„Wer sagt, dass ich mich nicht traue?“, raunzte ich ihn an. Noch während die Worte über meine Lippen strömten, registrierte ich, dass ich wieder mal mit dem Denken nicht ganz so schnell gewesen war. Gar so herausfordernd hatte ich das eigentlich nicht raushauen wollen. Aber nun war es schon passiert.
„Ja, sicher“, sagte er mit dem schlecht verhohlenen Anflug eines spöttischen Grinsens. „Zuhause sind Sie bestimmt das mutigste Mädchen der ganzen Straße.“
Aus seinem Mund klang das, als hielte er mich gerade für mutig genug, auf dem Weg zum nächsten Postkasten ein etwas zu kurzes Kleid zu tragen. Aber auch das nur, wenn im Moment beim besten Willen nichts anderes greifbar war. So ein superblinder Schnösel!
„Sie haben doch gar keine Ahnung von mir! Sowas wie Sie verspeise ich normalerweise zum Frühstück!“
„Ist ja schon gut!“, erwiderte er da abwiegelnd. „Sie müssen mir nichts beweisen. Ich glaube Ihnen auch so!“
„Tun Sie nicht!“, blaffte ich zurück. „Sie glauben bloß, Sie müssen jetzt den edlen Ritter spielen. Aber da haben Sie sich geschnitten! Also los, wie soll das ganze ablaufen?“
Nun kratzte er sich auf einmal nachdenklich am Kopf.
„Ja, wie könnten wir das jetzt machen?“, sagte er unschlüssig. „Ich habe jetzt gar nichts Geeignetes bei mir. Sowas wie ein Seidentuch …“
„Wie wär’s mit Ihrem Schlips?“, warf ich keck ein, weil mir das weinrote Ding just im falschen Moment ins Auge gestochen war.
„Ja, das … nein … naja …“
Er wand sich jetzt wie ein Aal. Schon wieder eine Situation, in der ich ihn nicht vom Haken lassen durfte.
„Also dann her damit!“, forderte ich ihn energisch auf. „Nur keine falsche Scham!“
Bei dem Wort Scham zuckte ich zusammen. Plötzlich überfiel mich eine heftige Hemmung, das, was sich da anbahnte, tatsächlich mit mir machen zu lassen. In aller Öffentlichkeit, vor unzähligen fremden Leuten, die keine Ahnung hatten, dass es nur ein wissenschaftliches Experiment war.
Gerade noch rechtzeitig entschied ich, dass das alles kompletter Blödsinn war und dass ich lieber doch nicht mitspielen wollte.
„Naaaa!“ sagte er grinsend, als ich eben den Mund aufmachte, um ihm cool die unwiderlegbaren Gründe für meinen Rückzug zu erklären. „Jetzt kriegen Sie aber doch noch Manschetten! Das sehe ich Ihnen an!“
„Überhaupt nicht!“, erwiderte meine flinke Zunge blitzschnell. „Ich frage mich bloß, wie lange Sie hier noch herumtrödeln wollen!“
Kaum hatte ich die Worte hinausgestoßen, war ich schon das pure Entsetzen über meine Leichtfertigkeit. Sollte ich nicht lieber doch einlenken und so schnell wie möglich zugeben, dass mir das alles jetzt doch ein ganzes Stück zu gewagt war?
Das hätte geheißen, klein beizugeben. Und vor allem hätte ich damit zugegeben, dass er von Anfang an recht gehabt hatte. Er, nicht ich.
Kam doch gar nicht in Frage!
„Na, nun sagen Sie schon, Sie Held! Wie wollen Sie es denn haben?“
*
Er wollte es so haben, dass ich ihm den Rücken zuwandte und die Arme in den Rücken nahm, damit er mir die Hände über dem Po zusammenbinden konnte. Er hielt korrekt Abstand, als er das tat, aber dennoch schien es mir, als ob uns nur ein plötzlicher Windstoß von einer aufregenden Umarmung trennte. Was natürlich so falsch gar nicht war.
Plötzlich fühlte ich mit verwirrender Klarheit, dass es in diesem Kein-Nilpferd-sondern-Flusspferd-Nashornhaus drückend schwül war. Die stehende Luft war stickig aufgeladen von der Hitze des Sommers und geschwängert vom Dunst des schlierendurchzogenen Wassers, in dem die Hippobullen ihr Revier markierten, indem sie den eigenen Kot möglichst flächendeckend verteilten. Momentan badeten sie fast reglos und schienen nicht einmal Lust zu haben, sich die Zeit mit den spaßigen Spielen ihrer weit aufgeblähten Nüstern zu vertreiben. Es lag etwas Animalisches im Raum, eine aufgeheizte Spannung, der ich mich auf einmal nicht länger zu entziehen vermochte.
Auf meiner Haut fühlte ich hauchzarte Schweißperlen. Schwer zu sagen, ob sie von der schwülen Hitze in dem kleinen Bau herrührten oder von meiner rasch zunehmenden Erregung. Es war ein höchst berückendes Gefühl, dass da ein attraktiver Mann zielstrebig an meinem edlen Körper herummachte, ohne dass ich selbst sehr viel mehr dazu beitragen durfte, als einfach nur fügsam stillzuhalten.
Jäh zuckte ich zusammen, und der Anflug einer Gänsehaut überzog meinen Körper, als er die Krawatte ruckartig um meine über dem Po aufeinandergelegten Handgelenke straffte. So gerade noch konnte ich den kleinen Aufschrei unterdrücken, der mir auf der Zunge lag. Gerade jetzt wollte ich auf keinen Fall verängstigt wirken. Na hoffentlich wusste er wenigstens den Anblick meiner entzückenden Rückenpartie zu schätzen, die er gerade vollkommen ungeniert studieren konnte!
„Keine Angst“, sagte er lächelnd, als ich mich etwas besorgt umwandte, weil ich spürte, dass meine Handgelenke erstaunlich fest aneinandergeknotet waren. „Wir verstecken alles unter Ihrer langen Jacke, und falls wilde Räuber aus dem Gebüsch brechen, werde ich Sie heldenhaft beschützen.“
Unwillkürlich musste ich lachen.
Er lachte mit, wenn auch vielleicht ein wenig unbekümmerter und weniger angespannt als ich.
Dann, als er um mich herumkam und ich seinen offenen Hemdkragen zu Gesicht bekam, sah ich etwas Fragendes in seinem Blick. Und jetzt musste ich grinsen, weil er gar so verunsichert dreinsah. War sich wohl schon gar nicht mehr so sicher, ob er nicht doch zu weit gegangen war.
Ich dagegen war für einen Augenblick richtig angetan, weil ich diese schicke Krawatte straff verknotet an meinen Handgelenken wusste. Das Ding war ruiniert. Unter Garantie!
He, war das vielleicht ausnahmsweise mal ein Mann, der für eine Frau etwas aufzugeben bereit war? Und wenn es nur seine weinrote Mittwochskrawatte mit niedlichen silbergrauen Pünktchen war.
Einige Überwindung kostete es mich trotzdem, mich schließlich mit ihm Richtung Zoorestaurant in Bewegung zu setzen. Die Hände gefesselt zu haben war, naja – schon sehr ungewohnt!
Ich erwartete natürlich, dass er die Situation früher oder später ausnutzen würde. Eine Hand auf den Po, ein verwegener, aber natürlich rein zufälliger Griff an die Brüste – wie hätte ich ihm schon wehren wollen?
Doch keine Spur.
Er schlenderte unbekümmert neben mir her, als hätte die Situation absolut nichts Aufregendes. Ließ mich frei laufen, war heiter, aufgeräumt, witzig. Nur seine prüfenden Blicke tasteten vermutlich jeden Quadratzentimeter meines gut gewachsenen Körpers dreifach ab. Hoffte ich jedenfalls. Schade nur, dass die leichte Jacke jetzt einiges verdeckte, wo ich doch glücklicherweise dieses luftig-leichte Sommerkleid trug, in dem ich ihn mit jeder Bewegung darauf aufmerksam machen konnte, dass er es hier mit einem Spitzenweib zu tun hatte.
Es war mir auf einmal wichtig, dass ihm das klar war. Ich wollte nicht, dass er mich für sonstwas hielt, gerade wo ich innerlich schön langsam gegen eine gewisse Furcht anzukämpfen hatte, die Sache nicht mehr vollständig im Griff zu haben. Es sah vermutlich nicht gerade cool aus, wie ich da recht ziellos und immer wieder unsicher um mich sehend neben ihm hertapste. Fast so wie ein junges Hundchen, das noch nicht so recht weiß, was Herrchen von ihm erwartet. Manchmal, als hätten wir überhaupt nichts miteinander zu tun. Und diese Vorstellung war mir auf einmal gar nicht mehr besonders sympathisch.
Erstens weil sie albern war. Zweitens weil ich mich mit der Zeit schutzbedürftig zu fühlen begann. Und drittens weil der Kerl anfing, mich zu interessieren.
Ernsthaft zu interessieren.
Ich selbst war es schließlich, die Tuchfühlung herstellte. Ich lehnte mich gegen ihn, neigte für einen Moment den Kopf an seine Schulter und animierte ihn, ohne dass er es merken konnte, wenigstens den Arm um mich zu legen. Sobald ich seine Hand auf meiner Hüfte spürte, lauschte ich meinen innersten Empfindungen. Mit befriedigendem Ergebnis. Es war keine Wende zum Schlechteren, eigentlich genau richtig.
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