1 ...8 9 10 12 13 14 ...38 Christina richtete sich auf, blickte sie an und griff ihre Hände. „Natürlich.“, sagte sie und meinte es ebenso. „Ich bin heimatlos, schon vergessen?“, scherzte sie lächelnd. „Und vielleicht kommst du mich auch mal in Bagdad besuchen. Wenn Damian und ich uns erst einmal in seinem Haus eingerichtet haben.“
Sally musste sich einen skeptischen Kommentar verkneifen. Ihre Freundin sprach immer so, als wäre Damian nur ein Lebensabschnitt für sie. Das lag nicht an ihm direkt, es war so ihre Art. Es fiel ihr schwer sich zu binden, sogar an ein Land. Und doch wünschte sie sich für ihre Freundin nur das Beste. Sie war zwar eigensinnig und seltsam, aber auch ihre beste Freundin. Sie konnte großzügig und uneigennützig sein, sie hatte Humor und war ungemein schlau. Sie hatte ein gutes Leben verdient. „Wenn Damian nicht gut zu dir ist, komme ich persönlich vorbei und trete ihm in den Arsch.“, versicherte sie über ihre Gedanken hinweg.
Christina lachte. „Ich hoffe, so weit muss es nicht kommen. Und du besuchst mich in friedlicher Mission.“, sagte sie amüsiert.
Sally nickte und küsste ihre Wange. „Natürlich werde ich nach dir sehen…oder dich zumindest immer zu anrufen.“, sagte sie und umarmte ihre Freundin. „Ich hoffe doch, du bezahlst dann meine Telefonrechnung, ich werde mir das wohl nicht lange leisten können.“
Christina lachte. „Abgemacht.“
Sally schüttelte leicht den Kopf. „Ich glaub’ einfach nicht, dass du heiraten wirst.“, sagte sie und war über diese Nachricht noch immer überrascht. „Du bist doch Miss Heimatlos und Miss Geheimnisvoll. Dass du dich an Damian bindest, das glaube ich erst, wenn ich es sehe.“
Christina lächelte und nahm ihr die Worte nicht übel. Sally war ehrlich und das hatte Christina immer an ihr geschätzt. Auch hatte sie sie nie gedrängt, ihr ihre Geheimnisse anzuvertrauen. Mit der Zeit war sie daran gewöhnt gewesen, dass es eben so war. Und diese Eigenschaft von Sally war ungemein kostbar für Christina. „Vielleicht sollten wir langsam los gehen.“. sagte sie und erhob sich mit der Flasche in der Hand. Sie musste sich noch immer betrinken, um nicht in Panik davon zu laufen. Denn Sally hatte Recht. Sie liebte ihre Unabhängigkeit, ihre Freiheit und hatte ihre Geheimnisse. Es würde schwer für sie werden, mit Damian zusammen zu leben. Es würde schwer werden, von nun an rund um die Uhr ein doppeltes Spiel zu spielen, ohne Zuhause sie selbst sein zu können.
„Willst du nicht erst mal ein Taxi rufen?“, fragte Sally verwundert.
Christina schüttelte den Kopf. „Ich brauche frische Luft.“, sagte sie und zog sich bereits ihren knielangen Mantel an.
Sally erhob sich nun ebenfalls.
„Und ich will noch einmal durch diese Stadt spazieren.“, fügte Christina lächelnd hinzu.
Als sie gemeinsam durch London zum Flughafen gingen, während sie beide eine von Christinas Reisetaschen hinter sich her zogen, wurde ihnen beiden schmerzlich bewusst, dass keine von ihnen sagen konnte, wann ein solcher Moment wieder eintreten würde. Als Christina noch in London gewohnt hatte, waren sie mindestens einmal die Woche in die Innenstadt gegangen um dort einzukaufen oder auch nur einen Kaffee zu trinken. Nun würde Christina im Irak leben und nach Sallys Vorstellung, bedeutete dies, dass sie nicht einmal mehr die Möglichkeit hätte, dort eine Mall aufzusuchen oder Kaffee trinken zu gehen. Sally begriff nicht, weshalb ihre Freundin ihr Leben für einen Mann auf den Kopf stellte, der es, ihrer Meinung nach, nicht einmal wert war. Damian war ein Arzt und er half von nun an in einem irakischen Krankenhaus in Bagdad aus und arbeitete mit der dortigen Hilfsorganisation zusammen. Und obwohl dies auch in ihren Augen ehrenhaft war, ließ er diese Ehre jedoch vermissen, als er entschied, mit Christina in diesem Land leben zu wollen. Welcher Mann setzte seine geliebte Frau schon gerne einem Land aus, das der Weltmacht USA so verhasst war, dass sie alles daran setzen würde, um einen Krieg zu rechtfertigen? Christina selbst hatte ihr erzählt, dass eine Invasion durch die Amerikaner nicht mehr lange auf sich warten lassen würde und sie kannte sich mit der Politik dieses Landes erstaunlich gut aus. Dennoch hatte sie dieses Wissen nicht davon abgehalten, Damians Vorschlag anzunehmen. Vermutlich will er nur von ihren Sprachkünsten oder ihrer Intelligenz profitieren , dachte Sally bitter. Sie war wütend, dass er ihr die beste Freundin nahm, aber gleichzeitig auch objektiv, was Damians Handlung betraf. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Damian und Skylla Luna glücklich wurden.
Christina ihrerseits war nicht sicher, ob sie die richtige Entscheidung traf, aber sie tröstete sich mit der Gewissheit, dass sie, sollte sie sich falsch entschieden haben, einfach wieder das Land verlassen würde und wo anders neu anfing. Ihre Eltern lebten in Deutschland und von England aus hatte sie sie oft besuchen können. Diese Entfernung hatte ihr schon immer im Herzen wehgetan, da sie ihre Eltern so selten sehen konnte. Nun würde sie auch all ihre Freunde durch eine noch weitere Entfernung verlieren, wenn sie nicht hin und wieder zurückkehrte. Sie konnte sich allerdings nur schwerlich vorstellen, dass dies im finanziellen Rahmen des Möglichen lag, zumindest nicht, wenn sie eines ihrer Geheimnisse wahren wollte. Zwar verdiente sie in der Hilfsorganisation ihr eigenes Geld, aber dies würde nicht annähernd ausreichen um ständig zwischen London und Bagdad hin und her zu jetten. Und die Vermögen auf ihren Konten musste sie vor Damian verbergen, sonst würde er anfangen Fragen zu stellen, die sie ihm nicht beantworten wollte. Christina sah in ihrer Zukunft sehr viele Probleme auf sich zukommen und sie hoffte nur, dass Damian ihr dabei unfreiwillig eine Hilfe sein würde, indem er nützlich wäre und ihr als ihr Verlobter nicht noch zusätzlich Probleme machte und sich nicht als weitere Schwierigkeit herausstellen würde. Bisher hatte er sich als ein galanter Mann erwiesen, der stets um seine Reputation besorgt war. Christina hatte ihn deshalb ausgesucht. Er kümmerte sich mit Vorliebe um sich selbst und da er sich selbst vor alle anderen stellte, hegte sie die Hoffnung, dass er sie nicht zu genau beobachtete. Ihre Geheimnisse erschienen ihr bei einem egoistischen Mann sicherer, als bei einem liebevollen, um sie besorgten. Und sie respektierte ihn für seine hilfreiche Arbeit im Krankenhaus und beim Roten Kreuz und sie schätzte seine Bildung und seine Bereitschaft, das Heimatland für ein risikoreiches Land wie den Irak zu verlassen. Er war ganz anders als sie, aber das war nötig gewesen. Wenn sie bereit sein würde, ihn zu heiraten und sich wahrhaftig auf ihn einzulassen, bestand die Möglichkeit mehr denn je, dass sie doch noch glücklich werden würde.
Allerdings gab es so viel von ihr, das er nicht kannte. Er wusste so vieles nicht und dies waren Dinge, die sie nicht wagte ihm anzuvertrauen. Es ging um Dinge, die er nicht gefährden durfte und es ging um andere Menschen, die sich auf ihr Schweigen verließen. In gewisser Hinsicht waren sie so verschieden, dass ihr Misstrauen ihm gegenüber zu groß schien, um es zu überwinden. Und nun würde sie erst einmal nach Spanien, denn in den Irak fliegen. Sie würde sich erst einmal um ein paar geschäftliche Angelegenheiten kümmern, ehe sie zu ihrem wartenden Verlobten flog. Doch auch das hatte sie weder ihm, noch Sally erzählt. Manchmal war es leichter, nichts zu sagen, anstelle zu lügen.
Christina wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sie mit einem Mann zusammen stieß. „Entschuldigung.“, brachte sie hervor und sah ihm in die Augen. Es war, als hätte sie einen kleinen Schlag gekriegt. Als ginge etwas, das in seinen dunklen Augen lag direkt in sie über. Sie blickte in sein unrasiertes, aber dennoch auffallend attraktives Gesicht.
„Das war meine Schuld. Verzeihen Sie.“, erwiderte der Mann und ließ ein charmantes Lächeln sehen. Auch er schien im ersten Moment verwirrt gewesen zu sein, fasste sich jedoch schneller als sie.
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