»Muuhh!«
Die Anspannung der Kameraden machte sich in schallendem Gelächter Luft. »Sehr witzig!«, fauchte Tamas. Jemand reichte ihm einen glimmenden Span vom Feuer, und er sah sich Auge in Auge mit seiner Feindin gegenüber.
»Hast du Milch, meine Hübsche?« Ouray drängte sich an ihnen vorbei und untersuchte sie. Im Hintergrund der Höhle wurde es lebendig.
»Nanu, es scheint, als seien sie bereits bei den Saranern gewesen.« Currann war unendlich erleichtert. Er ging zum Feuer zurück und holte ein paar brennende Zweige. Kiral kniete immer noch bei den Goi. »Ich nehme nicht an, dass du mit hinein willst, oder?«, fragte er leise. Kiral schüttelte nur leicht den Kopf und zeigte ansonsten keine Regung.
»Und, hat sie Milch?«, fragte Currann, als er zurück war, und reichte die Zweige weiter. Er wagte nicht zu hoffen.
»Oh ja, sie ist schon ganz unruhig«, antwortete Ouray. Es schwang die Erleichterung in seinen Worten mit, die sie alle fühlten.
Sie fanden ein richtiges Lager, zwei Ziegen, ein paar Schafe, Hühner und die angebundenen Pferde der Goi und jede Menge Säcke. »Oh, Getreide!«, rief Yemon begeistert. »Und Bohnen und.. he, was ist das denn?!« Er kam mit einem mit einem runden, braunen Ding zurück.
Currann kannte es: »Das ist ein Erdapfel. Meister Thorald hat sie einmal von seinen Bekannten aus Temora geschickt bekommen. Sieht so aus, als hätten sie reiche Beute gemacht. Packt alles zusammen, und dann lasst uns zusehen, dass wir hier wegkommen. Wer weiß, ob das nicht nur die Vorhut war!«
Sie trieben ihre reiche Beute das Tal hinab. Es war noch dunkel, sodass sie die Männer auf dem Fort von Weitem anriefen, damit sie nicht Opfer ihrer eigenen Pfeile wurden.
»Macht das Tor auf! Und wir brauchen Licht, schnell!« Schon von draußen konnte sie Nathans Gebrüll hören. Sobald das Tor auf war, rannte Ouray auch schon, um sich die Hände zu waschen und mit dem Melken zu beginnen.
Die Männer staunten nicht schlecht, was sie dort alles anschleppten. Currann ließ ihnen keine Zeit. Er teilte sie ein: »Die eine Hälfte sammelt die Goi ein und verscharrt sie, die andere Hälfte sichert die Siedlung. Yorran, könntet Ihr nach den Leuten im Tempel sehen? Lasst niemanden heraus, bevor es richtig hell ist. Wir wissen nicht, ob noch welche in der Nähe sind.« Augenblicklich waren sie allein im Fort, was Currann auch beabsichtigt hatte. Er wurde dieses bohrende Gefühl nicht los, dass etwas Schlimmes geschehen würde.
»Currann, hier..« Ouray lenkte ihn ab, indem er ihm eine Schale hinstreckte. Sinan kam mit dem brüllenden Nathan samt Körbchen und Flasche zu ihnen geeilt. »Gib die Schale Siri. Wir kümmern uns um Nathan.«
Currann ließ sich nicht lange bitten. Das wollte er, nein, das musste er selbst tun, für sich und für sie. Er nahm sich eines der Talglichter und betrat leise den Kommandantenraum. »Siri?«
»Currann?« In ihrer Kammer war es dunkel. Er hörte es rascheln, als sie sich erhob.
»Siri, wir haben Milch! Komm her und trink!« Er stellte sein Licht ab und wandte sich ihrer Tür zu.
»Geht es euch gut? Euch allen?« Sie schien es nicht gehört zu haben.
»Ja, komm, sie ist noch warm.« Currann wartete in gespannter Erwartung mit der Schale in der Hand. »Hörst du? Nathan schreit nicht mehr, er trinkt!«
»Wirklich?« Sie näherte sich langsam der Tür, als könne sie es nicht glauben. »Ist das wirklich.. Oh Gott!!« Siri schrie entsetzt auf, als sie ihn erblickte, so laut, dass Currann vor Schreck beinahe die Schale fallen ließ.
Schon kamen die Kameraden angerannt, Kiral schneller als alle anderen. »Was ist passiert?!«
Siri schrie schon wieder, ein langer, gequälter Schrei, sie schlug die Hände vors Gesicht. Es gab einen Tumult vor der Tür, als die ersten Kameraden erkannten, dass sie Siri erschreckten, während die letzten noch nach vorn drängten.
Currann schritt energisch ein. »Ruhe!«, brüllte er und warf die Tür zu. Als er sich umdrehte, wurde er gewahr, dass Kiral vor ihr kniete, den Kopf gesenkt. »Was..?« Kiral wandte den Kopf in seine Richtung, und da erst ging Currann auf, dass sie immer noch das Blut ihrer Gegner im Gesicht hatten. »Oh nein!« Er wusste nicht, was er tun sollte.
»Verzeih mir«, flüsterte Kiral. »Es ist meine Schuld. Es gehört zu meinem Ritual dazu.«
Siri atmete keuchend aus. Sie schluckte ein paar Mal. »Dann.. du hast.. dich gerächt? Ist ihre Tat gesühnt?« Es fiel ihr sichtlich schwer, doch sie straffte sich und näherte sich ihm.
»Ja, ich habe angefangen, mich zu rächen, aber mein Ritual ist unvollständig. Ich kann es nicht beenden.« Kiral verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und senkte den Kopf.
»Warum nicht?« Siri hatte plötzlich alle Furcht verloren, als sie sah, wie er mit sich kämpfte. Sie nahm seine Hände, ob blutig oder nicht, es war ihr egal.
»Ich brauche eine Frau«, brach es aus Kiral hervor. »Eine, die mich reinigt, von außen und von innen. Currann auch. Erst dann ist es vollständig.«
Currann starrte ihn sprachlos an. Siri schloss krampfhaft die Augen, doch seine Hände, die hielt sie weiterhin fest. Als sie die Augen wieder aufmachte, blickte sie ruhig. »Mach dir keine Vorwürfe. Ich hatte Angst, dass euch etwas geschehen ist«, sagte sie ruhig. »Willst du auch für mich Rache nehmen? Dann werde ich versuchen, dir zu helfen.« Kirals Kopf fuhr hoch. Sie lächelte leicht. »Ich kann zwar nicht für den inneren Teil sorgen, aber wenn es dir hilft, will ich gerne den äußeren übernehmen.«
Kiral neigte den Kopf. »Ich fühle mich geehrt. Gerne werde ich das tun, aber du musst es bei uns beiden machen.«
Ihr Blick schnellte unsicher zu Currann, doch dann nickte sie. Kiral winkte ihn heran. Er zwang Currann, neben ihm niederzuknien, und packte seine Hand. Leise sprach er ein paar Worte in seiner Sprache. Siri nahm eine Schale Wasser und ein Tuch und begann, ihm die Hände und das Gesicht zu reinigen, doch als sie fertig war, zögerte sie. Currann schloss die Augen, auch, um es ihr leichter zu machen. Gleich darauf spürte er ihre sanfte Berührung. Er ließ es ohne eine Regung über sich ergehen. Für ihn war es eine Qual, und er wusste, dass für sie genauso war. Er machte seine Augen erst wieder auf, als Kiral ihr dankte und ihre Hände an seine Stirn führte.
Siri sah sie beide nicht an. Sie riss ihre Hände zurück, verschränkte sie ineinander. »Und.. und ihr habt wirklich Milch?«, fragte sie, um davon abzulenken.
Currann stand langsam auf. »Ja, hier. Trink.« Er deutete auf die Schale.
Sie nahm sie, schnupperte. »Kuhmilch!« Genussvoll trank sie einen großen Schluck. »Wunderbar!«, lächelte sie. »Und Nathan?«
»Ich hoffe, er trinkt«, sagte Currann und deutete nach draußen.
Siri rannte fast in die versammelten Kameraden hinein, so schnell riss sie die Tür auf. »Alles in Ordnung?«
»Hast du..?«
»Wo ist Nathan?«, schnitt sie ihnen die Fragen ab.
»Hier.« Ouray hielt ihn im Arm und fütterte ihn. »Die erste Portion hat er wieder ausgespuckt, aber jetzt geht es. Was, dir schmeckt es, nicht wahr?« Nathan gluckste und ließ einen seligen Rülpser fahren. Siri lachte. Es war das erste Mal seit Langem.
»Komm, sieh dir an, was wir erbeutet haben!« Wie zwei kleine Kinder zogen Tamas und Yemon sie mit sich in den Innenhof.
Kiral und Currann beobachteten alles aus der Ferne des Kommandantenraumes. Currann wandte sich an ihn. »Ist es jetzt besser?«
»Ja, das ist es. Richtig ist es aber erst, wenn ich wieder gesund bin und eine Frau gefunden habe«, sagte Kiral leise. »Ich danke dir.«
Sie gesellten sich zu den Kameraden, die gerade unter viel Gelächter die Hühner befreit hatten und nun versuchten, sie in einen der Ställe zu sperren. »Au, du Mistvieh!«, schimpfte Yemon, als der Hahn nach ihm hackte.
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