Gisela von Mossen - Mit dem Wohnmobil durch die Welt — trotz Rollstuhls im Gepäck

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Von 1983 bis zum Sommer 2005 waren die Autorin und ihr Mann als begeisterte Wohnmobilisten mit dem eigenen bzw. im fernen Ausland mit einem geliehenen Fahrzeug unterwegs, obwohl ab 1992 wegen einer MS-Erkrankung des Ehemannes ein Rollstuhl ihr ständiger Begleiter war. Fünf Jahre genossen sie gemeinsam ihren 'Unruhestand' in ihrer Wohnung direkt an der Elbe, wenn sie nicht gerade mit dem eigenen PKW, per Bahn, Flugzeug oder Schiff auf Reisen unterwegs waren, bis der Ehemann im November 2010 im Alter von 77 Jahren verstarb.
Dieses Buch ist nicht nur eine fantastische Reiseschilderung, die einmal rund um die Welt führt, sondern ein ermutigendes, Kraft spendendes Signal an alle, die sich mit einer schlimmen Diagnose konfrontiert sehen. Eine Erkrankung muss nicht das Ende von Lebensfreude sein, man kann auch dagegen halten und das Leben trotz allem genießen.

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Auf unseren etwas längeren Urlaubsreisen lernten wir Land und Leute im näheren und ferneren Ausland kennen. Um dem Untertitel gerecht zu werden, möchte ich jedoch die Jahre bis zum endlichen Erwerb eines Rollstuhls mehr oder minder gerafft darstellen, denn erst ab dann gab es für uns kein Halten mehr, und es begannen die laut unserem Schwiegersohn Diethard spektakulären Reisen in die weite Welt. Bis dahin waren wir nach altbewährtem Muster, viel fahren, wenig gehen, unterwegs, denn, wie zu Beginn erwähnt, litt mein Ehemann seit 1957 an einer MS, wodurch seine Gehfähigkeit erheblich eingeschränkt war, d.h. mit Hilfe eines Stockes und meiner Unterstützung konnte er je nach Tagesform 50 bis 100 m weit laufen, nach kurzem Ausruhen ging es langsam weiter. Das Wohnmobil war also für uns das ideale Fortbewegungsmittel, alles, was man zum Wohlfühlen brauchte, hatte man dabei; die schönsten Plätze zum Verweilen bestimmte man selbst und genoss die herrliche Natur aus unmittelbarer Nähe.

Besuch der nördlichen Nachbarn

Nach dieser Devise verlief auch unser erster Besuch der nordischen Länder im Sommer 1983, d. h., die faszinierende Westküste NORWEGENSmit ihren unendlich vielen, zum Teil Geheimnis umwobenen, weit in das Land hineinreichenden Fjorden, den bis zu 2.500 m hoch aufragenden imposanten Gletschern, den malerischen Städten und einsamen Fischerdörfern hatten wir bereits auf einer traumhaften Fahrt mit der Kong Olav,einem Postschiff der Hurtigrouten, im Hochsommer des Vorjahres kennen gelernt.

Um nach dem Verkauf unserer „Gimoga“ im Frühjahr nicht so abrupt auf schwankende Planken verzichten zu müssen, hatten wir diese Reise wegen der starken Nachfrage in weiser Voraussicht schon eine ganze Weile vorher gebucht; Ausgangspunkt war die an der Südwestküste gelegene Hafenstadt Bergen; unter Anlaufen vieler kleiner verträumter und auch bekannter Häfen mit genügend Zeit zu Landgängen (die Schiffe der Hurtigrouten sind gleichfalls für die Beförderung von Post und Fracht jeglicher Art zuständig) ging es in nordöstlicher Richtung die eindrucksvolle Küste entlang, in atemberaubende Fjordehinein, dann wieder zurück auf das zeitweilig wild bewegte Nordmeer; das Überqueren des Nördlichen Polarkreiseswurde natürlich mit einer feierlichen Zeremonie begangen und endete mit der Aushändigung einer Urkunde an jeden Passagier der internationalen Gästeliste, jedoch nicht ohne zuvor einem finster dreinblickenden Neptunmit wallendem Seetangbart und blitzendem Dreizack auf seinem „Thronsessel“ sich tief verbeugend die Reverenz erwiesen zu haben, wofür er sich mit einem Kübel Eiswasser, hinterhältig in den Nacken gegossen, revanchierte.

Nach einem Abstecher zu den zerklüfteten Lofoten, bei guter Sicht ist die mächtige Felswand oberhalb des Hafens Stamsundschon aus weiter Ferne auszumachen, glitt die Kong Olavdurch eine faszinierende Inselwelt mit herrlichen Ausblicken auf sattgrüne, bizarr geformte Hänge ebenso wie auf hoch aufragende Gletscher mit rauschenden Wasserfällen und vom Nordlicht angestrahlten Schneefeldern bis zum Schwindel erregenden Nordkap, das per Bus erklommen wurde; quer durch urwüchsige Tundra, über karge bemooste Hügel mit riesigen Steinhalden und dunkel schimmernden Seen, die Heimat der Rentiere, einige stolze Exemplare bekamen wir auch tatsächlich vor die Linse; entlang an Magendrücken verursachenden Abgründen, bis man oben auf dem Plateau durch einen überwältigenden Blick in die Tiefe und in weite Fernen vollauf entschädigt wurde. Mit Kirkenes, einem kleinen Örtchen nahe der russischen Grenze war der Wendepunkt dieser herrlichen Reise erreicht, die uns auf etwas veränderter, aber ebenso begeisternder Route zurück nach Bergen führte.

Doch nun wieder zu den nicht minder interessanten Nachbarn. Nachdem uns die Nils Holgersonvon der TT Saga Line also am Freitag, d. 29. Juli 83, nebst gut verstautem Mobi von Travemünde aus bis nach Trelleborgan der Südküste

- SCHWEDENS -

gebracht hatte, genossen wir die Fahrt bei schönstem Sonnenschein durch die romantische Schärenlandschaft der Ostküste mit ihren unzähligen vorgelagerten Inselchen, angeblich sollen es 23.000 sein, kaum nachzählbar; kleine gemütliche Fischerdörfer mit ihren typischen bunten Holzhäuschen wechseln sich ab mit größeren blitzsauberen Hafenstädten, wie z.B. Karlskrona, dessen gut erhaltener Marinehafen, ehemaliger Hauptstützpunkt der schwedischen Flotte, der bereits um 1680 auf Anordnung von Karl XI.erbaut wurde, inzwischen seit 1998 auf der Liste des Weltkulturerbesder UNESCOsteht; weiter nördlich dann Kalmar, eine der ältesten Städte Schwedens; nahe des idyllischen Altstadtkerns Gamlastanmit seinen kopfsteingepflasterten Gassen erhebt sich auf einer Halbinsel sehr imposant das mächtige Kalmarslott, die Türme gekrönt von grünen Kupferhelmdächern, durch einen Burggraben vom Festland getrennt; es begann 1180 mit dem Bau eines Verteidigungsturmes und wurde im Laufe der Jahrhunderte u. a durch eine Ringmauer mit vier wuchtigen Bastionen allmählich zu einer Festung ausgebaut; 1397 wurde dort ein historischer Meilenstein gesetzt, als man in den Räumen des Schlosses die Kalmarer Unionbesiegelte, die Vereinigung der nordischen Reiche DÄNEMARK, NORWEGENund SCHWEDENunter einer Herrschaft.

Welch ein Gegensatz die moderne Ölandbrücke, eröffnet im September 1972, die sich in kühnem Schwung von Kalmaraus 6027 m lang und an der höchsten Stelle 42 m über dem Meeresspiegel auf 156 Pfeilern über den Kalmarnsundhinweg zur Insel Ölandzieht, die nach Gotlandmit 135 km Länge und 16 km Breite zweitgrößte Insel Schwedens, auch Insel der Sonne und der Winde genannt. Natürlich verführte uns dieses Meisterwerk der Technik zu einem kurzen Abstecher. Bis auf wenige Ausnahmen reihen sich die hübschen kleinen Ortschaften an der Westküste aneinander, ansonsten bestimmen weite wogende Felder, blühende Wiesen und Wälder das Landschaftsbild. Immer wieder stößt man auf Gräberfelderaus der Vorzeit und historische Windmühlen,von denen sich angeblich um 1850 herum 2.000 auf der Insel verteilten, etwa 400 haben den Zahn der Zeit überlebt. Fast ein Drittel Ölands, der gesamte Südteil, geprägt von einer von Büschen und kleinwüchsigen Bäumen durchsetzten Grassteppe, wurde im Jahre 2000 wegen seiner vielfältigen Flora und Fauna von der UNESCOzum Weltnaturerbeerklärt; im Frühjahr erblühen dort Tausende von Orchideen, und für unübersehbare Schwärme von Zugvögeln ist er ein beliebter Rastplatz.

Schließlich an die Küste zurückgekehrt, ging die herrliche Fahrt weiter über Västervik, Norrköpingmit sehr modernem Stadtbild, durchflossen vom Motalo Ström,einem wasserreichen Abfluss des westlich gelegenen Vätternsees,der durch den zu überwindenden Höhenunterschied von 22 Metern mitten in der Stadt rauschende Wasserfälle und Stromschnellen bildet, dann Nyköpingusw., usw. .

Herrliche Stehplätze boten sich an kilometerlangen weißen Sandstränden mit weitem Blick auf die Ostsee oder die unendliche Inselwelt, direkt an einem der unzähligen Fjorde oder am Ufer eines der vielen glasklaren Seen. Natürlich nutzten wir die Nähe zum Wasser bei anhaltend warmem Sommerwetter täglich zu ausgiebigem erfrischenden Bad. Den dabei geholten Appetit stillten wir entweder bei Selbstgebrutzeltem an Bord aus den immer wieder aufgefüllten leckeren Vorräten oder aber meistens in einem der gemütlichen Restaurants beim Genießen der regionalen Küche.

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