1 ...8 9 10 12 13 14 ...53 Currann zog die Augenbrauen hoch. Wenn das keine deutliche Aussage an Kedar war! »Der Name passt. Ich finde ihn sehr schön«, sagte er leise und hoffte, sie dadurch etwas zu ermutigen, doch sie blickte ihn nicht an.
»Es gibt da noch eine Frage zu klären, wenn Ihr erlaubt«, sagte Peadar, der sich über das rote Buch beugte und die letzten Seiten aufschlug. Dort wurden alle Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle der Siedlung verzeichnet. »Wollt Ihr Siris Sohn als Ziehsohn annehmen oder gänzlich adoptieren?«
»Ja, ist denn das nicht dasselbe?«, fragte Siri verwirrt und setzte sich.
Currann tat es ihr nach. »Nein, ist es nicht. Wenn ich ihn adoptiere, wird er erbberechtigt. Die Vorform davon ist ein Ziehsohn. Was denkst du?« Das wollte er nicht allein entscheiden. Schließlich ging es hier um die Zukunft ihres Kindes.
Für Siri war es keine Frage: »Ich würde mich nicht wohlfühlen, wenn er etwas mit der Thronfolge zu tun hätte. Das würde danach aussehen, als hätten wir uns etwas erschlichen. Nein, bitte nimm ihn nur an, aber behandle ihn wie dein eigenes Kind. Willst du das tun?«
Currann schluckte. Er hatte überhaupt keine Ahnung, was da auf ihn zukam, doch um Siris Willen wollte er es tun. »Wenn dies dein Wunsch ist, werde ich dem entsprechen. Wir machen es so«, nickte er dem Mönch zu und hoffte, dass er mit dieser gewaltigen Aufgabe fertig werden würde.
Peadar sah sie beide ernst an. »Ich muss in diesem Buch Euren richtigen Namen vermerken, sonst ist die Eheschließung nicht gültig.«
Er wurde von Currann unterbrochen. »Aber müsst Ihr dann nicht auch im Tempel meinen richtigen Namen nennen? Und was ist, wenn dies jemand liest?«
Der Mönch lächelte leicht. »Das werde ich schon zu vermeiden wissen. Lasst mich nur machen. Bereit, meine Tochter?« Er hielt Siri die Hand hin. Sie starrte darauf und nickte schließlich kaum merklich.
Danach ging alles ganz schnell. Vor den ungläubigen, völlig erstarrt da stehenden Bewohnern wurden Currann und Siri zu Mann und Frau erklärt und ihr Sohn getauft. Currann kam es vor wie in einem Traum, einem Albtraum. Er fühlte sich wie von einem Sturm geschüttelt und mit unglaublicher Schnelligkeit gegen einen Felsen geschleudert. Und wie mochte es erst Siri ergehen? Bis auf das obligatorische ›Ja‹ hatte sie keinerlei Regung mehr gezeigt, ja, ihn nicht einmal angesehen.
Kaum dass sie es sich versahen, standen sie draußen vor dem Tempel in der kalten Wintersonne. Siri verließen nun endgültig die Kräfte. Sie begann zu schwanken. »Karya, helft mir!« Currann stützte sie, und Nuria nahm ihr schnell den Kleinen ab. »Sie muss schnellstens ins Warme und sich ausruhen. Bringt sie in die Schule.«
»Nein!« Siri hatte tatsächlich noch Kraft für einen Protest. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich will, dass es alles endgültig ist. Bringt mich bitte ins Fort. Vater, würdest du meine Sachen holen?«
»Aber Kind, das hat doch keine Eile..«
»Bitte, Vater. Keine halben Sachen mehr.«
»Strahan, nun mach schon«, drängte Karya. Sie konnte verstehen, was Siri empfand. Ihre Nichte wollte einen endgültigen Bruch, sowohl für sich als auch für die anderen, allen voran für Kedar.
»Evan wird Euch helfen«, sagte Nuria und sah ihren Mann auffordernd an. Dieser nahm den Schulmeister einfach mit sich, ohne auf dessen Proteste zu achten.
Die Kameraden sahen sprachlos zu. Auch sie waren völlig überrumpelt worden. Jetzt schlug die Erkenntnis mit voller Wucht durch, dass sie ab sofort eine junge Frau und ein kleines Kind bei sich haben würden.
»Himmel, das Feuer ist bestimmt aus. Es muss eiskalt dort oben sein!« Yemon rannte los.
»Und der Weg ist noch nicht richtig frei!« Auch Tamas ergriff die Flucht, etwas langsamer gefolgt von Ouray, der irgendetwas in sich hineinbrummte.
Sinan setzte sich auch in Bewegung. »Etwas zu essen wäre nicht schlecht..«
Siri starrte ihnen gelähmt hinterher. »Sie laufen vor mir davon«, flüsterte sie erstickt.
Currann wollte ihr sofort widersprechen, doch Kiral kam ihm zuvor. Er trat vor sie. »Nein, das tun sie nicht. Sie brauchen nur einen Moment, um das alles zu verarbeiten, und wollen dafür keine Zeugen. Denke das niemals, hörst du? Du bist uns willkommen.« Er hielt ihr seine großen, schlanken Hände hin.
Siri ergriff sie zögernd. »Ich.. ich danke dir.«
»Dann lass uns gehen.« Currann wollte Siri an Karyas statt beim Arm nehmen, doch sie zuckte so sehr zusammen, dass er es lieber bleiben ließ. Also ging er voraus, völlig verwirrt. Es war, als hätte sich von selbst eine Mauer zwischen ihnen errichtet. Und wieder meldete sich das schlechte Gewissen. Warum bloß?
Sie führten Siri langsam durch die Siedlung nach oben. Keinen Blick warf Currann zurück. Er wusste, dass die Bewohner nun langsam, ungläubig, auf den Tempelplatz strömten. Ihr Flüstern war in der winterlichen Stille zu hören wie ein Windhauch, der leise und doch eindringlich hinter ihnen herwehte. Und obwohl er sich nicht umsah, spürte er, wie Siri hinter ihm um jeden Schritt kämpfte und dass Karya äußerst besorgt um sie war.
Siris Kraft hielt solange an, bis sie in dem geräumten Durchgang im Schnee angekommen waren. Sobald sie außer Sicht der Häuser waren, brach sie einfach zusammen. Karya und Nuria vermochten sie nicht zu halten.
Currann schob die Frauen kurzerhand beiseite und hob sie auf seine Arme. »Kiral, lauf voraus und sag Yemon, er soll meine Kammer freimachen«, raunte er seinem Kameraden leise zu. Das war der einzige Ort, an dem er Siri und das Kind unterbringen mochte, warm und einigermaßen ungestört.
Kiral rannte schon los, bevor er überhaupt geendet hatte. Die Frauen folgten Currann langsam den Berg hinauf.
Kaum traten sie durch das große Tor, da schallten ihnen auch schon die erhobenen Stimmen von Sinan und Tamas entgegen: »..äußerst unklug, jetzt weiß er, dass du..« Currann räusperte sich. Sinan hielt inne, sich Tamas vorzuknöpfen, der mit dem Kopf in beide Hände gestützt am Tisch saß. Sobald er Currann und die drei Frauen bemerkte, sprang er auf, und Currann war sich sicher, dass er rot wurde, obwohl man das im Halbdunkel der Diele nicht sehen konnte. Sein Gesichtsausdruck sagte ihm alles.
Rasch machten die Kameraden den Weg frei. Yemon winkte schon. »Ich habe deine Sachen in den Kommandantenraum geräumt und noch ein paar Felle besorgt. Bring sie rein.«
Karya folgte ihm, sodass Nuria allein mit den Kameraden in der Diele zurückblieb. Sie sah sich erschrocken um. »Dass Ihr Euch überhaupt aus dem Schnee befreien konntet«, meinte sie leise zu Ouray und drückte das Kind schützend an sich.
»Gerade noch rechtzeitig«, sagte Currann, der mit finsterer Miene in die Diele zurückkehrte. Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen und barg den Kopf in den Händen, so, wie Tamas es eben noch getan hatte. Schweigend sahen seine Kameraden ihn an.
»Oh Mann!«, brach es schließlich aus Sinan stellvertretend für sie alle hervor.
»Ich glaube, ich hole uns allen erst einmal etwas zu trinken«, sagte Yemon und floh vor der Stimmung in die Küche.
»Für mich nicht. Ich gehe schaufeln.« Tamas stürmte förmlich aus der Diele.
Currann beobachtete es durch seine gespreizten Finger. Egal, was dort unten geschehen war, Mari würde dafür bezahlen müssen. Er wusste es wie alle anderen auch. Was hatte Tamas nur getan? Er würde mit ihm reden müssen, und dann.. seine Überlegungen wurden von Karya unterbrochen, die plötzlich hinter ihm in der Dielentür stand.
»Nuria, ich brauche meinen Medizinkasten, schnell!«
Currann fuhr herum. »Was ist mit ihr?« Karya schüttelte den Kopf, ignorierte seine Frage.
»Wenn Ihr erlaubt, begleite ich Euch, Nuria, nur falls Kedar Euch über den Weg läuft«, sagte Ouray.
Nuria dankte ihm mit einem erleichterten Lächeln. Sie wollte Karya den Kleinen in die Arme legen, doch ein Blick auf Althans Gesicht ließ sie sich spontan anders entscheiden. Dieser sollte sich ruhig schon mal an seine neue Aufgabe gewöhnen, dachte sie und ging auf ihn zu. »Hier, nehmt ihn und haltet ihn schön warm.«
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