... Die Seen sind im braunen Lehm versunken, und die Berghänge haben richtige Bauchfalten. Der Photograph hat uns mein Bild gegeben, wo mein Haar auf der Fahrt nach Capri über den Rand des Bootes hängt. ›Leb wohl, Blaue Grotte‹, sang der Bootsmann, ›ich kehr' bald wie–ie– der.‹ Und dann ging es an dem heißen, tückischen Schienbein des italienischen Stiefels entlang, und der Wind pfiff rings um die unheimlichen Schlösser, während die Toten von den Bergen oben herabblickten.
... Dieses Schiff ist hübsch, wenn wir gemeinsam mit den Absätzen darauf klappern. Das ist die zugige Ecke, und jedesmal, wenn wir umkehren, stemme ich mich gegen den Wind und ziehe meinen Mantel fest um mich, ohne mit Dick aus dem Takt zu kommen. Wir singen sinnloses Zeug:
»Oh – oh – oh – oh –
Andere Flamingos als ich,
Oh – oh – oh – oh –
Andere Flamingos als ich –«
Das Leben mit Dick macht Spaß – die Leute in den Liegestühlen sehen uns an, und eine Frau versucht zu hören, was wir singen. Dick hat genug vom Singen, also mach allein weiter, Dick. Allein wirst du anders gehen, Liebster, in dickerer Luft wirst du dir deinen Weg durch den Schatten der Stühle, durch den niedertropfenden Rauch der Schornsteine bahnen. Du wirst fühlen, wie dein eigenes Spiegelbild an den Augen derer entlanggleitet, die dich anblicken. Du bist nicht länger isoliert, aber ich glaube, du mußt mit dem Leben in Berührung kommen, damit es dir Sprungbrett wird.
Auf dem Querbalken dieses Rettungsbootes sitzend, blicke ich seewärts und lasse mein Haar flattern und leuchten. Unbeweglich erscheine ich gegen den Himmel, und das Boot ist dazu da, meine Gestalt in die blaue Finsternis der Zukunft hinauszutragen; ich bin Pallas Athene, die ehrfurchtsvoll in den Bug einer Galeere geschnitzt ist. Die Wasser laufen durch die Waschräume, und das achatgrüne Schaumgeriesel kräuselt sich und plätschert am Heck.
... Wir sind in diesem Jahr viel gereist – von Woolloomooloo Bay nach Biskra. Am Rande der Sahara gerieten wir in eine Heuschreckenplage hinein, und der Schofför erklärte freundlich, es seien Hummeln. Nachts hing der Himmel tief herab und war erfüllt von der Gegenwart eines fremdartigen, wachsamen Gottes. Oh, der arme, kleine nackte Ouled Nail; in der Nacht ertönten Senegaltrommeln und Flöten und das Klagen der Kamele, und die Eingeborenen tappten in Schuhen herum, die aus Autoreifen gemacht waren.
Aber damals hatte ich wieder meine Zustände – ob Eisenbahn oder Strand, das war alles eins. Darum ging er mit mir auf Reisen; aber nachdem mein zweites Kind, mein kleines Mädchen, Topsy, geboren war, wurde wieder alles finster.
... Wenn ich nur meinem Mann schreiben könnte, der es für richtig befunden hat, mich zu verlassen und mich Leuten zu überantworten, die nicht Bescheid wissen. Du sagst, mein Baby sei schwarz – das ist absurd, das ist ganz gemein. Wir sind nur nach Afrika gegangen, um Tungad zu sehen, da Archäologie mein Hauptinteresse im Leben ist. Ich habe es satt, nichts zu wissen und immerzu daran erinnert zu werden.
... Wenn ich wieder gesund bin, möchte ich ein famoser Mensch werden wie du, Dick – ich möchte Medizin studieren, wenn es nicht zu spät ist. Wir müssen mein Geld ausgeben und ein Haus haben – ich habe Wohnungen satt, in denen ich auf dich warte. Du magst Zürich nicht und du hast hier keine Zeit zum Schreiben und du sagst, es sei ein Eingeständnis von Schwäche, wenn ein Wissenschaftler nicht schreibt. Und ich werde das ganze Wissensgebiet durchackern und etwas herauspflücken und das gründlich studieren; dann habe ich etwas, woran ich mich klammern kann, wenn ich wieder einen Zusammenbruch habe. Du wirst mir helfen, Dick, dann werde ich mich nicht so schuldig fühlen. Wir wollen an einem warmen Strand wohnen, wo wir zusammen braun und jung werden können.
... Dies wird Dicks Arbeitshaus werden. Der Gedanke kam uns beiden gleichzeitig. Wir waren ein dutzendmal an Tarmes vorbeigekommen, und wir fuhren hier herauf und fanden die Häuser leer bis auf zwei Ställe. Wir ließen den Kauf durch einen Franzosen tätigen; aber die Marine schickte sofort Kundschafter her, als sie hörte, daß Amerikaner einen Teil des Bergdorfes gekauft hätten. Sie suchten überall zwischen dem Baumaterial nach Kanonen, und schließlich mußte Baby das Auswärtige Amt in Paris in unserem Interesse mit Telegrammen bombardieren.
Im Sommer kommt kein Mensch an die Riviera, wir werden also gelegentlich Gäste haben und arbeiten. Ein paar Franzosen sind hier – Mistinguette kam vorige Woche und war erstaunt, daß das Hotel offen war, außerdem Picasso und der Autor von ›Pas sur la bouche‹.
... Dick, warum hast du uns als Herr und Frau Diver eingetragen statt als Doktor Diver und Frau? Warum wohl – es ging mir gerade durch den Kopf. – Du hast mich gelehrt, daß Arbeit alles ist, und ich glaube dir. Du hast immer gesagt, ein Mensch besitzt Kenntnisse, und wenn er aufhört, Kenntnisse zu besitzen, unterscheidet er sich nicht von anderen, und es kommt für ihn darauf an, zur Macht zu gelangen, bevor er aufhört, Kenntnisse zu besitzen. Wenn du die Dinge auf den Kopf stellen willst – schön –, aber muß deine Nicole dir, auf den Händen gehend, folgen, Liebling?
... Tommy sagt, ich sei schweigsam. Nachdem ich das erstemal gesund geworden war, habe ich spät in der Nacht viel mit Dick geredet; wir beide saßen aufrecht im Bett und zündeten uns Zigaretten an, dann, später, tauchten wir aus der blauen Dämmerung hinab in die Kissen, um unseren Augen das Licht fernzuhalten. Manchmal singe ich und spiele mit den Tieren, und ich habe auch einige Freundinnen – Mary, zum Beispiel. Wenn Mary und ich uns unterhalten, hört keiner dem anderen zu. Unterhaltung ist Männersache. Wenn ich spreche, bilde ich mir oft ein, daß ich Dick bin. Ich bin sogar schon mein Sohn gewesen, so weise und bedächtig, wie er ist. Manchmal bin ich Doktor Dohmler, und es kann sogar vorkommen, daß ich dein Aussehen habe, Tommy Barban. Tommy ist, glaube ich, verliebt in mich, aber sanft und beruhigend. Und das genügt, damit er und Dick sich gegenseitig mißfallen. Alles in allem geht es so gut wie noch nie. Ich befinde mich unter Freunden. Ich bin hier an dem stillen Strand mit meinem Mann und meinen beiden Kindern. Alles ist in Ordnung, wenn ich nur mit der Übersetzung dieses verflixten Rezeptes für Huhn à la Maryland ins Französische zurechtkäme. Meine Zehen sind warm im Sand.
»Ja, ich werde mich umsehen. Wieder neue Leute – ach, das Mädchen – ja. Wem, meintest du, sieht sie ähnlich? ... Nein, wir haben sie nicht gesehen, wir haben nicht oft Gelegenheit, hier drüben die neuen amerikanischen Filme zu sehen. Rosemarie wer? Nun, für den Juli sind wir sehr fashionable – das kommt mir merkwürdig vor.«
An der Küste der französischen Riviera, auf halbem Wege etwa zwischen Marseille und der italienischen Grenze, stand ein großes, stolzes, rosenfarbenes Hotel. Ehrerbietige Palmen milderten die Glut seiner Fassade, und vor ihm erstreckte sich ein kurzer, blendender Badestrand. Neuerdings dient er angesehenen und eleganten Leuten als Sommerfrische; 1925 lag er, wenn seine englischen Gäste im April nach Norden abgereist waren, nahezu verlassen da. Nur die Dächer von einem Dutzend alter Villen schimmerten wie Wasserrosen aus den dichten Pinien zwischen Gausses Hotel des Etrangers und dem fünf Meilen entfernten Cannes hervor.
Das Hotel und sein leuchtender gelbbrauner Gebetsteppich von Badestrand bildeten ein Ganzes. Früh am Morgen spiegelten sich im Wasser das ferne Bild von Cannes, die Rosa- und Elfenbeintöne alter Befestigungen und die purpurnen Alpen an der italienischen Grenze, zitterten auf dem Wellengekräusel und den Ringen, die an klaren, seichten Stellen von Wasserpflanzen an die Oberfläche geschickt wurden. Vor acht kam ein Mann in blauem Badeanzug zum Strand herunter, und nachdem er nach umständlichen Vorbereitungen seinen Körper mit dem kalten Wasser in Berührung gebracht hatte, planschte er mit viel Gebrumm und Schnaufen eine Minute in der See herum. Als er sich entfernt hatte, lagen Strand und Bucht eine Stunde lang ruhig da. Handelsschiffe zogen am Horizont langsam westwärts; Hotelpagen lärmten im Hof; der Tau auf den Pinien verdunstete. Eine Stunde später ertönten die Autohupen von der gewundenen Straße an der niedrigen maurischen Hügelkette, die das Küstengebiet vom richtigen provenzalischen Frankreich trennt.
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