sich doch so lang den Kopf deswegen zerbrochen. Sie wollte seinen Kindern unbedingt etwas schenken, das dem jeweiligen Interesse der beiden und zudem deren rein menschliche Seite entsprach. Ein schwieriges Unterfangen für eine Elfe ohne große Erfahrung mit Menschen.
Doch nachdem sie vor einiger Zeit von Anna und Jens erfahren hatte, dass es nicht nur berühmte Maler, sondern auch Rockmusiker mit Themen aus Loanas Heimat gab, war ihr die zündende Idee gekommen und sie hatte Anna gebeten, diese Dinge für sie zu besorgen. …
Um fast halb zehn begannen sie endlich mit dem, natürlich wie immer, opulenten Frühstück. Zunächst sagte Vitus nichts zu seiner Beobachtung, wie Sentran sich heimlich in die Küche verziehen wollte, dort aber hochkant vom Koch Wonu hinausgeworfen wurde. Wonu hatte absolut keinen Sinn für den Wachmann, sondern beäugte fluchend und stöhnend den hochmodernen menschlichen Induktionsherd und fragte sich, wie er mit dieser Höllenmaschine die bereits vorbereiteten Speisen bis ein Uhr in ein Dinner verwandeln sollte. Als Sentran daraufhin versuchte, sich unbemerkt aus dem Esszimmer davonzuschleichen, ging Vitus dieses lächerliche Benehmen des neuen Mannes eindeutig zu weit.
»Ich hab dich nicht mitgenommen, damit du dich feige verdrückst, Sentran. Ich möchte, dass du meine Familie kennenlernst. Und meine sechs Wachen gehören zu meiner Familie dazu.« Er legte den Kopf schräg. »Was ist, möchtest du nun mein sechster Wachmann werden oder nicht?«
»Selbstverständlich, mein König. Ich möchte mit Freuden dein Wachmann sein und dir dienen. Doch beinhaltet das meines Erachtens nicht, mit dir und deiner Familie an einem Tisch zu sitzen – mit Verlaub.«
»Spar dir dein dämliches Mit Verlaub !«, befahl ihm Vitus ungeduldig und ließ dabei die Deckenlampe kurz aufflackern. »Ich bestimme, was deine Aufgaben beinhalten und was nicht. Also setz dich und frühstücke gefälligst mit!« Danach drehte er sich seinen Kindern und Fast-Schwiegerkindern zu und tat so, als sähe er nicht, wie Sentran sich stirnrunzelnd und offenkundig widerstrebend dazusetzte. Stattdessen fragte er: »Und, was gab es denn sonst noch so zum Geburtstag, außer einem Auto, einer langen Nacht und einem fast genauso langen, vergnüglichen Morgen?«
»Vitus, bitte.« Loana lächelte, stieß ihm dennoch unsanft mit dem Ellenbogen in die Rippen.
»Lass nur, Loana«, entgegnete Viktor trocken. »Wir sind das gewohnt. Vitus ist in dieser Hinsicht ein kleines bisschen unsensibel. Aber danke der Nachfrage, Vater. Anna hat mir ein traumhaft schönes selbstgemaltes Bild geschenkt, ein Buch über Elfen und das hier.«
Viktor hielt seinen Autoschlüssel hoch. Daran hing ein feiner silberner Stern mit sieben Zacken, eingefasst in einem zarten Reif. In der Mitte des Sterns war ein recht großer Stein in intensiv blauer Farbe eingelassen. Diese Farbe glich haargenau der von Viktors Augen, erkannte Vitus gerührt.
»Das ist ein stilisierter Elfenstern.« Anna räusperte sich. »Also, in der Menschenwelt denkt man, so etwas sei ein Elfenstern. Der Stein ist ein blauer Turmalin, aber er hat mich an einen Tansanit erinnert. Na ja, den konnte ich mir natürlich nicht leisten. Aber ich hab bei dem Stern sowieso weniger an Edelsteine gedacht, sondern mehr an Viktor, seine Augen und seine Sonne. Ich fand ihn einfach hübsch und …«
»… passend.« Vitus nahm den Anhänger in die Hand, um ihn eingehend zu betrachten. »Er ist wunderschön, Anna. Wirklich wunderschön.«
Ihm war klar, wie tief Anna für ihre Verhältnisse hatte in die Tasche greifen müssen, um Viktor dieses wunderbare Geschenk zu machen. Er sah sie an und freute sich über die Liebe, die in ihren Augen brannte, nur für seinen Sohn.
»Das Buch und das Bild würde ich mir später gerne ansehen.«
Nun wandte er sich Viktoria zu. Natürlich war ihm ihr neuer Schmuck bereits aufgefallen. »Auch dein Geschenk ist wunderschön.« Er bedachte Ketu mit einem undurchschaubaren Blick. »Du scheinst als Wachmann ja sehr gut zu verdienen.« Eine Spur Ironie konnten seine Worte nicht verhehlen.
»Also, Vitus, du bist wirklich manchmal ein roh… nein, hhm, ein grober Klotz. Die Geschenke sind zauberhaft«, sagte Loana, während sie aufstand. »Ich muss mal kurz, nun ja … Ihr wisst schon.« Vitus sah ihr nachdenklich hinterher, als sie in Richtung Gästetoilette verschwand.
Ketus Mundwinkel zuckten. Vitus’ Kommentar hatte ihn wohl belustigt. »Stimmt, mein König, ich bin durchaus zufrieden mit meinem Gehalt. Aber der Schmuck ist tatsächlich ein klein wenig zu kostspielig dafür. Es handelt sich um Erbstücke. Sie gehörten der Mutter meines Vaters. Meine Eltern und ich wollten gerne, dass Viktoria sie bekommt. Ich habe allerdings noch zusätzlich die Rubine einarbeiten lassen.«
Ein knapper Einblick in Ketus Kopf zeigte Vitus, dass sein Wachmann zurzeit nicht in der Lage war, seinen Geist erfolgreich zu verschließen. So wurde ihm zuteil, dass Ketu in den feurigen Rubinen das Feuer in den Augen seiner Freundin sah.
Allerdings konnte nicht nur er Ketus Gedanken problemlos lesen. Auch Sentran nahm sie augenscheinlich wahr, bemerkte Vitus. Und so, wie Ketu jetzt gerade dreinschaute, wusste der wiederum darüber Bescheid, dass sowohl König als auch Wachkollege sein Denken belauschten. Deshalb machte Ketu insbesondere gegenüber Sentran ein bitterböses Gesicht.
»Ich habe deine Gedanken genauso erkennen können wie Sentran und wohl auch die anderen, Ketu«, gab Vitus ihm süffisant grinsend zu bedenken. »Übrigens, wenn du dir Loanas Verlobungsring näher anschaust, dann siehst du, dass ich deine Vorliebe für Rubine und Diamanten auf der Haut einer temperamentvollen Frau durchaus teile. Und jetzt guck nicht mehr so düster. Ich habe im Moment selbst Schwierigkeiten, mich immer völlig zu verschließen. Estra hatte letztens großen Spaß daran, meinen ständig zu weit offengelegten Geist zu durchforsten.« Er begegnete Ketus fragendem Blick mit nun todernstem Gesicht und erklärte: »Das sind die Frauen. Sie machen uns schwach und wir sind vollkommen machtlos dagegen.«
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