Francis Fitzgerald - F. Scott Fitzgerald - Zärtlich ist die Nacht

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F. Scott Fitzgerald: Zärtlich ist die Nacht: краткое содержание, описание и аннотация

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In den 20er Jahren reist die amerikanische Oberschicht gerne durch Europa, lässt mal hier mal dort für einige Zeit nieder. Zu diesen Rastlosen gehören auch der Psychiater Dick und seine Frau Nicole, die einst seine Patientin war. Nicole ist noch nicht ganz geheilt. Das wird in der Ehe spürbar. Die Vermischung der Rollen des Ehepartners und des Patienten überfordert beide. Bei ihrem Südfrankreichaufenthalt gerät die Ehe immer tiefer in die Krise.
F. Scott Fitzgerald ist der große Chronist des Jazz Age und der Goldenen Zwanziger in den USA. Mit «Zärtlich ist die Nacht» ist ihm ein Meisterwerk gelungen, das wie kein zweites die Oberflächlichkeit und Leere hinter dem vordergründig rauschhaften Lebensstil der amerikanischen Oberschicht demaskiert.
Dieses E-Book enthält eine vollständige deutsche Ausgabe des Romans «Zärtlich ist die Nacht» (Originaltitel: «Tender is the night») von F. Scott Fitzgerald.

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Eine Meile von der See entfernt, wo die Pinien durch staubige Pappeln abgelöst werden, befindet sich eine abgelegene Bahnstation; von dorther brachte eine leichte Kutsche an einem Junimorgen 1925 eine Dame und ihre Tochter zu Gausses Hotel. Das Gesicht der Mutter trug Spuren einer verblassenden Hübschheit, die bald von roten Äderchen durchzogen sein würde; ihr Ausdruck war in angenehmer Weise ruhig und aufgeweckt zugleich. Man ließ jedoch seine Augen alsbald zu ihrer Tochter wandern, die einen Zauber in ihren rosigen Händen barg und in ihren Wangen, die in lieblicher Flamme erglühten wie die Haut von Kindern, die nach dem kalten Abendbad von plötzlicher Röte überzogen wird. Ihre schöne, hohe Stirn stieg sanft zu ihrem Haar hinan, das sie wie eine Helmzier umgab, aus der Schmachtlocken, Wellen und Gekräusel aus Aschblond und Gold hervorquollen. Ihre Augen waren lebhaft, groß, klar, mit feuchtem Glanz, die Farbe ihrer Wangen war echt; sie wurde von ihrem jungen, starken Herzen unmittelbar zur Oberfläche gepumpt. Ihr Körper verweilte noch eben im letzten Stadium der Kindheit – sie hatte ihr achtzehntes Jahr fast vollendet, aber sie hatte sich ihren Schmelz bewahrt.

Als See und Himmel in Form einer dünnen, glänzenden Linie unter ihnen erschienen, meinte die Mutter:

»Ich habe das Gefühl, als wenn uns dieser Ort nicht zusagen wird.«

»Ich will sowieso nach Hause«, antwortete das junge Mädchen.

Beide sprachen in heiterem Ton, hatten jedoch offenbar keinen festen Plan; außerdem ärgerten sie sich über die Tatsache, daß ihnen kein Vorhaben, einerlei welcher Art, zugesagt hätte. Sie trugen Verlangen nach besonders aufregenden Dingen, nicht weil ihren erschöpften Nerven ein Anreiz notwendig gewesen wäre, sondern aus der Begierde von Schulkindern heraus, die einen Preis gewonnen und sich ihre Ferien verdient haben.

»Wir bleiben drei Tage und fahren dann nach Hause. Ich werde sofort telegraphisch Plätze auf dem Dampfer belegen.«

Im Hotel gab das junge Mädchen die Bestellung in fließendem, aber ziemlich monotonem Französisch auf, wie etwas Auswendiggelerntes. Als sie sich im Erdgeschoß eingerichtet hatten, trat sie in die Helle der französischen Fenster und ein paar Stufen hinaus auf die Steinterrasse, die am Hotel entlanglief. Beim Gehen hielt sie sich wie eine Ballettänzerin, ließ ihr Gewicht nicht in den Hüften, sondern im Kreuz ruhen. In dem heißen Licht draußen hob sich ihr Schatten scharf ab, und sie zog sich zurück – es blendete zu sehr. Fünfzig Meter weiter unten bot das Mittelmeer den sengenden Sonnenstrahlen pulsierend seine Farbenpracht dar; unter dem Geländer schmorte ein verschossener Buick auf der Hotelauffahrt.

Der Strand war eigentlich die einzige Stelle, wo lebhaftes Treiben herrschte. Drei englische Kinderwärterinnen saßen und strickten Pullover und Strümpfe mit den langweiligen viktorianischen Mustern der vierziger, sechziger und achtziger Jahre und begleiteten ihr Tun mit einem Geplapper, das im Tonfall einer Beschwörung glich; näher am Wasser hatte sich ein Dutzend Leute unter einem gestreiften Sonnenschirm häuslich eingerichtet, während die dazugehörigen Kinder an seichten Stellen nach vorwitzigen Fischen jagten oder nackt und glänzend vom Kokosnußöl in der Sonne lagen.

Als Rosemarie zum Strand kam, lief ein zwölfjähriger Junge an ihr vorbei und warf sich mit jauchzenden Schreien in die See. Da die forschenden Blicke der fremden Gesichter sie bedrückten, legte sie ihren Bademantel ab und folgte dem Jungen. Sie ließ sich ein paar Meter mit dem Gesicht nach unten treiben, aber als sie merkte, daß es flach war, stellte sie sich mit Anstrengung auf die Füße und stakte vorwärts, indem sie ihre schlanken Beine wie Gewichte gegen den Widerstand des Wassers schob. Als es ihr bis zur Brust ging, blickte sie zum Strand zurück: ein kahlköpfiger Mann mit einem Monokel und im Badetrikot, mit herausgedrückter Brust und eingezogenem Bauch, betrachtete sie aufmerksam. Als Rosemarie den Blick zurückgab, ließ der Mann das Monokel fallen, das sogleich in dem drolligen Haardickicht seiner Brust verschwand, und goß aus einer Flasche, die er in der Hand hielt, etwas in ein Glas.

Rosemarie legte ihr Gesicht aufs Wasser und kraulte mit kurzen, heftigen Schlägen zum Floß. Das Wasser umspülte sie, zog sie sanft hinab, von der Hitze fort, sickerte in ihre Haare und rann in die Winkel ihres Körpers. Sie drehte sich um und um darin, indem sie es umarmte und in ihm schwelgte. Als sie das Floß erreichte, war sie außer Atem, aber eine sonnengebräunte Frau mit sehr weißen Zähnen blickte zu ihr herunter, und Rosemarie, die sich plötzlich der kalkigen Weiße ihres eigenen Körpers bewußt wurde, drehte sich auf den Rücken und ließ sich dem Strand zutreiben. Der behaarte Mann mit der Flasche sprach sie an, als sie herauskam.

»Hören Sie – draußen, hinter dem Floß, gibt's Haifische.« Er war von unbestimmbarer Nationalität, sprach aber ein langsames Oxford-Englisch. »Gestern haben sie zwei britische Matrosen von der Flotte im Golf Juan verschlungen.«

»Um Gottes willen!« rief Rosemarie.

»Die Abfälle von den Schiffen locken sie herein.«

Seine Augen wurden ausdruckslos, als wenn er andeuten wollte, daß er nur gesprochen hatte, um sie zu warnen; er tat zwei Schritte rückwärts und goß sich noch ein Glas voll.

Etwas verlegen, doch angenehm berührt von dieser Unterhaltung, in der sich ein gewisses Interesse ihr gegenüber bekundet hatte, suchte sich Rosemarie einen Platz zum Sitzen. Augenscheinlich hatte jede Familie den Streifen Sand im Besitz, der im Bereich ihres Sonnenschirmes lag; überdies herrschte ein lebhaftes Hin und Her – man besuchte sich, man plauderte miteinander – eine Atmosphäre von Gemeinsamkeit, in die man nicht eindringen konnte, ohne anmaßend zu erscheinen. Weiter oben, wo der Sand mit Steinen und trockenem Tang untermischt war, befand sich eine Gruppe von Menschen, deren Haut ebenso weiß war wie ihre. Sie lagen unter kleinen Handsonnenschirmen statt unter Strandschirmen und hatten offenbar keinen Stammplatz. Rosemarie fand Platz zwischen den dunklen und den hellen Leuten und breitete ihren Bademantel auf dem Sand aus.

Als sie so dalag, hörte sie zunächst nur die Stimmen der Menschen, fühlte ihre Füße ihren Körper streifen und ihre Gestalten zwischen ihr und der Sonne vorbeigehen. Der warme und nervöse Atem eines neugierigen Hundes berührte ihren Nacken; sie spürte, wie ihre Haut zu schmoren begann, und lauschte dem matten Glucksen der heranspülenden Wellen. Dann unterschied ihr Ohr einzelne Stimmen, und sie vernahm, wie jemand spöttisch berichtete, »dieser Kerl, der North«, habe am Abend vorher einen Kellner aus einem Café in Cannes gewaltsam entführt, um ihn mitten durchzusägen. Erzählt wurde die Geschichte von einer weißhaarigen Dame in voller Gesellschaftstoilette, die offensichtlich noch vom Abend vorher stammte, denn ein Kopfschmuck haftete in ihrem Haar, und eine kraftlose Orchidee hauchte an ihrer Schulter ihr Leben aus. Rosemarie wurde von einer vagen Antipathie gegen sie und ihre Gesellschaft erfaßt und wandte sich ab.

Nicht weit von ihr, auf der anderen Seite, lag eine junge Frau unter einem Dach von Schirmen und schrieb aus einem auf dem Sand liegenden Buch eine Liste von Dingen ab. Sie hatte ihren Badeanzug von den Schultern gestreift, und ihr rötlich-orangebrauner Rücken, den eine Reihe mattweißer Perlen zierte, glänzte in der Sonne. Ihr Gesicht war herb, schön und traurig. Sie begegnete Rosemaries Blicken, ohne sie zu sehen. Weiter weg befanden sich ein gutaussehender Mann mit Jockeimütze und rotgestreiftem Trikot, dann die Frau, die Rosemarie auf dem Floß gesehen hatte und die sich, als sie sie bemerkte, nach ihr umsah, dann ein Mann mit schmalem Gesicht, einem goldgelben, löwenartigen Kopf, in blauem Trikot und ohne Hut, der ernsthaft mit einem unverkennbar romanischen Jüngling in schwarzem Trikot sprach, während beide an kleinen Stücken Seetang im Sande herumzupften. Sie hielt die Mehrzahl von ihnen für Amerikaner, etwas jedoch ließ sie anders erscheinen als die Amerikaner, die sie in der letzten Zeit kennengelernt hatte.

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