Tamas musste sich ein Lachen verbeißen. »Ja und nein. Was habt ihr denn erwartet?!« Er machte seine Augen groß und rund und hob die Hände. »Dunkle Magie? Zauberei? Dass wir unbekleidet ums Feuer herumtanzen?«
Alle einschließlich der Erwachsenen lachten. Das Eis war gebrochen, und infolge dessen prasselten die Fragen nur so auf sie ein. »Warum seid Ihr denn immer so schwarz, wenn Ihr nach Hause geht?«
Currann wusste, dass dies die Leute beunruhigte, und beschloss daher, die Frage äußerst ernst zu nehmen und möglichst genau zu erklären. »Wisst ihr, für das, was wir vorhaben, brauchen wir ein unheimlich heißes Feuer. Wir mussten den Brennstein abbauen, der zum Sammeln reicht nicht aus, um uns einen Wintervorrat anzulegen. Wir haben einen richtigen Stollen gegraben. So wie eure Väter in Nador.«
Einer der älteren Jungen schüttelte den Kopf. »Unsere Väter mussten nur Lasten schleppen, alle bis auf Evan. Der durfte in die Minen. Er hat mehr Lohn bekommen, aber Mutter sagt, dass er deswegen so schlimm hustet.«
Currann merkte auf. Sie alle hatten inzwischen mitbekommen, dass es um Evans Gesundheit nicht zum Besten stand, und laut Siri gab es Gerüchte, dass er nur deswegen auch nach Hause gekommen war. »Das haben wir auch schon bemerkt«, sagte er möglichst gleichmütig. »Nun ja, auf jeden Fall ist es echte Drecksarbeit, wie auch das Feuer in Gang zu halten.«
»Ja, aber warum macht Ihr Euch nicht sauber, bevor Ihr geht? Mama sagt, dass Ihr..« Ein kleiner Naseweis wurde feuerrot und schlug sich die Hand vor den Mund.
»Was sagt deine Mama?«, hakte Currann sofort nach. Dem Jungen wurden die schwarzen Augen unheimlich. Er senkte den Kopf, und Belan, der neben ihm stand, begann zu grinsen. Currann zog die Augenbrauen hoch.
»Junge, wenn du schon davon anfängst, musst du auch so ehrlich sein, den Satz zu Ende zu führen. Halb angedeutete Wahrheiten führen nur allzu oft zu übler Nachrede, und die haben wir in Branndar wahrlich schon genug!«, tadelte der Schulmeister. »Belan, hör auf zu grinsen, Schadenfreude ist hier nicht angebracht! Also beantworte seine Frage.«
»Du kannst es uns ruhig sagen«, meinte Tamas aufmunternd. Wer wusste schließlich besser als er, welche Wirkung Curranns Blicke hatten?
»Äh.. sie meint, Ihr wascht euch nicht, überhaupt nicht, und dass es im Fort dreckig ist. Deswegen seid Ihr so schmutzig.«
Currann blieb der Mund offen stehen, und Tamas musste den Kopf abwenden, um nicht laut loszuprusten. Currann war gar nicht zum Lachen zumute, im Gegenteil, er war ehrlich erbost darüber, was über sie geredet wurde. Da steckte mit Sicherheit Kedar dahinter. Nur mit Mühe nahm er sich zusammen und ließ die Jungen nichts von seinem Zorn sehen.
Nun, dieses Vorurteil konnten sie ausräumen. Sie ließen die Jungen Brennstein zerkleinern und ein schönes, großes Feuer anblasen, bis sie allesamt schwarz bis über die Ohren waren. Als sie dann noch erkannten, dass man Ruß nicht mit einfachem Wasser abbekam, sondern nur mit Sand und Seife, war selbst dem Dümmsten klar, dass Currann und Tamas nicht aus Nachlässigkeit schmutzig waren.
»Hilfe, ich kann nicht mehr!« Tamas hielt sich die Seiten in einem unbeobachteten Moment, so sehr musste er lachen.
Selbst Strahan schmunzelte. Er wirkte derart zufrieden, dass Currann sofort ein Verdacht kam. »Ihr wusstet, was die Bewohner dachten?« Der Schulmeister zuckte nur mit den Schultern und gesellte sich zu seinen Schülern.
»Er will, dass sein Schwiegersohn anständig herumläuft«, stichelte Tamas und bedachte Currann mit einem frechen Grinsen.
Bald waren auch Sinan und seine Gehilfen wieder da, die keuchend mehrere längliche Gegenstände auf den Armen hielten. Sie waren schwer, das konnte man deutlich sehen, so erhitzt, wie ihre Gesichter waren. »Welche hast du mitgebracht?«, fragte Currann.
»Deines und das mit der großen Scharte, zwei unterschiedliche Streitäxte, unseres aus Bronze und das des Hauptmannes.«
Currann nickte zufrieden. Sie hatten alles, was sie brauchten. Er nahm den kürzesten Gegenstand an sich und hockte sich hin. Sofort kamen die Jungen herbei und bildeten einen Kreis um ihn. Es gab einiges an Gedränge und Geschiebe. »Wer rät, was das ist?«
»Ein Schwert!«, rief Belan. Er erhielt einen Stoß in die Seite.
»Du sollst dich melden und warten, bis du aufgerufen wirst, du Dummkopf! Ist das wirklich ein Schwert?«, fragte der Junge neben ihm fasziniert.
Sie hielten alle den Atem an, als Currann es auswickelte und aus der Scheide zog. »Oh ja, das ist es. Echte Bronze, wir haben es selbst hergestellt.«
»Waas, aus unseren Vorräten?!«, rief der Älteste empört aus, der eines der Pakete getragen hatte, wohl wissend, dass das Zinn in ihren Minen nicht mehr häufig zu finden war.
Currann nickte ihm zu. »Das stimmt, es war ein Versuch. Wir haben ausprobiert, ob die Gussform noch in Ordnung ist. Und außerdem.. jetzt ist es für euch.«
»Für uns?? Dürfen wir es anfassen?«
»Nein, das halte ich für keinen guten Einfall«, meldete sich Strahan zu Wort. »Das ist noch nichts für die Jungen.«
Es gab ein vielstimmiges enttäuschtes ›Oooch!‹, aber diesmal widersprach Currann. »Warum nicht? In drei oder vier Jahren sind manche alt genug, um gegen die Goi zu kämpfen. Sie können es gar nicht früh genug lernen.« Er wusste wohl, dass es sich eigentlich nicht vor versammelter Schülerschaft gehörte, dem Schulmeister zu widersprechen. Dementsprechend verstimmt runzelte Strahan die Stirn, sagte aber nichts mehr. Currann ignorierte es, schließlich hatten sie den Vätern versprochen, ihre Söhne zu unterrichten.
»Ihr dürft es anfassen, aber jeder einzeln. Wartet einmal.« Er griff sich eine Schaufel und zog einen weiten Kreis in den Schnee. »Stellt euch darum auf. Niemand überschreitet diese Grenze, es sei denn, ich erlaube es. Du da«, er zeigte auf einen der Jungen, die Sinan geholfen hatten, »wie heißt du noch?«
»Yassin.«
»In Ordnung, Yassin, du wirst mein Gegner. Komm rein.« Der Junge schluckte und trat zögerlich näher, schließlich war der Kommandant geachtet und gefürchtet zugleich. Currann reichte ihm das Schwert mit dem Heft zuerst. »Nimm es ruhig. Und, wie fühlt es sich an?«
Yassin riss überrascht die Augen auf. »Oh, das ist schwer. Das hätte ich nicht gedacht, nachdem ich alle auf einmal getragen habe.« Auf Curranns Nicken hin streckte er seinen Arm vorsichtig aus. Er konnte das Schwert, das etwa so lang war wie sein Arm, zwar halten, aber es ausgestreckt über längere Zeit zu halten, bereitete ihm einige Mühe.
»Also, Yassin, erzähl mir mal, wie kämpft man damit? Sinan hat euch doch sicherlich schon etwas darüber beigebracht?«, fragte Currann in die Runde.
Angesichts der drängenden Bereitschaft um ihn herum, seinen Platz einzunehmen, geriet Yassin ins Schwitzen. Currann nickte ernst. »Siehst du, deshalb müssen wir alle so viel üben. Im Falle eines Kampfes hast du für derartige Überlegungen keine Zeit, dann muss alles von selbst kommen. Du musst es beherrschen wie im Schlaf.«
Gemeinsam überlegten sie, wie man mit dem kurzen Bronzeschwert am besten an den Gegner herankam, ohne dass die Klinge Gefahr lief, allzu stark beschädigt zu werden, und er demonstrierte es mit Yassin auch gleich.
Die anderen Erwachsenen hatten mit gerunzelter Stirn zugesehen. Sinan wusste, Currann hatte gefährliches Terrain betreten. Schließlich sollten die Jungen nicht noch zum Kampf ermutigt werden. Belans Beispiel im Herbst war Mahnung genug. Deshalb warf er von der Bank aus ein: »Ihr müsst aber bedenken, es ist derjenige am schnellsten getötet, der seine Kräfte überschätzt. Also versucht nicht, das an unseren Feinden auszuprobieren. Sie sind selbst für uns starke, gefährliche Gegner. Merkt euch das!« Die Jungen schluckten und nickten.
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