William stand an der Seite von MacLennoch, wenn er englische Adlige oder Offiziere empfing. Er begleitete ihn, wenn er seine Chieftains oder die wichtigsten Pächter besuchte. Wenn er zum Spielen aufgefordert wurde, fühlte er sich wie früher auf dem Dorf; die Zuhörer waren zwar keine Bauern, aber reagierten genau wie sie auf seine Musik.
MacLennoch verstand es aufzutreten; er gab sich einerseits den Nimbus eines weltoffenen und aufgeklärten Fürsten, gleichzeitig aber pflegte er den Pomp eines Clan-Chiefs, worin er sich wiederum in nichts von den englischen Adligen unterschied. Im Gegenteil — wenn er auftrat, musste sich mancher Engländer noch auf die Lippen beißen.
Wenn er gar eines der größeren Dörfer seines Reiches mit seinem Besuch beehrte, kannte der Aufwand keine Grenzen. Zuvorderst kamen jeweils die bedrohlichen Speerträger, die jedem am Weg die Lust vertrieben, zu nahe heranzutreten, gefolgt von den martialischen Soldaten, ausgerüstet mit Säbeln und Pistolen, die sie in den Highlands unbehelligt präsentierten oder die von den Engländern aus Höflichkeit akzeptiert wurden. Die meisten waren beritten, und weil Pferde öfter etwas fallen lassen, folgten ihnen die Dungpflücker , die die Hinterlassenschaften der Tiere zusammenlasen und auf die Seite schmissen. Die nächste Hilfsgruppe kümmerte sich um schwierige Übergänge bei Bächen oder steinigen Hindernissen; sie führten das Pferd des Clan-Chiefs, und wenn es allzu widrig wurde, trugen sie ihn mit vereinten Kräften weiter, bis die Hindernisse überwunden waren. Und noch vor dem Clan-Chief selbst kam William, gefolgt von seinem Träger, und er ließ sein Instrument erschallen, um allen kundzutun, wer da unterwegs war. Er hatte immer ein mulmiges Gefühl, wenn er die Bauern am Wegesrand sah, die den Kopf gesenkt hatten und ihre Mützen in der Hand hielten.
Bei all dem Wirrwarr entdeckte man die Hauptperson erst an ihrer Aufmachung. MacLennoch ließ sich von Lady Charlotte beraten und ausrüsten, und sie hatte genügend Lieferanten von allerlei Farben und Stoffen, sodass Alan nicht im gewohnten Braungrün daher kam, sondern von Kopf bis Fuß die prächtigsten Karomuster trug, zusätzlich längs- und quer gestreift in Rot, Gelb und Blau, und unterschiedlich für Socken, Kilt oder Umhang. Nur eines hatte stets die gleiche Farbe: Seine Jacke war tiefschwarz, mit Silberfäden an Kragen und Ärmeln eingefasst sowie mit Knöpfen aus reinem Silber vorne und an den breiten Manschetten. Meistens trug er dazu einen weißen gestickten Kragen. Sein Barett war wuchtig, ebenfalls mit Silberfäden umrahmt, und die drei Federn daran stammten von den größten Adlern.
William war ein aufmerksamer Beobachter, und er genoss sein Amt. Doch stets war er sich bewusst, dass es seine Zeit haben würde. Bald, früher oder später, würde John Fraser junior auf sein Recht der Nachfolge pochen. Und es würde ihm gewährt werden, gleichgültig, wie gut er, William, sein Amt ausübte.
Kapitel III: Schloss Blackhill
Cremor und Humphredus hatten den größten Teil ihrer Reise von der Küste in die Highlands hinter sich. Sie führten zwei Packpferde mit Proviant und Kleidern, darunter ihre Kilts, mit. Unter der Jacke trug jeder eine Pistole verborgen. Ihre Säbel und Dolche hatten sie auf den Packpferden verstaut.
Sie ritten auf befestigten Straßen, die aussahen, als wären sie soeben neu gebaut worden, und die bevölkert waren von englischen Soldaten und Steuereintreibern mit ihren Eskorten sowie Händlern mit großen Wagen voller aufgetürmter Kisten.
Es war ein sonniger Tag mit blauem, wolkenlosem Himmel, wo man hinschaute. Weit im Süden kräuselten sich ein paar Wolken über dem Horizont, und in der Ferne waren die Umrisse eines Schlosses zu sehen.
Die Straße führte sie auf ein Dorf zu. Eine der größeren Scheunen erwies sich als Schenke, bestehend aus einem abgetrennten Raum mit einem Tisch und einigen Stühlen mit freier Sicht in den Kuhstall. Sie banden ihre Pferde an und fanden den Gastwirt im Stall beim Melken.
„Kriegt man hier etwas zu essen?“, rief Humphredus.
Der Bauer ließ sich nicht in seiner Arbeit unterbrechen und schaute auch nicht auf. „Wartet, bis ich fertig bin.“
Sie setzten sich an den Tisch. Von dort sah man durch eine Tür in einen anderen Raum, in dem unzählige Spindeln mit Rohwolle gelagert waren. Neben großen Bottichen lagen säuberlich geschichtete Rindenstücke von Ebereschen zum Färben der Wolle bereit.
Endlich erschien der Bauer und fragte, was sie wollten. Er war mittelgroß, gedrungen, hatte Glotzaugen und riesige Lippen.
Wie ein Fisch , dachte Cremor. „Wir würden gerne essen und übernachten. Geht das? Wie heißt du übrigens? Das ist Humph, und ich bin Cremor.“
„MacLysh. Ihr könnt Haferkuchen, Lammfleisch und Wein haben. Übernachten könnt ihr dort.“ Er zeigte auf den Raum mit den Spindeln.
„Wir nehmen alles. Bring zuerst den Wein und Wasser. Wir werden inzwischen die Pferde versorgen.“
Nach dem Essen fragte Cremor nach Whisky.
MacLysh zögerte zuerst, doch dann holte er einen Krug. „Man kann heutzutage niemandem mehr trauen.“
Er stellte den Krug auf den Tisch und räumte die hölzernen Essgeschirre weg; er kam mit drei Bechern in der Hand zurück und schenkte aus dem Krug ein.
„Wer seid ihr?“, fragte er.
Cremor stellte sich als Wundarzt und Humph als Lehrer vor.
„Also gebildete Leute seid ihr!“
Sie erfuhren den Namen des Dorfes: Blair Mhor.
„Es gehört zum Gebiet von MacLennoch”, erklärte MacLysh. „Wenn ihr nordwärts zieht, kommt ihr an Schloss Summerset vorbei.”
„Und was machst du, MacLysh?“
„Ich bin Schankwirt, sammle die Wolle von den Spinnerinnen ein, färbe sie und bringe sie in die Weberei.“
„Und Schwarzbrenner?“, fragte Cremor, dem die riesigen Bottiche aufgefallen waren.
Diese wurden sicher nicht nur zum Färben der Wolle verwendet. In ihnen konnte man auch Gerste einweichen und zum Keimen bringen.
„Man kommt so herum“, sagte MacLysh, „nehmt noch einen Schluck.“
Am anderen Tag brachen sie im Morgengrauen auf, Richtung Norden, am Schloss der MacLennochs vorbei, das sie aus der Ferne betrachten konnten. Etliche fast weiße und hohe Gebäude umgaben eine dunkle Burg, auf deren Zinne eine Fahne zu erkennen war. Auf einem Feld exerzierten Soldaten, aus der Ferne klein wie Ameisen. Man hörte die Töne eines Dudelsacks, aber kaum den Hufschlag all der Pferde, die mit Lasten oder eingespannt in Wagen und Kutschen unterwegs waren.
Bald hatten sie das große Anwesen hinter sich gelassen. Seit keine englischen Soldaten mehr zu sehen waren, trugen sie ihre Waffen offen. Hier und da duckten sich Hütten in die Mulden, eine wie die andere, alle fensterlos, mit Stroh- und Schilfdächern, aus denen Rauch entwich. Darunter trockneten hochgeschichtete Torfstreifen. An dunkelsilbernen Bächen weideten Schafe. In der Umgebung gingen Bauern ihrer Feldarbeit nach.
Nach und nach verloren sich die Wege in den Tälern, die enger und enger wurden. Die steil aufsteigenden Hügel warfen lange Schatten. Bäume waren keine mehr vorhanden, die Wiesen waren karg und mit flächigem Heidekraut bedeckt. Inzwischen hatte sich der Himmel bedeckt, und um die Berge bildeten sich Nebelschwaden. Kleine schwarze Rinder suchten den dunkelbraunen Boden nach Futter ab. Hier und da tauchte kurz ein Hase auf, Gruppen von Vögeln verschwanden plötzlich, wenn von den Hängen ein Raubvogel abflog. Die Gegend schien menschenleer.
Gegen Abend erreichten sie die Passhöhen. Ein Ausblick blieb ihnen verwehrt, denn der Pfad wand sich immer noch zwischen steinigen Hügeln, aber immerhin schien sich im Nebel ein Gefälle im Weg abzuzeichnen. Die Luft war feuchtkalt und bald fielen erste schwere Tropfen.
Читать дальше