Diejenigen aber unter Friedrich's Freunden, deren wahre Treue, deren Verdienst und Fähigkeiten erprobt waren, sahen jetzt ehrenvolle Laufbahnen vor sich; Friedrich wusste einem Jeden von ihnen eine solche Stelle anzuweisen, auf welcher er, seiner Eigenthümlichkeit gemäß, für das Wohl des Staates nach Kräften wirksam sein konnte. Die einst unverschuldet für ihn gelitten hatten, fanden sich nun auf eine erhebende Weise getröstet. Der Vater seines unglücklichen Katte ward zum Feldmarschall ernannt und in den Grafenstand erhoben; auch die übrigen Verwandten Katte's erfreuten sich unausgesetzt der Gnade des Königs. Der treue Dühan wurde aus der Verbannung zurückberufen und Friedrich bereitete ihm einen behaglichen Lebensabend. Ebenso kehrte Keith nach Berlin zurück und wurde zum Stallmeister und zum Oberstlieutenaut von der Armee ernannt. Der Kammerpräsident von Münchow hatte, seit Friedrichs Aufenthalt in Küstrin zu Ende gegangen war, manche Leiden zu erdulden gehabt; dafür wurden er und seine Söhne jetzt durch ehrenvolle Gnadenbezeugungen schadlos gehalten.
Gleiche Sorgfalt zeigte Friedrich für seine Geschwister, namentlich für die Erziehung und angemessene Ausbildung der jüngeren Brüder. Der Mutter bewies er, bis an ihren Tod, eine treue kindliche Verehrung. Als sie ihn an der Leiche des Vaters mit den Worten »Ihro Majestät« anredete, unterbrach er sie und sagte: »Nennen Sie mich immer Ihren Sohn; dieser Titel ist köstlicher für mich als die Königswürde.« Mit derselben Hochachtung begegnete er seiner Gemahlin, obgleich sich bald das Gerücht verbreitete, dass er sich, da seine Ehe nicht mit Kindern gesegnet war, von ihr trennen und zu einer zweiten Ehe schreiten würde. Aber Friedrich dachte an keine Ehescheidung. Es wird im Gegentheil erzählt, dass er sie kurz nach seiner Thronbesteigung dem versammelten Hofe mit den Worten: »Das ist Ihre Königin!« vorgestellt, sie auch Angesichts der Versammelten zärtlich umarmt und geküßt habe. Das anmuthige Verhältniß indeß, welches sich zwischen Friedrich und seiner Gemahlin in der glücklichen Zeit des Rheinsberger Aufenthaltes gebildet hatte, kehrte nicht zurück; sie lebten bald abgesondert von einander und sahen sich zumeist nur noch bei festlichen Gelegenheiten. Die zarte, weibliche Frömmigkeit, welche das innerste Seelenleben dieser seltenen Fürstin ausmachte, stimmte vielleicht zu wenig mit der Schärfe des Verstandes überein, welche Friedlich, in freier Kraft, als Maßstab an die heiligen Ueberlieferungen legte. Wohl aber ließ es sich Friedrich angelegen sein, sie in allen den Ehren, welche der regierenden Königin zukamen, zu erhalten, und eifersüchtig wachte er darüber, dass ihr auch von den Gesandten fremder Mächte der gebührende Zoll der Ehrfurcht dargebracht wurde. Dafür bewies sie ihm bis an seinen Tod die rührendste Theilnahme und Ergebenheit.
Ueber die Weise, in welcher Friedrich die Verwaltung seines Landes geübt wissen wollte, sprach er sich selbst unmittelbar nach seiner Thronbesteigung aus, als die Staatsminister, am 2. Juni, vor ihm zur Eidleistung erschienen. Seine hochherzige Erklärung, welche in dieser Beziehung in der That die Richtschnur seines Lebens geworden ist, lautet also: »Ob Wir euch gleich sehr danken wollen für die treuen Dienste, welche ihr Unsers Höchstgeliebtesten Herrn Vaters Majestät erwiesen habet; so ist doch ferner Unsere Meinung nicht, dass ihr Uns inskünftige bereichern und Unsere armen Unterthanen unterdrücken sollet, sondern ihr sollt hiergegen verbunden sein, vermöge gegenwärtigen Befehls, mit ebenso vieler Sorgfalt für das Beste des Landes, als für Unser Bestes zu wachen, um so viel mehr, da Wir keinen Unterschied wissen wollen zwischen Unserm eigenen besondern und des Landes Vortheil, und ihr diesen sowohl als jenen in allen Dingen vor Augen haben müsset; ja des Landes Vortheil muß den Vorzug vor Unserm eigenen besonderen haben, wenn sich beide nicht mit einander vertragen.« In derselben Weise äußerte sich Friedrich auch gegen die anderweitigen Behörden.
Diese Gesinnungen der Treue gegen sein Volk, die bei den Fürsten jener Zeit gar selten geworden waren, bethätigte Friedrich zu gleicher Zeit auf eine Weise, die ihm allgemeine Liebe bereiten musste. Der letzte Winter hatte länger als ein halbes Jahr in anhaltender Strenge über dem Lande gelegen; allgemeine Theuerung, Hungersnot an vielen Orten waren die Folge davon. Die Stimme des Elends aber hatte das Ohr des jungen Königs schnell erreicht. Schon am zweiten Tage nach seinem Regierungsantritt ließ er die reichlich gefüllten Kornspeicher öffnen und das Getraide zu sehr wohlfeilen Preisen verkaufen. Wo die Vorräthe nicht zureichten, wurden bedeutende Summen in's Ausland geschickt, um Getraide zu gleichem Zwecke aufzukaufen. Ebenso wurden die königlichen Forstämter angewiesen, das erlegte Wild für geringe Preise auszubluten. Mehrere Abgaben, die auf dem Erwerb der Nahrungsmittel lasteten, wurden für eine Zeit gänzlich aufgehoben. Endlich wurden größere und kleinere Summen, die man durch verschiedene Ersparnisse im Staatshaushalte gewann, baar unter die Dürftigsten vertheilt. So mochte der Jubelruf, der dem jungen Könige überall, wo er sich nur öffentlich zeigte, entgegentönte, wohl aus dem Herzen des Volkes kommen. Aber auch daraus, wie der Wohlstand des Volkes durch innerlich fortwirkende Mittel zu heben sei, war Friedrich schon in den ersten Tagen seiner Regierung eifrig bedacht; über die Verbesserung und Vermehrung der Manufakturen erschienen wohlthätige Anordnungen; erfahrenen Arbeitern, die sich aus der Fremde in die preußischen Staaten übersiedeln wollten, wurden wesentliche Vortheile zugesichert.
Nicht minder hatte es Friedrich sehr deutlich erkannt, welchen Werth für die zerstreuten Länder des preußischen Staates der Schutz eines mächtigen Kriegsheeres hatte und welche Wichtigkeit dasselbe, bei veränderten politischen Umständen, seiner Regierung geben konnte. So wenig seine Natur ursprünglich mit der Strenge des militairischen Dienstes übereinzustimmen schien, so eifrig sorgte er jetzt für die fortgesetzte Uebung desselben. Nur was als ein überflüssiger Luxus in den militairischen Angelegenheiten zu betrachten war, ward auf eine vortheilhafte Weise umgeändert. Dies war namentlich der Fall mit der berühmten Riesengarde, welche der verstorbene König zu seinem besondern Vergnügen in Potsdam gehalten hatte. Aber es wird auch berichtet, dass Friedrich Wilhelm selbst, kurz vor seinem Tode, seinem Sohne von den ungeheuren Summen, welche die Unterhaltung dieses Corps gekostet, Rechenschaft gegeben und dass er ihm zur Auflösung desselben geraten habe. So erschien dasselbe am 22. Juni zum letzten Mal, die Leichenfeier seines Stifters zu verherrlichen; unmittelbar darauf wurde es unter andere Regimenter vertheilt. Dadurch gewann Friedrich die Mittel, seine Kriegsmacht, schon im Verlauf weniger Wochen, um mehr als zehntausend Mann zu verstärken. – Sonst ward auch für einen ehrenhaften Schmuck des kriegerischen Lebens gesorgt. Alle Fahnen und Standarten der Armee bekamen den preußischen schwarzen Adler mit Schwert und Scepter in den Klauen und mit der Beischrift: »Für Ruhm und Vaterland« (Pro Gloria et Patria).
Die wesentlichsten Veränderungen, mit denen Friedrich auftrat, betrafen diejenigen Elemente des Lebens, welche seinem Vater am fernsten gelegen hatten. Friedrich Wilhelm hatte nur das materielle Wohl seines Staates im Auge gehabt; der Geist lag in Fesseln. Friedrich gab dem Gedanken Freiheit und gewann hierdurch für die Macht seines Staates eine Stütze, die gewaltiger ist, als Schwerter und Feuerschlünde. Oeffentliche Rede war unter seinem Vater nicht verstattet gewesen; die Zeitungsblätter, anfangs ganz verboten, hernach unter drückenden Einschränkungen erlaubt, hatten nur ein kümmerliches Dasein gefristet. Kurz nach Friedrich's Thronbesteigung erschienen auf seine Veranlassung zwei Zeitungen, die bald Bedeutung erlangten und für die er selbst einzelne Artikel lieferte. Die Wiederbelebung der Akademie der Wissenschaften, die sich unter Friedrich Wilhelm I. fast gänzlich aufgelöst hatte, wurde vorbereitet; vorzügliche Gelehrte aus verschiedenen Ländern wurden nach Berlin berufen. Besonders ließ es sich Friedrich angelegen sein, den Philosophen Wolff für die heimische Wissenschaft wieder zu gewinnen; dem Probste Reinbeck, dem er dies Geschäft übertrug, schrieb er: ein Mensch, der die Wahrheit suche und sie liebe, müsse unter aller menschlichen Gesellschaft weich gehalten werden; er glaube, dass Reinbeck eine Eroberung im Lande der Wahrheit machen werde, wenn es ihm gelinge, Wolff zur Rückkehr zu bewegen. Wolff folgte dem Begehren seines erhabenen Schülers und kehrte nach Halle zurück, wo er ehrenvoll aufgenommen wurde. Auch erschien alsbald ein ausdrücklicher königlicher Befehl, demzufolge nur diejenigen Landeskinder, welche zwei Jahre auf einer preußischen Universität studirt, eine Anstellung im Staate zu erwarten haben sollten. Die Gesellschaft der Freimaurer wurde öffentlich anerkannt; Friedrich selbst hielt bald nach seiner Thronbesteigung eine feierliche Loge, in welcher er den Meisterstuhl einnahm.
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