1 ...7 8 9 11 12 13 ...19 William schoss aus dem Stuhl hoch und merkte, wie es ihm kalt den Rücken hinablief, unwillkürlich wollte er ihm seine rechte Hand entgegenstrecken, stutzte und schlug mit seiner Linken ein.
„Ich gratuliere dir!“, sagte John beinahe feierlich. „Aber bedenke, der Entscheid liegt bei MacLennoch.“
Sie setzten sich wieder.
„MacLennoch wünscht, dass du das Amt so bald als möglich übernimmst. Er will dich während deiner Arbeit kennenlernen und entscheiden, wenn die Zeit reif ist. Außerdem will er dich heute Nachmittag sehen. Nimm dein Instrument mit.“
Dann meldete sich der Schlossverwalter zu Wort: „Wir haben vernommen, dass du verheiratet bist. Du wirst deine Frau holen. Wie heißt sie übrigens?“
„Mary.“
„Mary und du werden das obere Stockwerk dieses Hauses beziehen. Habt ihr Kinder?“
„Nein.“
„Mary wird in diesem Haus nach dem Rechten sehen, auch hier unten. Sie wird eine Köchin haben und weitere Bedienstete.“
John ergänzte: „Vielleicht mögen sich Mary und mein Junior. Er hat schon lange keine Mutter mehr.“ Dann fuhr er fort: „Mein Butler wird euch die Sitten und Gebräuche auf diesem Schloss beibringen. Deine Bauernhände werden bald nicht mehr als solche erkennbar sein.“ Seine Stimme wechselte plötzlich zur Weichheit. „Übrigens — das langsame Lied, das du gespielt hast. Ein Liebeslied? Hat mir sehr gefallen. Hat es einen Namen?“
William schaut überrascht auf und entspannte sich. „Das Lied? Ja, ein Liebeslied. Traurig, eigentlich. Verlorene Liebe.“ Er suchte nach dem richtigen Wort, um eine Antwort zu geben.
John Fraser gab ihm eine Hilfe. „Wir haben alle eine Liebe verloren. Oder wir wissen, dass wir die nächste auch verlieren könnten.“
William suchte seine Gedanken zusammen. „Ich habe meine gefunden. Ich werde sie nie verlieren.“ Seine Stimme klang sicher. „Hoffe ich.“ Er schaute John vertrauensvoll in die Augen. „Es heißt The Old Rustic Bridge by the Mill . Es war eine Bettlerin aus Irland, die es mir vorgesungen hat. Weiß nicht, woher sie es hatte. Der Batzen, den ich ihr gab, war zu wenig.“
William erfuhr weiter, dass sein Haus und sein Hof in Blair Mhor verpachtet würden, es werde jedoch sein eigen bleiben. Auch könnte Marys Vater weiter dort arbeiten. Morgen würden ihm Pferde und ein Wagen bereitgestellt, um Mary und seine Habseligkeiten abzuholen.
John verabschiedete William. „Wir sehen uns später.“
Der Schlossverwalter begleitete ihn zurück in den Vorraum, wo Roderick wartete. „Der Butler wird Ihre Sachen aus der Unterkunft holen, der obere Stock ist bezugsbereit. Heute Nachmittag werden Sie abgeholt und Alan MacLennoch vorgestellt. Nachher gibt es ein Nachtessen mit John. Morgen werden Sie Ihre Frau holen. Gute Reise!“
Roderick schien überglücklich und gar nicht enttäuscht. „Ich gratuliere dir herzlich, William! Weißt du, ich bin froh, dass du Clan-Piper wirst. Das Höfische würde mir nicht so recht liegen. Ich fühle mich wohler bei den Soldaten, ja, ich werde sogar Offizier.“
Beide warteten auf das Aufgebot für ihre Vorstellung beim Clan-Chief. Zwischendurch erschien nochmals der Butler, holte William ab und führte ihn die Treppe hoch.
„Hier entlang, Sir!“ Er zeigte ihm sein neues Heim. „Hier ist der Salon. Es wird noch eingeheizt, bis Sie zurück sind.“
William versuchte sein Erstaunen zu verbergen.
Der Butler entfernte einige Tücher von den Stühlen und faltete sie zusammen. „Und hier ist das Schlafzimmer.“ Ein riesiges Bett mit vier massiven gedrechselten Säulen beherrschte den Raum. Auf einem Sofa war eine Reihe von Uniformteilen bereitgestellt. Der Butler bat William, sich umzuziehen und ließ ihn allein.
William schluckte zweimal leer. Der Butler hatte ihn tatsächlich Sir genannt!
Gerne legte er seine bäuerliche Kleidung ab, und bald stand er da mit neuem Kilt, Kittel und Lederzeug, neue Stiefel inbegriffen. Er schritt nochmals die Räume ab. Er war bereit für das Treffen mit MacLennoch.
Unten wartete Rod auf ihn, ebenfalls neu eingekleidet; es standen zwei Pferde bereit und einige Soldaten der Leibgarde des Clan-Chiefs. Unter ihrer Führung ritten sie los, durchquerten schöne Gärten und kamen auf eine breite, schnurgerade Straße, an deren Ende Schloss Summerset lag. William staunte über diese für ihn neue Welt, doch nahm er sich vor, alles für selbstverständlich anzusehen und sein Erstaunen zu verbergen. Er war schließlich der designierte Clan-Piper.
Je näher sie zum Schloss kamen, desto imposanter erschien es, und als sie durch das breite Tor der Schlossmauer ritten, waren beide überwältigt. So riesig hatten sie sich das aus der Ferne nicht vorgestellt: Helle, fast weiße Gebäude mit breiten, mehrstöckigen Fronten unter schweren Giebeldächern, mit vielen Abstufungen auf verschiedenen Ebenen, die Balkone und Terrassen bildeten. Dazwischen Gartenanlagen mit üppigen Büschen und grün schimmernden Teichen.
Sie ritten an der alten Burg vorbei und überblickten den zugeschütteten Burggraben, dahinter dunkles, überwuchertes Gemäuer, eingefasst von wuchtigen Ecktürmen. Auf der gestuften Zinne wehte eine Fahne. Soldaten, Pferde, Kutschen und Fuhrwerke waren unterwegs, es gab ein emsiges Hin und Her. William hatte noch nie so viele und so große Fahrzeuge gesehen.
Sie hielten ihre Pferde unter einem riesigen Vordach an, das den Haupteingang des größten Gebäudes überragte, und stiegen ab. Die sie begleitenden Soldaten meldeten ihre Ankunft den Wachposten, worauf ein Offizier erschien, die Sache in Augenschein nahm, Listen konsultierte und dann endlich die Besucher in die Empfangshalle führen ließ.
Alan MacLennoch hatte sein Reich wohl geordnet. Seine nächsten Verwandten hatten die wichtigsten Ämter inne, waren als Chieftains Herrscher in ihren Gebieten, besaßen Ländereien, die sie ihren Verwandten zur Pacht überließen, die sie wiederum weiter verpachteten, bis hinunter zum letzten Bauern und zum kleinsten Acker. Alan saß auf Schloss Summerset, das von Lady Charlotte sorglich gepflegt wurde, wenn sie nicht mit der Ausbildung ihrer beiden gemeinsamen Töchter beschäftigt war.
Alles war wohlgeregelt, bis auf zwei Ausnahmen: Alan hatte keine männlichen Nachkommen und es bisher unterlassen, einen Stellvertreter und Nachfolger zu bestimmen. Das war das eine, und das andere war der Clan der MacAreaghs im Norden. MacLennoch nannte sie die nordischen Barbaren .
Der Grenzverlauf zwischen den beiden Clans verlief einmal so, einmal anders — je nachdem, wer das Grenzland, gar über eine zufällige Rinderherde hinaus, dem eigenen zugeschlagen und das Vieh gleich mitgenommen hatte.
MacAreagh und MacLennoch hatten es längst aufgegeben, darüber zu verhandeln, denn wenn der eine mit einer vertrockneten Schafshaut mit ein paar vergilbten Strichen und Buchstaben darauf seine Ansprüche geltend machte, kam der andere sicher ein paar Tage später mit einer noch älteren Schafshaut und versuchte, seine Grenzen zu ziehen.
So waren sie stets im Streit auseinandergegangen, keiner war versöhnlich und jeder pochte auf seine Rechte, die dann galten, wenn er sie durchsetzen konnte.
Scharmützel waren an der Tagesordnung. Eines davon hatte MacAreaghs Sohn das Leben gekostet. Zwar galten Menschenleben nicht viel, man starb im gleichen Ausmaß an Händeln wie an Krankheit, und für Nachwuchs wurde stets gesorgt, aber MacAreagh den Sohn zu nehmen, das war mehr als ein Unglück, das war ein Affront, das war die Grundlage einer Fehde, die ohne Weiteres Generationen überdauern konnte. MacLennoch war für MacAreagh der Mann, der ihm seinen einzigen Spross und Nachfolger genommen hatte. Er würde nicht ruhen, bis sein Tod gerächt war.
Lady Charlotte war glücklich mit ihren zwei Töchtern, und die Leidenschaft, die sie mit ihrem Mann verband, war eine besondere. Sie sammelten alles, was in der Vergangenheit oder in der Gegenwart von Bedeutung war, deren Hersteller einen Namen hatten, oder das kunstvoll, selten oder speziell war: Möbel, Gemälde, Porzellan, Gold, Silber, Skulpturen, Miniaturen, Instrumente, Waffen ... Die besten Schreiner wurden mit der Anfertigung von Möbeln, auch in französischem Stil, beauftragt, renommierte Maler fertigten Porträts und Landschaftsbilder, und so sah das große Haus aus wie ein prall gefülltes Museum. Im Salon, in dem Charlotte und Alan Tee tranken, befand sich eine kleine Auswahl ihrer Kostbarkeiten, beginnend beim Teetisch mit Einlegearbeiten aus Elfenbein, auf dem sich Porzellan aus China befand. Das Porzellan war so dünn, dass man der Tasse von außen ansah, wie viel Tee noch darin war. Die Stühle waren seidenbezogen. Die Gobelins an der Wand hatten ihren Ursprung in Frankreich, und man konnte auf ihnen die eine oder andere Jagdszene entdecken.
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