»Ihr meint das Härten?«, fragte Yassin.
»Gut erkannt«, lobte Tamas, »aber nicht nur das. Du kannst auch die Mischverhältnisse zwischen Kupfer und Zinn verändern, andere Metalle untermischen.. es gibt viele Geheimnisse darum. Auf jeden Fall hält ein echtes gildaisches Schwert weit mehr aus als unser Probestück hier.« Er trat zu dem Haufen und wickelte ein anderes Bronzeschwert aus. »Dies hier ist ein echtes gildaisches Heeresschwert. Es ist nicht zerbrochen, aber doch so beschädigt, dass es für den Kampf auf Dauer wertlos ist.«
»Ja, ich kann nicht mehr richtig damit zustoßen, und die Schneide ist kaputt. Das ist fast genauso schlimm, als wenn es zerbricht, richtig?«, fragte Yassin ohne vorherige Meldung.
»Das ist richtig«, antwortete Currann ohne Tadel. »Aber es kommt noch schlimmer. Yorran, würdet Ihr uns die beiden Streitäxte hinter Euch reichen?«
Belan wich kreidebleich zurück, als Yorran ihnen die ausgewickelten Waffen reichte. »Keine Angst, es geschieht nichts Schreckliches«, versuchte Currann den Jungen zu beruhigen. Ohne Erfolg. Belan drehte sich um und rannte davon. Keiner der Jungen lachte. Alle wussten, was Belan durchgemacht hatte, und Currann zollte ihnen für ihre Rücksichtnahme Anerkennung. »Wartet, Strahan, ich sehe gleich nach ihm«, hielt er den Schulmeister zurück, der dem Jungen nachgehen wollte. Dieser erklärte sich mit einem Nicken einverstanden.
»Bei den Kämpfen gegen die Goi waren wir nicht sehr erfolgreich«, fuhr Currann fort.
»Aber..« Ramon schlug sich die Hand vor den Mund. Currann zwinkerte ihm zu, sodass er wagte weiterzusprechen: »Ihr habt sie doch besiegt, oder nicht?«
»Mit viel Glück«, sagte Tamas und nahm die Streitaxt an sich, die von dem ersten Angriff stammte. »Althan hat gegen den Goi, der diese Axt trug, im Zweikampf gekämpft. Und jetzt passt mal auf!«
Currann hatte das beschädigte Ferrium Schwert gehoben. Aus den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung wahr. Belan lugte hinter Yorrans Hütte hervor. Offensichtlich hatte die Neugier über seine Furcht gesiegt. »Greif mich an!«
Nicht nur ein Junge duckte sich in der Erwartung, dass ihm gleich die Trümmer um die Ohren fliegen würden. Doch nichts dergleichen geschah. Currann und Tamas standen sich gegenüber, die Waffen ineinander verkeilt.
»Die Axt hält??!« Yassin fand als Erstes seine Sprache wieder. Selbst Belan traute sich wieder näher heran.
»Ja, sie hält.« Currann und Tamas gingen auseinander. »Dies hier«, Tamas hielt seine Axt hoch, »ist eine saranische Waffe. Die Goi müssen sie auf der anderen Seite der Berge erbeutet haben.«
Yassin hob die Hand. »Warum ist das ein Problem? Ihr kommt doch gegen sie an?«
»Ich sehe schon, du denkst mit. Nun, dann sehen wir uns einmal die zweite Streitaxt an.« Statt sie selbst zu nehmen, drückte Currann sie Yassin in die Hand.
»Was.. Moment mal, der Stiel ist ja aus Holz! Nicht aus Metall wie bei der anderen.«
Currann klopfte ihm lobend auf die Schulter. »Sehr gut. Und was schließt ihr daraus? Wer es mir als Erster sagt, darf als Nächster in den Kreis.«
Das war eine schwere Aufgabe. Die Jungen überlegten eine ganze Weile. »Ha, ich weiß!«, rief Ramon, nur um sich gleich darauf kleinlaut zu entschuldigen. Er hob bittend die Hand.
»Ja, Ramon?«, fragte Currann geduldig.
»Den Saranern geht dieses.. wie heißt es eigentlich?«
»Ferrium.«
»F-e-r-r-i-u-m..« Er bewegte das ungewohnte Wort im Mund.
»Was wolltest du sagen, Ramon?«, mahnte Strahan.
Der Junge schrak auf. »Oh, es geht ihnen aus. Sie benutzen Holz, um zu sparen, denn das haben sie zur Genüge«, fügte er hinzu, weil er zeigen wollte, wie gut er im Unterricht aufgepasst hatte.
Strahan honorierte es mit einem Nicken. »Das ist sicherlich eine Möglichkeit, aber ich glaube nicht, dass Althan das gemeint hat..«
»..dennoch ist es eine Antwort«, unterbrach Currann ihn. »Ramon, du darfst reinkommen. Gib ihm die Axt, Yassin.« An Strahan gewandt fuhr er fort: »Die Saraner müssen das Ferrium von weit her beschaffen, da sparen sie sicherlich an Metall, wo sie nur können. Und, wie fühlt sie sich an, Ramon?«
»Puh, ist die schwer und lang.«
»Du darfst sie gerne mit beiden Händen fassen«, half ihm Tamas. Er sah in die Runde. »Fällt jemandem noch eine Möglichkeit ein?«
Ratloses Schweigen folgte. Schließlich meldete sich Yorran brav, indem er die Hand hob. »Wenn ich deren Schmied wäre, ich würde meinen Käufern nur das Beste anbieten. So wie die erste Axt. Alle anderen Äxte für den täglichen Gebrauch würde ich wie die zweite Axt fertigen.«
»Ja, aber.. äh, Verzeihung«, verbesserte sich Ramon rasch, »darf ich eine Frage stellen?«
»Nur zu. Du stehst im Kreis«, forderte Currann ihn auf.
»Geht das Holz denn nicht schneller kaputt? So wie das Bronzeschwert?«
»Nein, das tut es nicht«, antwortete Yassin. »Darf ich reinkommen? Ich zeige es.« Currann trat erstaunt zurück und winkte ihn herein. Die Jungen entwickelten ja ihre eigenen Theorien! Das hatten nicht einmal alle Schüler in der Heerschule gekonnt. Er war sicher, dass dies Strahans Verdienst war.
Yassin nahm Ramon die Axt aus der Hand. »Seht ihr die vielen Kerben im Stiel? Ich glaube, du musst schon sehr viele Male auf exakt dieselbe Stelle treffen, um es kaputt zu machen. Es ist sehr.. Yorran, weißt du, wie das heißt?« Hilfe suchend sah er den Schmied an.
»Weich und zäh. Es ist das Gegenteil von hart und spröde, zumindest bei den Metallen. Du hast absolut recht.«
Yassin wog stolz die Axt in den Händen. »Schwing sie ruhig mal«, erlaubte Currann ihm und trat mit Tamas und Ramon außerhalb des Kreises. »Fällt jemanden noch eine Möglichkeit ein?«, fragte er in die Runde, während sie Yassin beobachteten.
Dieser schwang die Axt und wurde immer schneller. »Ohhhho!«
»Vorsicht!« Tamas fing den Schwung der Axt mit der anderen ab. »Du musst aufpassen, dass sie dir nicht aus der Hand gleitet. Sie ist sehr kopflastig.«
»Puh, das war knapp! Vielleicht.. nun, ich finde, die Axt die Ihr da habt, ist sehr schön. Diese hier dagegen ist..« Yassin zuckte mit den Schultern und wurde rot, weil die anderen lachten.
»Was meinst du mit schön? Hört auf zu lachen!«, rief Tamas. »Ich glaube, dass Yassin dem Rätsel auf der Spur ist. Versuch’s noch einmal!«
Der Junge suchte nach einer Erklärung. »Wenn.. wenn ich etwas baue, dann versuche ich, es möglichst genau zu machen, auch wenn es lange dauert und alle anderen vor mir fertig sind. So wie die Dinge, die aus Nador oder Gilda kommen. Mein kleiner Bruder dagegen flickt einfach etwas zusammen.« Er streckte einem der kleineren Jungen die Zunge raus, was so schnell ging, dass sie von einem Tadel Strahans verschont blieben. »So sieht diese zweite Axt aus.«
»Und was schließt du daraus?«, fragte Currann aufmerksam.
Yassin überlegte kurz und wurde dann blass. Er hatte es schnell erkannt. »Dass die Goi selbst Waffen fertigen?«, brachte er mühsam hervor.
Alle Jungen zogen erschrocken die Luft ein. »Oh nein!«, entfuhr es Belan. Er sprach für sie alle.
»Ja, du sagst es, Belan. Oh nein.« Currann legte dem Kleinen beruhigend eine Hand auf die Schulter. »Ihr seht also, wie man es dreht und wendet, wir haben ein Problem. Und jetzt kommen wir zum letzten Teil dessen, was wir hier machen. Eigentlich auch zum wichtigsten.« Er kramte in seinem Beutel und zog einen kleinen Stein hervor. »Belan, erkennst du den wieder?«
»Oh, das ist der Glitzerstein! Den hab’ ich in eurem Stall gefunden!« Verschwunden war die Angst aus Belans Augen. Sie begannen zu leuchten.
»Und weißt du auch, wie er aussieht?« Belan hob die Schultern, doch Yassin zog überrascht die Luft ein.
»Du hast es erraten, was?«, grinste Tamas. Der Junge brachte keinen Ton heraus, selbst als die anderen ihn drängten. Tamas führte ihre Erzählung fort: »Die Saraner haben über den Winter einen Schmied in Gilda gelassen, der für das Heer Probestücke angefertigt hat. Wir waren neugierig und haben ihn so oft besucht, wie wir konnten. Er hat uns das Ferrium gezeigt und..«
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