Einige Tage darauf erbaten die sämtlichen höheren Offiziere, die in Berlin anwesend waren, unter Anführung des Fürsten von Dessau, die Wiederaufnahme des Kronprinzen in den Militärdienst. Am 30. November erhielt er die Uniform eines Infanterie-Regimentes, zu dessen künftigem Befehlshaber er ernannt wurde. Für den Winter indeß musste er die Uniform noch einmal mit seinem bürgerlichen Kleide vertauschen und in den Kreis seiner bisherigen Thätigkeit nach Cüstrin zurückkehren. Mit erneutem Eifer und zur stets wachsenden Zufriedenheit des Vaters ging er hier auf die ihm übertragenen Beschäftigungen ein. Die Inspectionsreisen wurden ausgedehnter; vornehmlich waren es jetzt die in jener Gegend vorhandenen Glashütten und deren Betrieb, was ihm Gelegenheit zur Bereicherung seiner Kenntnisse darbot. Er benutzte dies sorgfältig und wusste den Ertrag, den die Glashütten brachten, ungleich vortheilhafter, wie bisher, zu gestalten. Er entwarf auch einen Plan, wie diese Verbesserungen in der Verwaltung der Glashütten auf den sämtlichen Domainen des Landes durchzuführen seien, und der König, dem jede Vermehrung des Einkommens sehr genehm war, befahl, dass nach dem Plane des Kronprinzen in allen Provinzen verfahren werden solle. Aber auch jetzt wurden die militairischen Angelegenheiten nicht versäumt; als besondere Gnade bat sich Friedrich vom Könige, das Exercier-Reglement aus und suchte sich durch eifriges Studium desselben auch für den kriegerischen Dienst geschickt zu machen. Nachdem ein Fieber, welches ihn gegen das Ende des Januar 1732 befiel, dem Könige noch besondre Gelegenheit gegeben hatte, durch sorgfältige Anordnungen für die Gesundheit des Sohnes seine zurückgekehrte väterliche Liebe zu bezeugen, wurde dieser endlich im Februar nach Berlin zurückgerufen, zum Obersten und Befehlshaber des von der Goltzischen Regimentes ernannt, und ihm die Stadt Ruppin zu seinem Standquartiere angewiesen. Als Friedrich in Cüstrin von dem Präsidenten von Münchow Abschied nahm und dieser ihn bei der letzten vertraulichen Unterredung fragte, was wohl dereinst, nach seiner Thronbesteigung, Diejenigen von ihm zu erwarten haben würden, die sich in der Zeit des Zwiespaltes mit dem Könige feindselig gegen ihn benommen hatten, erwiederte er: »Ich werde feurige Kohlen auf ihr Haupt sammeln!«
Neuntes Kapitel.
Der Friede zwischen dem Könige und seinem Sohne war nunmehr geschlossen. Aber ebenso wie der Kronprinz war auch der Vater bemüht, die Gelegenheiten zu neuem Bruche zu vermeiden. Und weil er wohl erkannt hatte, dass die Natur dem Charakter seines Sohnes eine andre Richtung als dem seinigen gegeben hatte und dass es unmöglich sein würde, ihn ganz zu seinem Ebenbilde umzugestalten, so hielt er fortan eine Trennung des gewöhnlichen Aufenthaltes, wie solche schon im verflossenen Jahre so vorteilhaft gewirkt hatte, für nothwendig. Dies war der Grund, weshalb dem Kronprinzen das neun Meilen entfernte Ruppin zum künftigen Wohnorte angewiesen war. Hier musste ihm natürlich eine größere Freiheit in seinem Thun und Treiben verstattet sein, vorausgesetzt, dass er im Uebrigen die Anordnung seines Vaters, namentlich seine Ausbildung für den Soldatendienst, die ihm jetzt als wichtigste Pflicht oblag, befolgte. Diese weise Maßregel bewährte sich in solchem Maße, dass von jetzt an das Vertrauen zwischen Sohn und Vater nur im Zunehmen begriffen blieb, und dass augenblickliche Mißverhältnisse, die allerdings bei so verschiedenen Charakteren und bei der feststehenden Geistesrichtung des Königs nicht ganz ausbleiben konnten, doch ohne weitere Folgen vorübergingen. Zunächst hatte freilich der Sohn, um seine vollkommene Unterwerfung unter den Willen des Vaters zu bezeugen, noch einen sehr schmerzlichen Kampf zu bestehen. Um einen der wichtigsten Anlässe zu weiterer Mißhelligkeit zu beseitigen, dachte der Vater sehr ernstlich auf die Verheirathung des Kronprinzen. Schon während sich der Letztere in Cüstrin aufhielt, waren die ersten Einleitungen dazu getroffen. Die österreichische Partei, die den König noch immer ausschließlich beherrschte und die mit aller Macht den noch immer nicht ganz besiegten englischen Einflüssen entgegen zu arbeiten suchte, wusste es dahin zu bringen, dass eine Nichte der Kaiserin, Elisabeth Christine, eine Prinzessin von Braunschweig-Bevern, in Vorschlag gebracht wurde. Friedrich Wilhelm ging hierauf um so freudiger ein, als ihm der Vater der Prinzessin persönlich vor vielen Fürsten werth war. Der Kronprinz gab seine Zustimmung, aber mit Verzweiflung im Herzen. Man hatte ihm gesagt, die Prinzessin sei häßlich und sehr beschränkten Geistes; und er, in der ersten Blüthe der Jugend, aller Lust des Lebens um so eifriger zugethan, je entschlossener die seltene Gelegenheit erhascht werden musste, sollte sich so früh durch ein Band fesseln lassen, das in zweifacher Beziehung seinen Neigungen widersprach! Er suchte einen andern Ausweg. Die Prinzessin Katharine von Meklenburg, Nichte der Kaiserin Anna von Rußland und von dieser an Kindesstatt angenommen, schien seinen Wünschen ein ungleich angemeßnerer Gegenstand. Als er jedoch hierüber Mitteilungen machte und eine solche Wahl wiederum dem österreichischen Hofe sehr bedenklich erschien, so wurden die Anstrengungen von dieser Seite, rücksichtlich der Prinzessin von Braunschweig, verdoppelt und der Wille des Königs von Preußen unwiderruflich bestimmt.
Schon im März 1732, als der Herzog Franz Stephan von Lothringen, der künftige Schwiegersohn des Kaisers, einen Besuch am Hofe von Berlin abstattete, und zu den ehrenvollen Festlichkeiten, mit denen derselbe empfangen wurde, auch die braunschweigischen Herrschaften eingeladen waren, wurde die Verlobung des Kronprinzen mit der Prinzessin Elisabeth Christine gefeiert. Friedrich fand sich, zu seiner großen Beruhigung, durch die früheren Berichte über seine Braut getäuscht; denn sie war keinesweges häßlich, vielmehr von eigenthümlicher Anmuth in der äußeren Erscheinung, und die übergroße Schüchternheit ihres Benehmens, die sie als beschränkt erscheinen ließ, hoffte er später zu beseitigen. Doch war er klug genug, sich von dieser Veränderung seiner Gesinnungen nichts merken zu lassen, damit der Vater das Opfer, welches er ihm darbrachte, um so höher anschlagen möge. Oesterreichischer Seits that man Alles, um die Prinzessin, bis zur Vermählung, den Wünschen des Kronprinzen gemäß auszubilden; man sorgte für eine geschickte Hofmeisterin; man bemühte sich später sogar, einen ausgezeichneten Tanzmeister für sie zu werben, da der Kronprinz, der damals mit eben so großer Leidenschaft wie Anmuth tanzte, sich über ihren Tanz mißfällig geäußert hatte. Die Heirath war auf das nächste Jahr bestimmt, vom kaiserlichen Hofe suchte man dieselbe nach Möglichkeit zu beschleunigen, damit das bisher Gewonnene nicht wieder verloren gehe, was der damals sehr schwankende Gesundheitszustand des Königs befürchten ließ.
Nach Beendigung der Festlichkeiten kehrte der Kronprinz nach Ruppin zurück. Die Ruhe, welche er hier genoß, that seinem Geiste innig wohl. Zwar ließ er es sich auf's Eifrigste angelegen sein, das ihm anvertraute Regiment unablässig zu üben, für dessen Wohl und Tüchtigkeit zu sorgen, besonders aber, demselben durch die Anwerbung großer Rekruten in den Augen des Königs ein möglichst stattliches Ansehen zu verschaffen; auch versäumte er nicht die öconomischen Angelegenheiten, die ihm der König gleichzeitig aufgetragen hatte; doch waren die Mußestunden hier ohne weiteren Zwang der Bildung seines Geistes, der Lectüre und Musik gewidmet. Ernstlicher als in früherer Zeit konnte er jetzt auf eine wissenschaftliche Durchbildung bedacht sein, und die großen Männer und die großen Taten der Vorzeit, traten im Spiegel der Geschichte, zu gleichem Thun begeisternd, vor sein inneres Auge. Nahe bei Ruppin selbst, bei Fehrbellin, war classischer Boden: hier hatte vor einem halben Jahrhundert des Kronprinzen Ahnherr, der große Kurfürst, die Schaaren der Schweden wie ein Gewittersturm vernichtet und sein Land frei gemacht. Er besuchte die Wahlstatt, sich von allen Einzelheiten des denkwürdigen Vorganges zu unterrichten, wohl ahnend, dass seine eigne Zukunft ein solches Studium nothwendig machen werde. Ein alter Bürger von Ruppin, der jener Schlacht in seiner Jugend beigewohnt, war sein Führer. Als man die Besichtigung vollendet hatte, fragte diesen der Prinz heiteren Muthes, ob er ihm nicht die Ursache jenes Krieges sagen könne. Treuherzig erwiederte der Alte, der Kurfürst und der Schwedenkönig hätten in ihrer Jugend zusammen in Utrecht studirt, hätten sich aber so wenig mit einander vertragen können, dass es endlich zu solchem Ausbruche habe kommen müssen. Er wusste nicht, dass ein ähnliches Verhältniß zwischen Friedrich's eigenem Vater und dem Könige von England fast zu gleichen Folgen gefühlt hatte und dass es nicht ohne wesentlichen Einfluß auf das Schicksal des Kronprinzen gewesen war.
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