Damit hat sie mir dann endlich ihren Segen gegeben und mir viel Glück gewünscht.
Die Sonne nähert sich dem Horizont und geht relativ rasch in einen tiefroten Farbton über.
Der Abend naht und ich weiß in den Tropen ist es dann sehr schnell Nacht, deshalb bin ich froh, dass der Pilot Mr. Cooper endlich in den Sinkflug übergeht und zur Landung ansetzt.
Mr. Cooper ist ein etwa achtundfünfzigjähriger Mann mit inzwischen ergrautem zerzaustem Haupthaar und ebenso grauem kurzem Bart.
Das Gesicht ist von der Sonne gebräunt und er trägt eine Sonnenbrille in der typischen Pilotenform.
Seine Gestalt ist hochgewachsen und schlank, er sieht jedoch so aus, als hätte er sein ganzes Leben im Regenwald verbracht.
Sehr gesprächig ist er während des Fluges jedenfalls nicht, deshalb gehen mir ja so viele Dinge durch den Kopf.
Wir setzen butterweich auf dem Boden auf und Mr. Cooper lässt die Maschine ausrollen, woraufhin ich den Sicherheitsgurt löse, mir meine Reisetasche und meinen Laptop schnappe und zum Ausgang gehe.
Mr. Cooper öffnet die Tür und hängt eine kleine Metalltreppe ein, welche ich hinuntersteige und im Augenwinkel sehe ich, dass ein sportlich elegant gekleideter Herr auf mich zukommt, vermutlich Mr. Dunaway!
„Mr. Bolder, ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen!“
Der etwa fünfundfünfzigjährige Herr reicht mir freundlich die Hand.
„Ich bin Lázló Dunaway, ihr Auftraggeber! Herzlich willkommen in Mexiko!“
Der sehr schlanke, feingliedrige und etwas größere Mann als ich, trägt eine beigefarbene Flanellhose, ein dunkelblaues Hemd dessen Ärmel er bis zum Ellenbogen hochgekrempelt hat und darüber einen hellblauen, ärmellosen V-Pullunder.
„Oh, Mr. Dunaway! Guten Abend! Die Freude ist ganz meinerseits, ich war schon sehr gespannt darauf Sie kennenzulernen!“
Der Mann hat für sein Alter noch erstaunlich schwarzes, kurz geschnittenes Haar und ich kann nicht ein einziges graues Haar entdecken.
Mr. Dunaway blickt mich aus dunkelgrünen Augen an, in denen ein seltsames Glitzern liegt!
Er ist etwa einen Meter fünfundachtzig groß und seine Haut ist tief gebräunt, ob von der Sonne oder ob sie von Natur aus so braun ist kann ich nicht ausmachen.
Denn wenn er nicht so groß wäre und ich es nicht besser wüsste, dass er Amerikaner ist könnte man ihn glatt für einen Indio halten.
„Kommen Sie Mr. Bolder, beeilen wir uns, dass wir zur Ausgrabungsstätte kommen, die Sonne ist schon so gut wie untergegangen und wenn wir uns nicht beeilen ist es stockdunkle Nacht!
Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass Sie sicher sehr müde sind und vielleicht noch einen Happen essen wollen.
Unser Koch Miguel hat für Sie extra etwas übrig gelassen.“
Gemeinsam machen wir uns auf dem Weg zu seinem Jeep Wrangler Black Edition, welchen wir sogleich erreichen.
„Das ist aber sehr nett von Miguel, ich habe tatsächlich Hunger. Der kleine Bissen im Flugzeug reicht ja gerade einmal aus um den Appetit anzuregen.“ sage ich verhalten schmunzelnd.
„Sie haben Humor Mr. Bolder! Das gefällt mir!“
Mr. Dunaway grinst mich an, während er sich auf den Fahrersitz zwängt und ich werfe meine Reisetasche auf den Rücksitz.
Daraufhin schwinge ich mich auf den Beifahrersitz und nehme meinen Laptop auf den Schoß, währenddessen Mr. Dunaway auf eine Straße in südwestliche Richtung einbiegt.
„Die Strecke zwischen dem Flughafen und den Ausgrabungsstätten beträgt nur circa acht Kilometer, wir werden also in etwa zehn Minuten da sein.
Haben Sie schon einmal Ausgrabungen in Mittelamerika betrieben Mr. Bolder?“ fragt mich Mr. Dunaway neugierig.
„Nein Sir, bisher war ich nur in Ägypten tätig! Ich habe mich aber die ganze letzte Woche eingehend informiert und ich denke, ich kann mich auch in dieses Metier einarbeiten.
Die Methoden von Ausgrabungen sind ja schließlich immer gleich. Nur die zeitliche Bestimmung von Funden, ihre Bedeutung und ihren Wert einzuschätzen, werde ich noch lernen müssen.
Aber ich denke, das bekomme ich mit der Fachliteratur die ich teilweise dabei habe und anderweitig auf meinem Laptop gespeichert habe, schon hin.
Nur das mit der Schrift der Maya und ihrer Bedeutung macht mir noch etwas Kopfzerbrechen. Wie ich gelesen habe, ist sie bis heute noch immer nicht hundertprozentig entziffert!“ antworte ich und lege meine Stirn in Falten.
„Darüber brauchen Sie sich keinen Kopf machen, ich kenne mich da hervorragend aus. Ich bin zwar kein gelernter Archäologe, beschäftige mich aber schon seit Jahrzehnten damit und kann Wertvolles durchaus von Schund oder Fälschungen sehr gut unterscheiden.
Auch wegen den Schriftzeichen brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Ich habe da jemanden in London, der sie entziffert. Wir müssen Miss Spencer nur gute Bilder zu mailen … und Sie Mr. Bolder müssen einfach nur etwas finden, das ist alles!“
Mr. Dunaway schmunzelt in sich hinein und ich staune über so viel Selbstbewusstsein.
Sagte Collins nicht, der Mann wäre Finanzmagnat und Börsenmakler?
„Miss Spencer? In London? Warum haben Sie sie dann nicht auch hierher geholt?” frage ich überrascht.
„Weil sie zwar eine hervorragende Kennerin der Mayasprache und deren Schriftzeichen ist, aber von Ausgrabungen keine Ahnung hat und auch nicht im feuchten Urwald im Dreck buddeln will.
Die Großstadt ist ihr lieber, sie neigt eher dazu in einem Büro oder in einem Labor zu arbeiten. Zudem habe ich die Auflage erhalten einen ausgebildeten Archäologen zu beschäftigen, um die Grabungsgenehmigung zu erhalten.“
„Aha! Na, dann hoffe ich, dass wir bald etwas finden!“ ich mache enttäuscht eine kurze Pause.
„Darf ich Sie noch etwas fragen, Sir!“
„Natürlich, was immer sie wissen wollen.“
Mr. Dunaway lächelt mich von der Seite an.
„Wenn Sie hier in Mexiko sind, wer macht dann eigentlich ihre Börsengeschäfte?“
Er lacht kurz laut auf und grinst mich wieder an.
„Ich glaube, darüber brauchen Sie sich wirklich keine Gedanken zu machen Mr. Bolder, das Geld für die Ausgrabung wird schon nicht ausgehen.“ schüttelt er belustigt mit dem Kopf.
„Nein, ich habe eine eigene Firma, die sich nur mit Börsengeschäften beschäftigt und durchaus einige fähige Mitarbeiter, die meine Arbeit während meiner Abwesenheit ganz gut erledigen.
Außerdem habe ich hier über das Internet Kontakt zu ihnen und kann jederzeit eingreifen, wenn mir etwas nicht passt.
Obwohl die Verbindung erst so richtig funktioniert, seitdem ich vor zwei Wochen einen eigenen Sendemast neben dem Ausgräbercamp habe errichten lassen.“ erneut wirft er mir schmunzelnd einen Seitenblick zu, während ich nach vorne blickend die Lichter von Gaslaternen entdecke und daneben einige Zelte, die für solche Ausgrabungsstätten typisch sind.
Mir graut nun plötzlich bei dem Gedanken an die harten Pritschen, die meistens zum Schlafen darin stehen, was mir gerade eben erst wieder einfällt, wo ich die Zelte sehe.
Allein schon wegen der unbequemen Holzliege bereue ich nun fast meinen Entschluss hierhergekommen zu sein.
Daran hatte ich in der ersten Euphorie gar nicht gedacht und ich bedauere schon jetzt meinen Rücken.
„Tut mir leid, dass wir das mit dem elektrischen Strom noch nicht ganz im Griff haben, aber das wird in den nächsten Tagen auch noch gemacht.
Ich hoffe, Sie kommen noch ein paar Abende auch mit Gaslampen aus. Die Sache mit dem Strom funktioniert im Moment nur ein paar Stunden am Tag, aber die Leitung von Palenque Stadt wird gerade verlegt und das dauert leider noch ein paar Tage.
Die Indios arbeiten leider nicht so schnell, wie wir das aus den USA gewohnt sind.“ sagt Mr. Dunaway bedauernd.
Damit stoppt er den Jeep ein Stück weg von den Zelten und macht den Motor aus.
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