Inzwischen ist es schon ziemlich schummrig geworden und ich bin immer wieder erstaunt, wie schnell es in diesen Breitengraden dunkel werden kann.
Somit kann ich von den Schönheiten Palenques kaum noch etwas erkennen, aber ich freue mich schon auf morgen früh um sie alle in Augenschein zu nehmen.
„Ach, das macht mir nichts aus, in Ägypten musste ich manchmal monatelang ohne Strom auskommen … beziehungsweise in manchen Gräbern mit einem Generator arbeiten. Es ist mir also nicht unbekannt.“ versuche ich zu lächeln, doch ich glaube es misslingt mir entsetzlich.
Zum Glück ist es schon so dunkel, dass Mr. Dunaway es nicht mehr sieht.
Wir steigen beide aus dem Jeep und ich nehme meinen Laptop in die linke Hand, während ich gleichzeitig meine Reisetasche vom Rücksitz hangle.
Mr. Dunaway wendet sich dem Küchenzelt zu, wohin ich ihm ohne zu Zögern folge, denn mein Magen meldet sich inzwischen mit lautem Knurren.
„Miguel?“ ruft Mr. Dunaway in das Zelt.
“Bist du da?”
„Si, Señor Dunaway, Miguel ya esta aqui! Essen auch gleich warm, un momento, Señor, sofort fertig! Kein Problem! Bitte setzen einstweilen!“
Der Koch, ein nicht sehr groß gewachsener, etwas rundlicher Mann mit pechschwarzen kurzen Haaren und verschwitztem Gesicht beginnt unruhig hin und her zu laufen und den Gaskocher anzumachen.
Sein spanischer Dialekt ist unüberhörbar und ich schmunzle unvermittelt, denn ich muss unweigerlich an das Kauderwelsch denken, das die ägyptischen Arbeiter immer an den Tag legten und das Gemisch aus Englisch und Spanisch hört sich fast genauso an.
Ich lasse meine Reisetasche in der Nähe des Eingangs fallen, setze mich auf einen Hocker vor einem Klapptisch auf dem ich meinen Laptop platziere und klappe ihn auf um meine E-Mails zu checken … eine schlechte Angewohnheit von mir.
Zum Glück ist mein Akku voll aufgeladen und ich hatte mir vorsichtshalber noch einen WLAN-Stick besorgt, das dürfte mit dem Sendemast eigentlich kein Problem sein.
Mr. Dunaway setzt sich mir gegenüber und betrachtet mich interessiert.
„Oh, entschuldigen Sie Mr. Dunaway, ich bin es nur gewohnt, abends meine E-Mails abzurufen oder sollte ich das hier lieber lassen?“ verunsichert blicke ich in sein amüsiertes Gesicht.
„Nein, natürlich nicht, machen sie ruhig weiter, der Sendemast erledigt seine Arbeit ja inzwischen. Sie müssen nur morgen früh ihren Akku wieder aufladen, wenn wir wieder für ein paar Stunden Strom haben, sonst sitzen Sie morgen Abend auf dem Trockenen.“ grinst er mich schelmisch an.
„Ach ja, mit den Mobile Phones ist das auch so eine Sache! Wir haben hier keinen geeigneten Roaming-Partner, der sie unterstützt. Deshalb gehen sie meistens überhaupt nicht im Gegensatz zu den Laptops, die funktionieren hervorragend.“
„Oh, Entschuldigung, ich glaube ich muss mich an das Campleben erst wieder gewöhnen! Es ist doch schon fast zwei Jahre her und man lernt das Angenehme einer Großstadt nur allzu schnell zu schätzen. Nur einen Moment noch bitte.“
Ich gehe auf ‚E-Mail abholen’ und es erscheinen einige Werbemails, die ich sofort lösche und nur eine einzige interessante Mail bleibt übrig, welche ich abhole und von meiner Mutter stammt.
Ich beschließe jedoch spontan sie mir später anzusehen, wenn ich alleine bin, also fahre ich den Laptop wieder herunter und klappe ihn mit den Worten zu.
„Nichts Interessantes dabei, nur eine Mail von meiner Mutter, die kann ich später auch noch lesen! Ich möchte Ihnen gegenüber nicht unhöflich erscheinen. Entschuldigen Sie bitte Mr. Dunaway!“
Dieser grinst mich immer noch amüsiert an und macht eine offene Handbewegung.
„Mr. Bolder, Sie können die Mail ruhig lesen, ich empfinde das nicht als unhöflich!
Ich stelle nur die erste Gemeinsamkeit zwischen uns beiden fest, ich bin auch ein Mensch, der bei jeder Gelegenheit seinen Laptop aufklappt und irgendetwas nachschaut.
Wie zum Beispiel die Börsennachrichten und ähnliches oder ebenfalls meine Mails durchsehe ohne auf die Umstände zu achten, die gerade um mich herum herrschen.“
Miguel stellt in dem Moment einen Teller mit Besteck vor mich hin und eine dampfende Pfanne daneben, in der eine Schöpfkelle steckt.
Der Inhalt ist jedoch etwas Undefinierbares aus dicken Bohnen und Maisbrei.
Na wunderbar, das wird ja lustig werden!
Somit fasse ich mir ein Herz und haue mir eine Kelle von diesem fragwürdigen Brei auf den Teller und Miguel bringt noch einen Korb mit frisch gebackenen Maisfladen, den er ebenfalls auf den Tisch stellt.
Verunsichert nehme ich einen Löffel in die Hand und drehe ihn erst einmal gedankenverloren zwischen meinen Fingern hin und her.
„Greifen Sie ruhig zu, das Zeug schmeckt nicht halb so schlecht, wie es aussieht.“ grinst mir Mr. Dunaway mitten ins Gesicht.
Er steht lachend auf und holt sich ebenfalls einen Teller und einen Löffel und ich stecke mir beherzt den ersten Löffel dieses undefinierbaren Etwas in den Mund und beginne zu kauen.
Mr. Dunaway setzt sich wieder mir gegenüber auf den Hocker und ich mache wohl ein gleichzeitig sehr erstauntes und auch komisches Gesicht.
Er fängt an lauthals zu lachen und ich pruste meine Mundfüllung Bohnenbrei fast auf den Teller zurück, weil ich ebenso lachen muss.
Schnell schlucke ich es aber hinunter, weil ich feststelle, so schlecht schmeckt es wirklich nicht. Ein wenig scharf, aber sehr gut und ein hungriger Magen ist für jede feste Nahrung dankbar.
Wir lachen uns beide erst einmal aus und ich beiße ebenso hungrig, wie begierig in das noch warme Maisbrot, welches mir vom ersten Augenblick an hervorragend mundet.
Somit beschließe ich den scharfen Brei mit einem Löffel auf den Maisfladen zu laden, in der Hoffnung, dass er dann nicht mehr ganz so pikant ist um das Ganze mit den Händen zu essen, wobei Mr. Dunaway es mir gleich tut.
„Mr. Bolder, Sie gefallen mir! Ich glaube, ich hatte den gleichen Gesichtsausdruck wie Sie gerade eben, als ich den seltsamen Brei von Miguel zum ersten Mal essen musste und ich habe es genauso wie Sie gemacht und ihn mir auf das Fladenbrot geschaufelt.
Das ist unvergleichlich besser und dann ist es auch nicht so scharf, obwohl ich Miguel immer wieder versuche beizubringen mit dem Tabasco und dem Chili etwas zu sparen, vor allem wenn wir Amerikaner auch mit essen.
Denn die Indios hier essen ja noch schärfer, da kommt man sich manchmal vor wie ein Feuerspucker, wenn man zu viel davon erwischt!“
Wieder lachen wir beide aus vollem Hals!
Nie hätte ich gedacht, dass ich mich mit meinem neuen Arbeitgeber so gut verstehen würde, aber das ist ein guter Anfang für die nächsten Wochen und Monate, die mir hier im Regenwald bevorstehen.
Miguel stellt inzwischen ein Krug mit einer trüben Flüssigkeit vor uns hin mit zwei Gläsern und Mr. Dunaway meint interessiert „Haben Sie schon einmal Chicha getrunken, Mr. Bolder?“
„Chicha? Mr. Dunaway?“ frage ich erstaunt, denn ich habe kein Ahnung wovon er spricht.
„Chicha ist Mais-Bier, es stammt ursprünglich aus Südamerika, aber Miguel, macht es selbst und es schmeckt hervorragend zum Essen. Miguel ist ein Meister in seiner Herstellung. Probieren Sie es einfach und Sie fühlen sich danach bestimmt viel besser.“
Mr. Dunaway schenkt mein Glas voll und ich finde immer noch, dass es sehr seltsam aussieht. Eher wie Bier in das man Milch gegossen hat, aber ich setze das Glas dennoch an Lippen, denn das sehr pikante Essen macht durstig und ich lasse die ungewöhnliche kühle Flüssigkeit langsam meine Kehle hinunter rinnen.
„Hm, ich bin überrascht! Das schmeckt wirklich gut, aber ich habe das Gefühl, dass es auch ganz schön viel Alkohol in sich hat!“ äußere ich bedenkend, als ich merke dass mir das verdammte Scheißzeug sofort zu Kopf in steigt.
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