„Ich bin das blühende Leben, Schätzchen.“ Sephies dunkelbraune Augen blitzten, und das breite Lächeln zeigte ihre weißen Zähne.
„Gibt es einen bestimmten Grund dafür? Einen der zwei Beine hat, männlich ist und dessen Namen ich bisher noch nicht kenne?“
Sephie war meistens Single. Ihre Beziehungen dauerten nie länger als drei Wochen und das Verrückte war, dass sie das nicht störte. Sie fand Ehen völlig überbewertet, wollte keine Kinder und erklärte mir seit Monaten, dass das Leben als freie Frau das größte Glück auf Erden war. Natürlich nur, wenn man es auch so lebte wie sie es tat. Mir fiel das jedoch wesentlich schwerer.
„Du kennst mich einfach zu gut, Eden.“
„Nein, ich kenne dich nicht zu gut. Du bist nur leicht zu durchschauen.“
„Ach ja?“, konterte sie und setzte sich auf mein Sofa.
Es war Samstagabend und nachdem ich ihr erklärt hatte, dass ich keine Lust hatte wegzugehen, hatte sie beschlossen, spontan vorbeizukommen. Sie sah jedoch so aus, als wollte sie nicht allzu lange bleiben. Ihre Jeans saß eng auf den weiblichen Kurven und ihr schwarzes Top funkelte vor Glitzersteinen, die nur in einer Disco so richtig ihre Wirkung entfalteten. Hoffentlich hatte sie nicht vor, mich zu überreden. Ich wollte wirklich nicht ausgehen. Nicht ohne Grund trug ich einen bequemen Jogginganzug und hatte weder meine Haare gemacht, noch mich geschminkt. Daher war ihr Spruch, ich sähe gut aus, auch so zum Lachen gewesen.
„Willst du was trinken?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Ein paar Snacks?“
„Nein danke. Jetzt setz dich schon. Dieses Gastgebergehabe immer. Du machst mich ganz kirre damit.“
Ich lächelte und setzte mich neben sie. „Das liegt noch an gestern.“
„Was war gestern?“
„Kochclubtreffen.“
„Ach ja, der erste Freitag im Juli und dein zweites Kochclubtreffen, seitdem du wieder hier bist. Wie war es diesmal?“
„Schön.“ Ich stupste sie in die Seite. „Doch wirklich“, erwiderte ich bei ihrem skeptischen Blick.
Ich war das erste Mal vor vier Wochen wieder bei Grace gewesen und hatte sie und die anderen Mädels wiedergesehen. Natürlich kannte ich Grace und Tamsyn schon sehr lange. Wir waren in eine Schulklasse gegangen. Zwar hatte ich in der Schule mit Sephie rumgehangen, aber befreundet waren wir trotzdem gewesen. Und später dann, als Grace mich gefragt hatte, ob ich nicht Mitglied werden wollte, hatte ich ja gesagt. Das war vor ein paar Jahren gewesen. Ich mochte das Kochen und ich mochte auch die anderen Frauen. Wir waren eine tolle Truppe. Allerdings hatte es sich das letzte Mal merkwürdig angefühlt. Es waren nicht alle verheiratet, Tamsyn zum Beispiel war Single und als solcher so lebenslustig wie Sephie, doch alle anderen waren Ehefrauen und hatten Familie.
Ich war zudem nicht bloß Single, ich war nicht geschieden, ich war Witwe. Die Mädels hatten mich das nicht spüren lassen. Aber als Alec dann abends nach Hause gekommen war und sich das Thema unweigerlich Männern zugewandt hatte, hatte ich deutlich gespürt, dass es dafür bei mir noch zu früh war.
„Diesmal habe ich mich besser geschlagen. Ich hatte viel Spaß. Und du glaubst nicht, was alles los war.“
„Was? Hat sich Tammy ausgezogen und auf dem Tisch getanzt?“ Sephie lachte über den Scherz.
„Nein, hat sie nicht.“
Ihre Vermutung war nicht mal weit hergeholt. Tamsyn hatte auf einer unserer Stufenpartys im letzten Jahr der Highschool zu viel getrunken und sich tatsächlich das T-Shirt und die Jeans ausgezogen und hatte dann in Unterwäsche auf dem Tisch getanzt. Seitdem war sie Sephie sympathisch gewesen, obwohl sie vorher nur Konkurrenz in ihr gesehen hatte. Tammy und Sephie standen damals immer auf die gleichen Jungs, was es auch schwer gemacht hatte, zusammen wegzugehen.
Mittlerweile war der Geschmack der beiden aber garantiert ein anderer. Jedenfalls glaubte ich nicht, dass Tammy auf die Männer stand, die Sephie so abschleppte. Das waren meistens nur Männer für eine Nacht, maximal drei Wochen und Tamsyn suchte tatsächlich einen festen Partner. Sie hatte darin nur kein Glück. Bestimmt schreckte ihr Anwaltstitel so manchen Mann ab.
„Was gab es dann für wilde Eskapaden?“
„Es gab gar keine Eskapaden. Nur ziemlich viele Neuigkeiten.“
„Ach ja?“
„Abygail und Jim trennen sich.“
„Wirklich? So richtig mit Scheidung und allem Drum und Dran?“
„Vermutlich schon. Aber das ist noch nicht einmal das Heftigste.“
„Oh, jetzt wird es interessant.“
Ich sah Sephie an. „Ich bin nicht mal sicher, ob ich dir das alles erzählen sollte.“
„Wenn du mich darum bittest, werde ich es nicht gleich jedem Kunden erzählen, ob er es hören will oder nicht.“ Sie sah mich herausfordernd an und ich lachte.
„Na schön. Jim ist nicht Elises Vater. Abby war früher wie du und weiß nicht, von wem sie schwanger wurde. Ihre Eltern hätten ihr die Hölle heißgemacht und sie war finanziell von ihnen abhängig.“
„Bei Zeus“, sie unterbrach mich mit großen Augen. „Wer hätte das gedacht. Meine Hausärztin ist eine Seelenverwandte.“
Bei Zeus . Ja, so fluchte Sephie nur, wenn sie richtig begeistert war. Ansonsten versuchte sie, die Familienwurzeln zu ignorieren. Sephies Oma und ihre Mutter lebten in Griechenland. Genau wie ihr Bruder mit seiner Familie. Sephie fühlte sich als Amerikanerin. Sie war mit ihrem Vater nach Denver gekommen, als sie 10 Jahre alt gewesen war. Sie fuhr nur einmal im Jahr, meistens für einen Badeurlaub im Sommer nach Griechenland. Ihr Bruder führte direkt am Meer ein Hotel. Er war vier Jahre älter und bei der Mutter geblieben, als die Eltern sich hatten scheiden lassen. Sephie war mit ihrer sechs Jahre jüngeren Schwester Fayne mit dem Vater gegangen. Fayne lebte fünf Häuser von mir entfernt ebenfalls in der Walnutstreet und arbeitete in der Verwaltung des Polizeireviers. Im Gegensatz zu Sephie liebte sie das Kochen, weswegen Sephie vorzugsweise bei ihrer Schwester oder bei mir aß.
„Jedenfalls hat sie Jim all die Jahre glauben lassen, er sei der Vater und deswegen hat er sie auch damals geheiratet. Weil er davon ausging, sie geschwängert zu haben.“
„Das ist ja der Wahnsinn. Die Frau hat echt Nerven.“
Bei Sephie klang das bewundernd. Ich war mir nicht wirklich sicher, dass das die richtige Einstellung war.
„Ich weiß nicht. Sie hätte ihrem Mann und ihrer Tochter die Wahrheit sagen müssen, findest du nicht?“
„Wem hätte das denn geholfen? Das Mädchen wäre immer mit der Frage belastet gewesen, wer ihr wirklicher Vater ist, und Jim hätte das nur als Chance gesehen, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Das machen Männer gerne so.“
Woher ihr Misstrauen gegenüber Männern kam, hatte sie mir schon hundert Mal versucht zu erklären, aber ich hatte es nie verstanden. An ihrem Vater lag es sicher nicht, denn den liebte sie heiß und innig.
„Vielleicht hast du recht“, stimmte ich ohne Überzeugung zu. „Auf jeden Fall zieht Jim nun aus. Er hat eine Neue und Abygail scheint sehr getroffen davon.“
„Sag ich ja. Auf Männer sollte man sich nie verlassen.“ Sie sah mich an. „Gab es sonst noch was? Das klingt nach einer tragischen Eskapade und nicht gerade nach einem typischen Klatschthema. Ihr redet doch sonst immer nur über nette und schöne Sachen.“
„Stimmt ja gar nicht.“
„Natürlich stimmt das. Ich meine das nicht als Vorwurf“, sie sah mich ernst an. „Aber es hat dich niemand nach Simon gefragt, danach wie du das letzte Jahr verlebt hast, wie du damit zurechtgekommen bist, dass sein Todestag vor ein paar Wochen war. Über diese Dinge eben.“
„Ich weiß“, gab ich zu. Allerdings bedauerte ich das nicht. „Worüber ich auch sehr froh bin.“
Sephie seufzte.
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