Die zweite Abhandlung, eine Arbeit von größerem Umfange, schrieb Friedrich im Jahre 1739. Dies ist die, unter dem Namen des »Antimacchiavell« bekannte, Widerlegung des Buches »der Fürst,« welches der berühmte florentinische Geschichtschreiber Niccolo Macchiavelli im Anfange des sechszehnten Jahrhunderts verfaßt hatte. Das Buch vom Fürsten, ein Meisterwerk, wenn man die Verhältnisse, für die es ausschließlich bestimmt war und in die es wirksam eingreifen sollte, in's Auge faßt, enthält die Anweisungen, wie eine Alleinherrschaft im Staate – im florentinischen Staate jener Zeit – zu erreichen und zu behaupten sei. Friedrich faßte dasselbe allgemein, als eine Lehre des Despotismus auf; er betrachtete Macchiavelli, der den Fürsten eine solche Lehre hinstellte, geradezu als ihren frevelhaftesten Rathgeber, ja als einen Verläumder ihrer erhabenen Pflicht. Mit begeistertem Unwillen wies er es nach, indem er den Bemerkungen des Florentiners Schritt vor Schritt folgte, wie nicht despotische und verbrecherische Handlungen, sondern nur Tugend, nur Gerechtigkeit und Güte die Richtschnur der Fürsten sein dürfe, wie nur sie ihnen ein dauerndes Glück auf dem Throne versprechen könne. Seine ganze Darstellung knüpft sich an denselben Grundsatz, mit welchem er die vorerwähnte Abhandlung geschlossen hatte, dass der Fürst nicht als der uneingeschränkte Herr der Völker, die er beherrsche, dass er vielmehr nur als ihr erster Diener zu betrachten sei. Eine unbefangene, historisch wissenschaftliche Würdigung des Werkes, welches er bekämpfte, ,tritt also dem Leser nicht entgegen, im Einzelnen so wenig, als im Ganzen; aber als das ausführliche Glaubensbekenntniß, welches der Erbe einer mächtigen Krone ablegte, und zwar zu einer Zeit, in welcher die Uebernahme seines Erbes nach menschlicher Berechnung schon nahe bevorstand, ist es ein höchst denkwürdiges Buch. Auch erweckte es ein allseitiges Interesse, als es, zwar ohne Friedrichs Namen, in Holland öffentlich erschien, wo Friedrich dasselbe unter Voltaire's Augen hatte drucken lassen. Der Verfasser wurde bald genug bekannt, und alle Welt war begierig sich zu überzeugen, in wiefern seine That mit seinem Worte, übereinstimmen werde. Denn schon trug er die Krone.
Zwölftes Kapitel.
Die schönen Tage in Rheinsberg waren indeß keinesweges ohne mancherlei Störung hingeflossen. Die Dienstgeschäfte in Ruppin, Besuche am Hofe des Vaters in Berlin, Reisen in entlegnere Provinzen des Reiches führten Friedrich nur zu häufig auf längere oder kürzere Zeit fort; aber alle diese Unterbrechungen dienten nur dazu, den Genuß, welchen Geselligkeit, Wissenschaft und Künste darboten, um so lebhafter und inniger empfinden zu lassen.
Vor Allem war Friedrich bemüht, durch genauste Erfüllung seiner militairischen und anderweitigen Obliegenheiten die Gunst des Königs rege zu erhalten. Er sorgte dafür, dass sein Regiment bei den jährlichen Heerschauen und Musterungen sich stets als eines der schönsten und geübtesten auszeichnete; und er hatte die Genugthuung, dass der König ihm vor der versammelten Generalität seine Zufriedenheit bezeugte. Auch war ein solcher militairischer Eifer das beste Mittel, um diese und jene Aeußerung des Mißvergnügens, das dem Könige noch immer von Zeit zu Zeit gegen Friedrich's geselliges und wissenschaftliches Treiben auftauchte, unwirksam zu machen. Ebenso wandte Friedrich alle Mittel an, um Rekruten von ausgezeichneter Größe und Schönheit an allen Enden der Welt für das Regiment, welches der König selbst führte, anwerben zu lassen. Auch suchte er durch allerlei kleine Geschenke, welche der Garten und die Ställe von Rheinsberg in die Küche des Königs lieferten, Zeugnisse seiner Aufmerksamkeit zu geben. Alles das war ihm durch die Regeln der Klugheit geboten; zugleich aber war es viel mehr; denn sein Gefühl gegen den Vater hatte sich, durch die Anerkennung seiner unläugbaren Verdienste um das Land, schon lange zu einer innigen Hochachtung gesteigert.
Auch ging in dem Charakter Friedrich Wilhelm's selbst in den letzten Jahren seines Lebens eine merkliche Veränderung vor. So berichtete Friedrich u. a. selbst, im December 1738, an einen Freund, der König habe von den Wissenschaften als etwas Löblichem gesprochen.
»Ich bin entzückt,« so fährt er fort, »und außer mir vor Freude gewesen über das, was ich gesehen und gehört habe. Alles Löbliche, was ich sehe, giebt mir eine innere Freude, die ich kaum verbergen kann. Ich fühle die Gesinnungen der kindlichen Liebe in mir sich verdoppeln, wenn ich so vernünftige, so wahre Ansichten in dem Urheber meiner Tage bemerke.« – Ein Jahr später konnte er einem andern Freunde von einer noch ungleich bedeutenderen Umwandlung im Charakter des Vaters, auf die gewiß die überlegene Geisteskraft des Sohnes nicht ohne Einfluß gewesen war, Nachricht geben. »Die Neuigkeiten des Tages«, so schreibt er, »sind, dass der König drei Stunden lang täglich Wolff's Philosophie liest, worüber Gott gelobt sei! So find wir endlich zum Triumphe der Vernunft gelangt.« Es war Wolff's Werk von der natürlichen Theologie, welches der König damals in einem Auszuge las. Auch war Friedrich Wilhelm in dieser letzten Zeit seines Lebens eifrig bemüht, seinen früheren Fehler wieder gut zu machen und den verbannten Philosophen wieder für sein Reich zurückzugewinnen. Dies gelang aber erst seinem Nachfolger.
Im höchsten Ehrfurcht gegen die landesväterlichen Tugenden seines Vaters aber wurde Friedrich Hingerissen, als er diesen im Sommer 1739 auf einer Reise nach Preußen begleitete und hier den Segen wahrnahm, den der König über eine gänzlich verödete Provinz, dieselbe, in die er jene vertriebenen Salzburger aufgenommen, verbreitet hatte. Seine Gefühle werden auch hier aufs Schönste durch seine eigenen Worte bezeugt. »Hier sind wir,« so schreibt er aus Litthauen an Voltaire, »in dem Lande angekommen, das ich als das Non plus ultra der zivilisirten Welt ansehe. Es ist eine nur wenig gekannte Provinz von Europa, die als eine neue Schöpfung des Königs, meines Vaters, angesehen werden kann. Litthauen war durch die Pest verheert, zwölf bis fünfzehn bevölkerte Städte und vier- bis fünfhundert unbewohnte Dörfer waren das traurige Schauspiel, das sich hier darbot. Der König hat keine Kosten gespart, um seine heilsamen Absichten auszuführen. Er baute auf, traf treffliche Einrichtungen, ließ einige tausend Familien von allen Seiten Europa's kommen. Die Aecker wurden urbar gemacht, das Land bevölkert, der Handel blühend, und jetzt herrscht mehr als je Ueberfluß in einer Provinz, die eine der fruchtbarsten in Deutschland ist. Und Alles, was ich Ihnen sage, ist allein das Werk des Königs, der es nicht blos anordnete, sondern selbst die Hauptperson bei der Ausführung war, der die Pläne entwarf und sie selbst vollzog, der weder Mühe und Sorge, noch ungeheure Schätze, nicht Versprechungen und Belohnungen sparte, um einer halben Million denkender Wesen Glück und Leben zuzusichern, die ihr Wohl und ihre gute Verfassung ihm allein verdanken. Ich finde in dieser großmüthigen Arbeit, durch welche der König eine Wüste bewohnt, fruchtbar und glücklich gemacht hat, ich weiß selbst nicht, etwas Heroisches, und ich ahne, dass Sie meine Gesinnung darüber theilen werden.«
Noch ein besonderes und ganz überraschendes Zeichen der väterlichen Gnade brachte dem Kronprinzen diese preußische Reise, als ihm der König seine reichen preußischen Stutereien, die ein jährliches Einkommen von zehn- bis zwölftausend Thalern brachten, schenkte. Der Kronprinz hatte hievon um so weniger eine Ahnung gehabt, als der König einige Zeit zuvor aufs Neue gegen ihn eingenommen gewesen war und seine Gesinnung mehrfach nicht ganz glimpflich ausgedrückt hatte; nun ward er von diesem Beweise der unerwartet zurückgekehrten und vergrößerten Zärtlichkeit so gerührt, dass er in der ersten Ueberraschung vergeblich nach dem Worte des Dankes suchte. Zugleich aber war dies Geschenk für seine ökonomischen Umstände von großer Wichtigkeit, denn immer noch reichte sein gewöhnliches Einkommen für seine Bedürfnisse bei weitem nicht aus, und er sah sich fort und fort genöthigt, bedeutende Summen im Auslande aufzunehmen. Auch diesem Uebelstande war also, für eine längere Lebensdauer des Königs, abgeholfen.
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