Der Prediger sandte in den ersten Tagen nach Katte's Hinrichtung täglichen Bericht an den König über die Sinnesänderung des Kronprinzen. Aber er fügte auch hinzu, dass der Prinz wegen seiner anhaltenden Traurigkeit in eine Gemüthskrankheit fallen dürfte, und er bat den König, dem Sohne das Wort der Gnade nicht mehr lange vorzuenthalten. Der König verlieh dem Prediger ein geneigtes Gehör. So durfte dieser denn schon am zehnten November dem Prinzen die Mittheilung machen, dass der König ihm zwar noch nicht gänzlich verzeihen könne, dass er aber des scharfen Arrestes entlassen werden und sich nur innerhalb der Festungsmauern halten solle, und dass er fortan als Rath in der neumärkischen Kammer zu Cüstrin werde beschäftigt werden. Die Erscheinung der väterlichen Gnade erschütterte den Kronprinzen so, dass er an der Wahrheit der Nachricht zweifelte und die Thränen nicht zurückzuhalten vermochte; nur erst der Zug des königlichen Handschreibens an den Prediger konnte ihn davon überzeugen. Zugleich aber hatte der König verlangt, der Kronprinz solle vor einer besonders dazu verordneten Deputation einen Eid ablegen, dass er seinem Willen und Befehle in Zukunft den strengsten Gehorsam leisten und Alles thun werde, was einem getreuen Diener, Unterthan und Sohne zukomme; er hatte ihn nachdrücklich auf die Bedeutung eines Eides aufmerksam machen lassen und hinzugefügt, dass, wenn er den Eid je brechen sollte, er sein Recht auf die Thronfolge, vielleicht auch das Leben verlieren würde. Der Kronprinz erklärte sich zu diesem Eide bereit; ließ aber auch den König ersuchen, ihm denselben zuvor zukommen zu lassen, damit er seinen Schwur vollkommen in Erwägung ziehen und mit wahrer Ueberzeugung aussprechen könne. Der König gewährte die Bitte.
Bis die Einrichtungen zur Aufnahme des Prinzen in das Kammer-Collegium und zu seiner künftigen Wohnung fertig waren, blieb er noch im Gefängnisse und fuhr mit dem Prediger in jenen erbaulichen Betrachtungen fort. Am 17. November kam endlich die vom König verordnete Deputation in Cüstrin an. Nachdem Friedrich vor derselben den Eidschwur abgelegt, erhielt er Degen und Orden zurück, ging zur Kirche und nahm das Abendmahl. Der Hofprediger hatte mit Beziehung auf das Schicksal seines hohen Zuhörers zum Texte der Predigt die Worte des Psalmes gewählt: »Ich muß das leiden, die rechte Hand des Höchsten kann Alles ändern.« Dann schrieb Friedlich noch einen besondern Brief an den König, in welchem er seine Unterwerfung bekannte, noch einmal um Verzeihung bat und die Versicherung gab, dass es nicht die Beraubung der Freiheit, sondern die Aenderung seines eigenen Sinnes gewesen sei, was ihm die Ueberzeugung seines Fehltritts gegeben habe. Noch aber hatte der König nur erst dem Sohne, nicht dem Oberstlieutenant Friedrich vergeben; eine Uniform durfte er noch nicht tragen, sondern nur ein einfaches bürgerliches Kleid, hellgrau, mit schmalen silbernen Tressen. Doch ließ er den König durch den Feldprediger Müller, der jetzt wieder nach Berlin zurückkehrte, bitten, er möge ihm zu dem Degen, den er ihm zurückgegeben, doch auch ein Portd'epee verstatten. Als der König diese Bitte des Sohnes vernahm, rief er in freudigster Überraschung aus: »Ist denn Fritz auch ein Soldat? Nun, das ist ja gut!«
Achtes Kapitel.
Allgemein war die Freude, als die Begnadigung des Kronprinzen bekannt ward; die große Furcht, die man längere Zeit für sein Schicksal gehegt, hatte ihn dem Volke nur noch weither gemacht, als er es bereits früher war. Die österreichische Partei sorgte indeß nach Kräften dafür, dem kaiserlichen Hofe das Verdienst der Begnadigung zuzuschreiben. Auch wusste der kaiserliche Gesandte, Graf Seckendorf, den König ohne sonderliche Mühe dahin zu bewegen, dass er in seiner Antwort auf des Kaisers Verwendungsschreiben es geradezu aussprach, dass der Kronprinz seine Begnadigung nur dem Kaiser zu verdanken habe und dass er nur wünsche, der Kronprinz möge sich für eine so liebevolle Verwendung stets dankbar erweisen. Zugleich wurde Friedrich selbst zu einem Dankschreiben an den Kaiser veranlaßt, worin er dieselben Ansichten aussprechen musste. Auch war es Seckendorf, auf dessen Rath der König dem Kronprinzen jenen Eid hatte abnehmen und die Beschäftigung desselben in Cüstrin für die nächste Zukunft bestimmen lassen. In dem öffentlichen Rundschreiben jedoch, welches der König den verschiedenen Höfen über die Begnadigung des Kronprinzen mittheilte, führte er als den Grund der letzteren nur die eigne königliche Gnade und väterliche Milde an.
Dem Kronprinzen war in Cüstrin ein eignes Haus zur Wohnung eingerichtet, eine kleine Dienerschaft und ein, freilich beschränktes, Einkommen zugewiesen worden; mit letzterem musste möglichst sparsam gewirtschaftet und regelmäßig Rechnung abgelegt werden. An den Sitzungen der neumärkischen Kammer, in welcher er am 21. November zum ersten Male erschien und durch ein Gratulationsgedicht von Seiten der Kammerkanzlei bewillkommnet wurde, nahm er als jüngster Kriegs- und Domainenrath Theil, ohne dass ihm jedoch bei den Abstimmungen ein Votum zukam. In den einzelnen Theilen seines neuen Berufes, in den Finanz- und Polizei-Angelegenheiten, ebenso in der Landwirtschaft und Verwaltung der Domainen, erhielt er besondern theoretischen Unterricht. Im Uebrigen blieb seine Lage noch sehr beschränkt; er durfte die Stadt nicht verlassen; Lectüre, namentlich französischer Bücher, und selbst musikalische Beschäftigung blieb ihm untersagt.
Doch war der Präsident von Münchow bemüht, ihm den Aufenthalt in Cüstrin möglichst angenehm zu machen; auch fehlte es nicht an anmuthigen geselligen Beziehungen, die dem Kronprinzen die ursprüngliche Heiterkeit und Unbefangenheit seines Gemüthes wiedergaben. So hatte unter Anderen die verwittwete Landräthin von Manteuffel, eine geborene von Münchow, durch geistreichen Verkehr seine Zuneigung erworben. Als sie, noch vor Ende des Jahres, im Begriff war, eine Reise auf ihre Güter zu machen, sandte er ihr, sein eignes Loos schon parodirend, eine eigne scherzhafte Kabinetsordre zu, in welcher er aufs Feierlichste gegen ihre beabsichtigte Desertion protestirte und einem so strafbaren Unternehmen sein Allerhöchstes Mißfallen bezeigte. Das Verbot gegen die Lectüre hatte man schon in dem engen Gefängnisse zu umgehen gewußt. Noch weniger ernstlich scheint auf das Verbot in Bezug auf die Musik bestanden worden zu sein, indem Friedrich sich von dem Generalmajor von Schwerin den Hautboisten Fredersdorf, einen vorzüglichen Flötenbläser, zur Unterstützung in seinen musikalischen Beschäftigungen erbitten durfte. Er hatte diesen schon früher kennen gelernt, als er einst durch Frankfurt reiste und die Studenten ihm eine Abendmusik brachten, wobei Fredersdorf sich durch sein Flötenspiel auszeichnete. Später machte ihn Friedrich zu seinem geheimen Kämmerier, und Fredersdorf ist ihm bis an sein Ende werth geblieben.
Der Kronprinz hatte sich geschmeichelt, dass seine unbedingte und aufrichtig gemeinte Unterwerfung unter den Willen des Königs ihm auch in der That das Herz des Vaters zurückführen werde. Noch aber war der König keinesweges von allem Mißtrauen gegen den Sohn befreit; noch argwöhnte er fort und fort, dass die nothgedrungene Unterwerfung desselben nur Verstellung und dass des Sohnes Herz zur Liebe gegen ihn nicht fähig sei. Als nun der Winter verging und der Prinz noch durch kein Zeichen unmittelbarer, persönlicher Theilnahme des Vaters' erfreut war, als er jener Unterrichts-Gegenstände, die ihm vorgetragen wurden, sich mit einer Gewandtheit des Geistes bemächtigt hatte, die seine Lehrer in Erstaunen setzte, und doch der Kreis seiner Wirksamkeit so beschränkt blieb wie bisher, da drohte ein neuer Unmuth in ihm Wurzel zu schlagen. Schon sann er auf neue Mittel, wie er sich – zwar nicht ohne Wissen und Theilnahme des Königs – aus seiner drückenden Lage befreien könne. Er glaubte, dass jene englische Heirath noch immer an dem Mißtrauen des Königs Schuld sei; er erklärte also in einer vertraulichen Mittheilung an den General Grumbkow, dass er die Gedanken daran vollständig aufgegeben habe, dass er vielmehr sich bereitwillig der Absicht des Königs fügen werde, wenn dieser, wie man sage, eine Vermählung zwischen ihm und der ältesten Tochter des Kaisers zu Stande zu bringen gedenke. Er bemühte sich, die leichte Ausführbarkeit eines solchen Planes zu entwickeln, vorausgesetzt, dass er nicht seine Religion zu verändern brauche, und er erklärte sich hiebei auch zu der Bedingung bereit, das Recht auf die preußische Thronfolge seinem Bruder zu überlassen, indem die österreichischen Besitzungen, in Ermangelung männlicher Erben, auf die älteste Tochter des Kaisers übergehen mußten. Grumbkow vermuthete indeß, dass der Kronprinz diesen Plan nur entworfen habe, um dadurch überhaupt von den Gesinnungen des Königs unterrichtet zu werden; er entwickelte dem Prinzen die ganze Unausführbarkeit, und von der Sache wurde nicht weiter gesprochen.
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