Doch stand das Ende des Königs schon nahe bevor; aber aller ernstliche Zwiespalt zwischen Vater und Sohn war nun ausgeglichen und eine immer mehr erhöhte gegenseitige Anerkennung an dessen Stelle getreten. Friedrich Wilhelm konnte das Schicksal seiner Unterthanen vertrauensvoll in die Hände seines Sohnes übergeben. In Preußen war sein altes Uebel mit erneuter Kraft ausgebrochen, und eine gefahrvolle Wassersucht mit ihren schlimmsten Symptomen hatte sich ausgebildet. Den ganzen Winter über ward er von der schweren Krankheit gepeinigt; Friedrich brachte den größten Theil des Winters in seiner Nähe zu. Von der zärtlichen Theilnahme, die der Sohn dem Vater widmete, geben die Briefe des Ersteren aus dieser Zeit Kunde.
Gegen das Frühjahr, als der Zustand des Königs einige Linderung zu verheißen schien, hatte sich Friedrich nach Rheinsberg begeben. Da berief ihn eine Staffette, welche die Nachricht von der nahe bevorstehenden Auflösung des Vaters brachte, zurück. Friedrich eilte nach Potsdam, wo der König die größere Zeit der Krankheit zugebracht hatte. Doch war die Lebenskraft des Vaters noch einmal aufgeflackert. Friedrich fand ihn auf öffentlichem Platze neben dem Schlosse, auf seinem Rollstuhle sitzend, dessen er sich bediente, da ihm die Füße schon geraume Zeit den Dienst versagten. Er sah der Grundsteinlegung eines benachbarten Hauses zu. Sobald er den Sohn von weitem erblickte, streckte er die Arme nach ihm aus, in die der Prinz sich weinend stürzte. In dieser Stellung verharrten sie geraume Zeit, ohne zu sprechen. Der König unterbrach endlich das Schweigen. Er sei zwar immer, so sagte er zu dem Sohne, streng gegen ihn gewesen, gleichwohl habe er ihn stets mit väterlicher Zärtlichkeit geliebt; es sei für ihn ein großer Trost, dass er ihn noch einmal wiedersehe. Friedrich erwiederte mit Worten, die den erregten Gefühlen seines Inneren angemessen waren. Der König ließ sich hierauf in sein Zimmer bringen und unterhielt sich über eine starke Stunde lang insgeheim mit seinem Sohne, indem er ihm mit seltner Stärke über alle inneren und äußeren Angelegenheiten des Reiches Rechenschaft gab. An den noch übrigen Tagen setzte er diese Unterredungen fort. Als am zweiten Tage der Kronprinz und mehrere höhere Beamte um den König waren, wandte sich dieser zu jenen und sagte zu ihnen: »Aber thut mir Gott nicht viele Gnade, dass er mir einen so braven und würdigen Sohn gegeben hat?« Friedrich erhob sich bei diesen Worten und küßte gerührt die Hand des Vaters; dieser aber zog ihn an sich, hielt ihn lange fest umschlossen und rief aus: »Mein Gott, ich sterbe zufrieden, da ich einen so würdigen Sohn und Nachfolger habe.«
Wenige Tage darauf ließ der König des Morgens früh sein ganzes Gefolge, die Minister, sowie die höheren Offiziere seines Regiments, zu sich in das Vorzimmer bescheiden. Hier erschien er auf seinem Rollstuhle, mit dem Mantel bedeckt, schon äußerst matt, so dass er nicht mehr laut sprechen konnte. Feierlich übergab er, indem einer der anwesenden Offiziere seinen Willen öffentlich und laut bekannt machte, sein Reich und Regiment in die Hände des Kronprinzen und ermahnte seine Unterthanen, diesem fortan ebenso treu zu sein, wie sie ihm gewesen wären. Die Handlung hatte ihn jedoch so angegriffen, dass er sich in sein Zimmer und in das Bett zurückbringen ließ. Der Kronprinz und die Königin waren ihm gefolgt. Kaltblütig ertrug er die letzten Schmerzen , die sich alsbald einstellten; unter frommem Gebete gab er seinen Geist aus. Es war der 31. Mai 1740.
Der König hatte in seinem letzten Willen eine sehr einfache Bestattung angeordnet. Friedrich befolgte diese Anordnung im Allgemeinen. Doch ließ er einige Zeit darauf ein besonderes feierliches Leichenbegängniß halten; denn er fürchtete, das Publikum, das von jenem letzten Willen des Verstorbenen keine Kunde gehabt, möchte ihn ohne eine solche Feier der Mißachtung zeihen und den Grund für letztere in seinen früheren Mißhelligkeiten mit dem Vater suchen. Friedrich selbst hat sich über diese Mißhelligkeiten nachmals, als er das Leben seines Vaters schrieb, mit der edelsten kindlichen Pietät ausgesprochen, indem er dieselben nur mit den frommen Worten berührt: »Die häuslichen Verdrießlichkeiten dieses großen Fürsten haben wir mit Stillschweigen übergangen. Man muß gegen die Fehler der Kinder, in Betracht der Tugenden ihres Vaters, einige Nachsicht üben.«
Glanz.
Dreizehntes Kapitel.
Friedrich's Regierungs-Antritt.
Friedlich war von tiefstem Schmerze ergriffen, als er gesehen, wie das Auge des Vaters nach bitterm Todeskampfe sich schloß. Alle kindlichen Gefühle, welche die letzten Jahre in ihm auf's Neue hervorgerufen hatten, waren im innersten Grunde erregt; die Regententugenden, durch welche Friedrich Wilhelm ihm eine seltne Bahn vorbereitet, schienen das Bild des Dahingeschiedenen mit verklärendem Glanze zu umgeben. Aber nicht in müßiger Trauer blickte Friedrich diesem Bilde nach. Er brachte dem Vater den Zoll wahrhafter Verehrung dar, indem er mit rüstiger Kraft die Bahn verfolgte, die ihm jener vorgezeichnet hatte, indem er an dem Mechanismus des Staates, den jener mit großartiger Kunst ausgeführt, in gleicher Weise fortbildete und nur in denjenigen Theilen Neues hinzufügte, wo der freie Geist, der in ihm lebte, auch freisinnige Einrichtungen erforderte. Mit rastlosem Eifer, seinen Schmerz bewältigend, gab er sich gänzlich dem hohen Berufe hin, und schon die ersten Tage seiner Regierung machten es kund, wie er das Alte festhalten, wie er Neues gründen, – wie er König sein wollte. Gar Manchem bereitete ein solches Auftreten des jungen Königs unangenehme, Manchem auch freudige Ueberraschungen. Man war auf bedeutende Veränderungen in der Einrichtung des Staates gefaßt gewesen, man hatte geglaubt, dass die Männer, die Friedrich Wilhelm besonders nahe gestanden, die einen besondern Einfluß auf ihn ausgeübt hatten, jetzt in ein minder ehrenvolles Dunkel zurücktreten würden. Aber Friedrich war nicht gewillt, dem wahren Verdienste eine Kränkung zuzufügen, selbst in dem Falle, dass er dabei persönliche Abneigungen aus früherer Zeit zu überwinden hatte. So wird von dem alten Kriegshelden, dem Fürsten Leopold von Dessau, der früher der österreichischen Partei des Hofes angehörte, erzählt, er sei, als er sich bei Friedrich zur Kondolenz gemeldet, weinend eingetreten, habe eine Rede gehalten und gebeten, ihm und seinen Söhnen ihre Stellen in der Armee und ihm seinen bisherigen Einfluß und Ansehen zu lassen. Friedlich habe hierauf erwiedert, er werde ihn in seinen bisherigen Stellen auf keine Weise beeinträchtigen, da er erwarte, dass der Fürst ihm so treu dienen werde als dem Vater; er habe aber auch hinzugefügt: was das Ansehen und den Einfluß betreffe, so werde in seiner Regierung Niemand Ansehen haben als er selbst und Niemand Einfluß. Noch mehr überraschte es, als Friedrich den bisherigen Finanz-Minister von Boden, dem man harte Maßregeln Schuld gab, dem er selbst früher wenig geneigt schien, dessen große Tüchtigkeit er aber wohl zu würdigen wusste, nicht nur im Amte behielt, sondern ihm auch ein prächtiges, neu erbautes und vollständig eingerichtetes Haus zum Geschenk machte.
Andre dagegen fanden sich in den glänzenden Erwartungen, zu denen sie durch Friedrichs Regierungs-Antritt berechtigt zu sein glaubten, auf eine zum Theil empfindliche Weise getäuscht. So setzte sich selbst der verdiente General-Lieutenant von der Schulenburg scharfem Tadel von Seiten des jungen Königs aus, als er, zwar freundschaftlicher Weise, doch ohne Urlaub sein Regiment verlassen hatte, um mündlich zur Thronbesteigung Glück zu wünschen. So fand sich schnell eine Menge von Glücksrittern ein, denen die genialere Richtung Friedrich's leichten Erwerb zu sichern schien, während er nicht im Mindesten daran dachte, ihre thörichten Hoffnungen zu erfüllen. Die Ballen der Glückwünschungs-Gedichte, welche dem königlichen Dichter von allen Seiten zugesandt wurden, lohnten die Mühe des Versemachens wenig. Auch manche seiner früheren Günstlinge mußten es erfahren, dass sie seinen Charakter falsch beurtheilt hatten. Einer von diesen hatte nichts Eiligeres zu thun, als unverzüglich eine Einladung an einen Freund in Paris fertig zu machen, indem er diesem versicherte, dass er jetzt gewiß sein Glück in Berlin machen könne und dass sie dem lustigsten Leben in Friedrich's Gesellschaft entgegensehen dürften. Unglücklicher Weise war Friedlich unbemerkt in das Zimmer des Schreibers getreten und hatte, über dessen Schulter blickend, den Brief gelesen. Er nahm ihn dem Schreiber aus der Hand, zerriß ihn und sprach sehr ernsthaft: »Die Possen haben nun ein Ende.«
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