Er fluchte heiser an Cohens Lippen, es war ihr unausgesprochenes Zeichen dafür, dass er voreilig dem erlösenden Ende entgegensah. Cohen lächelte froh darüber, fuhr neckisch mit der Zungenspitze Desiderius‘ Grübchen in den Mundwinkeln nach, um ihn noch weiter zu provozieren.
»Warte, warte, warte«, japste Desiderius rasch hintereinander, doch es war bereits zu spät, die Welle der Lust schwappte über ihn hinweg und brachte ihn zum Beben. Noch einmal stieß er tief zu, versenkte sich bis zur Wurzel, sodass Cohen unwillkürlich grunzte und nach vorn gestoßen wurde. Er war zu tief. Doch Glücklicherweise war es genau das, was Cohen gebraucht hatte, um mit ihm den kleinen Tod zu sterben.
Zuckend ergoss sich sein Glied über Desiderius‘ Faust und Handgelenk auf das Mosaik am Beckenrand, während sein Innerstes um Desiderius‘ hartem Fleisch herum pulsierte.
Sie lehnten sich gegeneinander, während der Höhepunkt andauerte, erzitterten miteinander, streichelten und küssten sich, während sie einen der schönsten Augenblicke im Leben eines Sterblichen gemeinsam erlebten.
Als das Beben in ihren Leibern gemächlich abklang, legten sie die Köpfe aneinander und verfielen in ein angenehmes Schweigen. Zärtlich kraulten Cohens Finger Desiderius‘ Haar, an dem er vor wenigen Augenblicken noch gierig gezerrt hatte. Liebkosend knabberte Desiderius mit leerem Kopf und weit entfernt von jedweden Gedanken an Cohens Schulter.
Bis Cohen schließlich entspannt seufzte. »Ich liebe dich.«
Desiderius rieb die Nasenspitze an Cohens Hals, atmete seinen süßen Duft ein. »Und ich liebe dich.«
Doch wie stehts klang dieser Schwur seltsam belegt, was Cohen jedoch gerne überhörte.
Glücklich lächelnd ließ Cohen seinen Körper in Desiderius‘ Umarmung erschlaffen. Doch Desiderius zog sich behutsam aus ihm zurück.
Cohen spürte die plötzlich aufkommende körperliche wie geistige Distanz und bat leise, jedoch nicht flehend: »Bitte, bleib noch.«
Seiner Stimme war anzuhören, dass er wusste, dass seine Bitte kein Gehört fand.
Die Zeit drängte, die Übungen warteten, und zwar auf sie Beide. Noch einmal küsste Desiderius Cohens Hals, dann ließ er ihn los und wandte sich ab.
Er hörte keinen weiteren Protest, doch hätte er sich umgedreht, hätte er Cohens enttäuscht hängenden Kopf bemerkt.
***
Als er wenig später auf die Wehrgänge der Festung trat, trug er bereits seine vollständige Montur. Das dunkle Drachenleder seiner Rüstung war dick genug, um seinen Körper zu schützen, behinderte aber nicht seine Wendigkeit, wie es eine schwere Plattenrüstung getan hätte.
Desiderius verschloss die letzten Riemen an seinen Armen und ließ seinen Blick über das Land schweifen, das sich unter ihm erstreckte.
Die Sonne schien auf die Festung hinab, die zwischen grauen Bergspitzen emporragte. Der Himmel war klar und erstrahlte in einem endlosen Hellblau, der dunkle Schatten am nördlichen Horizont, wo die Dämonen die Schwarze Stadt beherrschten, war noch sehr weit entfernt. Vögel zogen singend durch das Gebirge im Westen, das Rauschen des Tobenden Meeres war zu hören, die dunklen Wellen waren in Richtung Osten weit unterhalb des Gebirges zu entdecken, und hinter ihm im Süden – Südosten, wenn man es genau nehmen wollte – kroch die Hitze aus der Wildnis den Gebirgspass empor und brachte einen heißen Sommer mit sich. Von hier oben aus war es fast, als könnte er alles in Nohva überwachen.
Ein plötzliches lautes Krachen ließ ihn herumfahren und dem Anblick seiner geliebten Heimat den Rücken kehren.
Er schritt über den Wehrgang und blickte auf die Übungsplätze nahe bei der Kaserne hinab. Das Klirren der Schwerter war verstummt.
Soldaten halfen sich laut fluchend gegenseitig wieder auf die Beine, einige von ihnen lagen in den Trümmern eines alten Karrens.
»Und ihr wollt gegen Dämonen kämpfen, ihr schwächlichen Sterblichen?« Es war Bellzazar, der mit den Soldaten trainierte, und er war wie jeden Tag unerbittlich. »Das war eine einfache Druckwelle. Ein Taschentrick! Bei euren verfluchten Göttern, genügt das denn wirklich schon, um eure Linie zu durchbrechen. Ihr da!«
Bellzazar schritt vor den frustrierten Soldaten auf und ab, sein schwarzer Umhang wehte im lauen Wind, die gewellte Klinge seines Zweihänders blitzte in der Sonne, als er mit der Spitze auf einen Kommandanten deutete und ihn in die Mangel nahm.
»Was starrt Ihr so verblüfft aus der Wäsche? Warum macht Ihr von Eurer Befehlsgewalt keinen Gebrauch und lasst die Lücke von Euren Männern schließen?«
Desiderius lehnte sich gemächlich auf einen Mauervorsprung und beobachtete die Übungen.
»In der Zwischenzeit sind hunderte Dämonen durch diese Linie gebrochen und zerfleischen gerade eure Kameraden«, rief Bellzazar laut und tadelnd, damit die knapp zweihundert Soldaten ihn hören konnten. Es waren nur ein Bruchteil der Kräfte, die sie tatsächlich zur Verfügung hatten, Bellzazar bildete jedoch nur die Besten der Besten aus.
»Wir veranstalten hier kein Kaffeekränzchen, meine Damen, das ist bitterer Ernst. Wenn schon die kleinste Druckwelle die Formation schwächen kann, wird sich eure Front kaum einen Augenblick lang im Kampf halten können! Und dann sind wir alle verloren.«
»Das ist nicht gerecht, Ihr seid unbesiegbar!« Einer der Soldaten stampfte aufmüpfig mit dem Fuß auf.
Desiderius sah in seinen jungen Augen die gleiche Frustration wie bei all den anderen. Es lag keineswegs an irgendeinem Mangel ihrer Fähigkeiten, dass sie an Bellzazar scheiterten, diese Männer waren sich einfach noch nicht sicher, wofür sie sich überhaupt in eine solche Gefahr begeben sollten. Sie hätten keinen Augenblick gezögert, sich gegen Rahffs und Schavellens Truppen zu stellen, doch als Desiderius vor einigen Wochen ihr erstes Ziel verkündet hatte, waren sie unsicher geworden.
»Unsterblich, aber nicht unbesiegbar, mein sterblicher Freund«, wandte Bellzazar ein. Er schritt vor der sich langsam wieder aufstellenden Reihe der Soldaten wie ein strenger General auf und ab. Desiderius hatte den Eindruck, sein Bruder wäre für diesen Posten geboren worden. Das brachte ihn zum Schmunzeln.
»Wenn ihr mich bereits für unbesiegbar haltet, dann wird euch eine unerfreuliche Überraschung erwarten, denn ich bin bei weitem nicht so stark, wie die Dämonen, auf die wir treffen werden, und ich habe nicht einmal meine ganzen Kräfte benutzt. Ihr müsst euch jetzt mal alle zusammennehmen.«
»Warum wir?«, rief einer der Kommandanten zornig. »Was ist mit den Desserteuren, diesen dreckigen Menschen? Warum schicken wir die nicht an die Front?«
»Ja«, stimmten einige mit ihm überein.
»Sie sind doch auch Schuld, dass die Dämonen einen Weg in unsere Welt fanden!«
»Schnauze!«, schalte Bellzazar sie. »Denn genau genommen ist jeder Sterbliche schuld daran. Ja, selbst ihr, eure Eltern, selbst eure lieben Großmütter, haben das Land zu dem gemacht, was es heute ist: verbrannt vom Krieg. Asche.«
Bellzazar ließ die Worte einen Moment wirken, ehe er etwas versöhnlicher fortfuhr: »Außerdem solltet ihr nicht gegen eure Verbündeten sticheln. Ja, sie sind Menschen, aber auch Soldaten wie ihr es seid. Sie haben nur getan, was ihre Pflicht war, hatten aber den Mut, ihre Ehre mit Füßen zu treten, um den Unschuldigen zu helfen. Steht zusammen, wir sind zu wenige, um uns den Luxus erlauben zu können, andere zu hassen.«
»Und außerdem seid ihr Luzianer!« Desiderius laute Stimme ließ die geknickt hängengelassenen Köpfe der mutlosen Soldaten wieder aufsehen.
Er kam die Treppe hinunter und ging mit vor Stolz erhobenem Kinn auf die Linie zu. »Unser Volk kann nicht von Dämonen besessen sein. Wollt ihr lieber die wenigen Menschen vorschicken, die sich uns als Verbündete anschlossen, und unseren Sieg riskieren, weil ihr selbst Angst habt?«
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