In den Briefen eines Zeitgenossen, des Baron Bielfeld, der im letzten Jahre ebenfalls unter die Zahl der Rheinsberger Freunde aufgenommen wurde, ist uns das anschaulichste Bild von Rheinsberg, von der Anmuth des Ortes, von der Heiterkeit des dortigen Lebens aufbehalten. Wir können die Schilderung desselben nicht besser wiedergeben, als indem wir seine eigenen Worte benutzen:
»Die Lage des Schlosses (so schreibt Bielfeld im October 1739) ist schön. Ein großer See bespült fast seine Mauern, und jenseit desselben zieht sich amphitheatralisch ein schöner Wald von Eichen und Buchen hin. Das ehemalige Schloß bestand nur aus dem Hauptgebäude mit einem Flügel, an dessen Ende sich ein alter Thurm befand. Dies Gebäude und seine Lage waren geeignet, das Genie und den Geschmack des Kronprinzen und das Talent Knobelsdorff's zu zeigen, welcher Aufseher über die Bauten ist. (Die erste Anlage des Umbaues war indeß nicht Knobelsdorff's Werk.) Das Hauptgebäude wurde ausgebessert und durch Bogenfenster, Statuen und allerhand Verzierungen verschönert. Man baute von der andern Seite ebenfalls einen Flügel mit einem Thurme und vereinigte diese beiden Thürme durch eine doppelte Säulenreihe, mit Vasen und Gruppen geschmückt. Durch diese Einrichtung gewann das Ganze die Gestalt eines Vierecks. Am Eingange ist eine Brücke, mit Statuen besetzt, die als Laternenträger dienen. In den Hof gelangt man durch ein schönes Portal, über welches Knobelsdorff die Worte: »Friderico tranquillitatem colenti« gesetzt hat. – Das Innere des Schlosses ist höchst prächtig und geschmackvoll. Ueberall sieht man vergoldete Bildhauerarbeit, doch ohne Ueberladung, vereint mit richtigem Urtheil. Der Prinz liebt blos bescheidene Farben, deshalb sind Nobel und Vorhänge hellviolet, himmelblau, hellgrün und fleischfarben, mit Silber eingefaßt. Ein Saal, welcher der Hauptschmuck des Schlosses sein wird, ist noch nicht fertig; er soll mit Marmor bekleidet und mit großen Spiegeln und Goldbronze verziert werden. Der berühmte Pesne arbeitet am Plafond-Gemälde, das den Aufgang der Sonne vorstellt. Auf einer Seite sieht man die Nacht, in dichte Schleier gehüllt, von ihren traurigen Vögeln und den Horen begleitet. Sie scheint sich zu entfernen, um der Morgenröthe Platz zu machen, an deren Seite der Morgenstern in der Gestalt der Venus erscheint. Man sieht die weißen Pferde des Sonnenwagens und den Apoll, der die ersten Strahlen sendet. Ich halte dies Bild für symbolisch und auf einen Zeitpunkt deutend, der vielleicht nicht mehr fern ist. – Die Gärten in Rheinsberg haben ihre Vollendung noch nicht erreicht, denn sie sind erst seit zwei Jahren angelegt. Der Plan ist großartig. die Ausführung aber wird von der Zeit abhängen. Die Hauptallee schließt mit einem Obelisken in ägyptischem Geschmacke, mit Hieroglyphen. Ueberall sind Baumgruppen, Lauben und schattige Sitze. Zwei Lustschiffe, die der Prinz erbauen ließ, schwimmen auf dem See und bringen den Wanderer, welcher die Wasserfahrt liebt, an das Waldufer.«
Hierauf geht der Verfasser zur Schilderung der hervorragendsten Personen über, welche die Gesellschaft von Rheinsberg ausmachten und von denen ein Jeder, durch das Festhalten seiner charakteristischen Eigenthümlichkeit, wesentlich zu der Lebendigkeit und Unbefangenheit des Verkehres beitrug. Dann fährt er fort:
»Alle, die auf dem Schlosse wohnen, genießen die ungezwungenste Freiheit. Sie sehen den Kronprinzen und dessen Gemahlin nur bei der Tafel, beim Spiel, auf dem Ball, im Concert oder bei anderen Festen, an denen sie Theil nehmen können. Jeder denkt, liest, zeichnet, schreibt, spielt ein Instrument, ergötzt oder beschäftigt sich in seinem Zimmer bis zur Tafel. Dann kleidet man sich sauber, doch ohne Pracht und Verschwendung an und begiebt sich in den Speisesaal. Alle Beschäftigungen und Vergnügungen des Kronprinzen verrathen den Mann von Geist. Sein Gespräch bei der Tafel ist unvergleichlich; er spricht viel und gut. Es scheint, als wäre ihm kein Gegenstand fremd oder zu hoch; über jeden findet er eine Menge neuer und richtiger Bemerkungen. Sein Witz gleicht dem nie verlöschenden Feuer der Vesta. Er duldet den Widerspruch und versteht die Kunst, die guten Einfälle Anderer zu Tage zu fördern, indem er die Gelegenheit, ein sinniges Wort anzubringen, herbeiführt. Er scherzt und neckt zuweilen, doch ohne Bitterkeit und ohne eine witzige Erwiederung übel aufzunehmen.«
»Die Bibliothek des Prinzen ist allerliebst; sie ist in einem der Thürme, die ich erwähnte, aufgestellt und hat die Aussicht auf den See und Garten. Sie enthält eine nicht zahlreiche, aber wohlgewählte Sammlung der besten französischen Bücher in Glasschränken, die mit Gold und Schnitzwerk verziert sind. Voltaire's lebensgroßes Bild ist darin aufgehängt. Er ist der Liebling des Kronprinzen, der überhaupt alle guten französischen Dichter und Prosaiker hoch hält.«
»Nach der Mittagstafel gehen die Herren in das Zimmer der Dame, an der die Reihe ist, die Honneurs des Kaffees zu machen. Die Oberhofmeisterin fängt an und die anderen folgen; selbst die fremden Damen sind nicht ausgeschlossen. Der ganze Hof versammelt sich um den Kaffeetisch; man spricht, man scherzt, man macht ein Spiel, man geht umher, und diese Stunde ist eine der angenehmsten des Tages. Der Prinz und die Prinzessin trinken in ihrem Zimmer. Die Abende sind der Musik gewidmet. Der Prinz hält in seinem Salon Concert, wozu man eingeladen sein muß. Eine solche Einladung ist immer eine besondre Gnadenbezeigung. Der Prinz spielt gewöhnlich die Flöte. Er behandelt das Instrument mit höchster Vollkommenheit; sein Ansatz, so wie seine Fingergeläufigkeit und sein Vortrag sind einzig. Er hat mehrere Sonaten selbst gesetzt. Ich habe öfters die Ehre gehabt, wenn er die Flöte blies, hinter ihm zu stehen, und wurde besonders von seinem Adagio bezaubert. Doch Friedrich ist in Allem ausgezeichnet. Er tanzt schön, mit Leichtigkeit und Grazie, und ist ein Freund jedes anständigen Vergnügens, mit Ausnahme der Jagd, die in seinen Augen geist- und zeittödtend und, wie er sagt, nicht viel nützlicher ist, als das Ausfegen eines Kamins.«
Dann spricht der Verfasser mit hoher Begeisterung von der Schönheit, der liebenswürdigen Anmuth, der zarten Milde der Kronprinzessin. – »Wir hatten (so heißt es weiter) kürzlich einen allerliebsten Ball. Der Prinz, der gewöhnlich Uniform trägt, erschien in einem seladongrünen seidenen Kleide, mit breiten silbernen Brandenbourgs und Quasten besetzt. Die Weste war von Silbermoor und reich gestickt. Alle Kavaliere seines Gefolges waren ähnlich, doch weniger prächtig gekleidet. Alles war reich und festlich, doch erschien die Prinzessin allein als die Sonne dieses glänzenden Sternenhimmels. – Ich verlebe hier wahrhaft entzückende Tage. Eine königliche Tafel, ein Götterwein, eine himmlische Musik, köstliche Spaziergänge sowohl im Garten als im Walde, Wasserfahrten, Zauber der Künste und Wissenschaften, angenehme Unterhaltung: Alles vereinigt sich in diesem feenhaften Palaste, um das Leben zu verschönern.«
Der Verfasser hat hierbei noch Eines Vergnügens zu erwähnen vergessen, das die Freuden von Rheinsberg erhöhte und den Kronprinzen wiederum in einer neuen Gestalt zu zeigen geeignet war: der Aufführung von Komödien und Trauerspielen, deren Rollen von den Personen der Rheinsberger Gesellschaft besetzt wurden. So spielte Friedrich selbst u. a. in Racine's Mithridat und in Voltaire's Oedipus; in der letztern Tragödie begnügte er sich mit der Rolle des Philoktet. Auch fehlte es an mancherlei anderweitigen Maskeraden nicht.
Noch in anderen Beziehungen wurde der poetische Hauch, der das Leben von Rheinsberg erfüllte, mit Absicht festgehalten. So erfreute man sich einer zur Sage gewordenen antiquarischen Behauptung, die schon vor mehr als hundert Jahren aufgestellt worden war, dass nämlich Rheinsberg eigentlich Remusberg heiße, weil Remus, der Mitgründer des römischen Staates, durch seinen Bruder Romulus vertrieben, hier ein neues Reich gestiftet habe und auf der Remusinsel, die sich aus dem benachbarten See erhebt, begraben worden sei. Alte, auf der Insel ausgegrabene Marmorsteine sollten in früherer Zeit den Anlaß zu dieser Behauptung gegeben haben; kürzlich noch sollten italienische Mönche, durch eine neuentdeckte lateinische Handschrift dazu veranlaßt, auf der Remusinsel nach der Asche des römischen Helden gegraben haben; viele Alterthümer der Vorzeit, die in der That auf der Insel zum Vorschein kamen, schienen der Sache eine Art von Bestätigung zu geben, und so wagte man nicht, die classische Bedeutung des schönen Asyls allzu kritisch anzugreifen. In den aus Rheinsberg geschriebenen Briefen jener Zeit wird daher auch gewöhnlich der Ort als »Remusberg« bezeichnet. Die Freunde selbst wurden ebenfalls, theils im Scherze, theils auch im Ernst, mit besonderen Namen genannt, die das Ohr mit einem mehr poetischen Klange berührten als die Namen, die sie im gewöhnlichen Leben führten; so hieß z. B. Keyserling gewöhnlich Cäsarion, Jordan wurde Hephästion oder Tindal genannt, u. s. w.
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