Dass der Mensch seine Wiege in Afrika hatte, wird wohl kaum noch bezweifelt. Dass er, je nach Religion, von einem Gott oder einer anderen höheren Instanz geschaffen wurde, darf allerdings ebenso bezweifelt werden. Der Übergang aus dem Tierreich gelang durch die Fortbewegung auf nur noch zwei Beinen. Wa-rum es gerade eine Affenart war, der dieser Sprung gelang, lag wohl an den anatomischen Gegebenheiten des Vorhandenseins von Hän-den mit Fingern, was sich bei unseren nächsten Verwandten im Tierreich bis heute nicht geän-dert hat. Eine Laune der Natur war es sicher-lich. Mit dem Freiwerden der vorderen Extremi-täten waren die Voraussetzungen für den zielgerichteten Einsatz der Hände und den allmählichen Gebrauch von Werkzeugen geschaffen.
Im Laufe von vielleicht 150.000 bis 200.000 Generationen hat sich in Anpassung an die Lebensverhältnisse und die Erfordernisse des aufrechten Ganges ein Bewegungsapparat herausgebildet, der genau das gewährleistete. Alle knöchernen, Gelenks-, Bindegewebs- und muskulären Strukturen veränderten sich ent-sprechend. Aus den einstmals fingerähnlichen Gebilden der Hinterbeine, die bei vielen Affen-arten immer noch eine wichtige Greiffunktion haben, wurden allmählich Füße mit Zehen. Die vordere oder obere Extremität hingegen ver-wandelte sich durch den ausschließlichen Einsatz als Greiforgan zu einem unübertrof-fenen Universalwerkzeug. Aber auch alle an-deren Teile des Bewegungsapparates mussten sich anpassen. Auf den Füßen ruhte nun das gesamte Körpergewicht. Über die Sprung-, die überaus komplizierten Knie- und die Hüft-gelenke wurde es übertragen. Das Kreuzbein wurde zur zentralen Stütze im Beckenring. Die Wirbelsäule bildete eine Doppel-S-Form aus, wodurch eine Dämpfung der Erschütterungen beim Gehen, Laufen und Springen gewähr-leistet wurde, was für den Kopf mit dem sich darin befindlichen Gehirn von besonderer Be-deutung war. Beim Gorilla z.B. hat man den Eindruck, dass seine Wirbelsäule gerade wie eine Stange ist, die vom Beckenring bis zum Hinterhaupt reicht. Der Brustkorb flachte sich gegenüber dem der Vierbeiner weiter ab. Entsprechende Veränderungen vollzogen sich in den Bandverbindungen an den Gelenken, von denen auf Grund ihrer Lage und Bela-stungsstruktur die Sprung- und Kniegelenke, aber auch die Hüft- und Kreuz-Darmbein-Ge-lenke zu erwähnen sind. Deren Anfälligkeit ist leider auch ein Erbe der Evolution. Auch die Schultergelenke, die die beweglichsten des menschlichen Bewegungsapparates sind, blie-ben trotz starker Band- und muskulärer Ab-sicherung gegenüber Verletzungen anfällig. Wobei, das muss ich hier einfügen, heute dem menschlichen Körper Dinge zugefügt werden, auf die ihn die Evolution nicht vorbereitet hat.
Schließlich musste sich die gesamte Ske-lettmuskulatur auf den aufrechten Gang ein-stellen. Insbesondere galt dies für die Musku-latur, die das länger anhaltende Stehen und Gehen ohne großen Energieverbrauch reali-sieren muss. Diese Muskulatur, die sich vom Kreuzbein bis zum Hinterhaupt spannt und aus etwa 200 Einzelmuskeln besteht, wird als autochthone (ursprüngliche) Rückenmuskulatur bezeichnet. Sie gewährleistet im Wachzustand das Aufrechthalten der Wirbelsäule im Sitzen, Stehen und Gehen, ist also ständig im Span-nungszustand. Dass der Energieaufwand für diese fast gleichbleibende Belastung relativ gering ist, ist der Konstruktion der Wirbelsäule und der effektiven Anbringung der Muskulatur, der Sehnen und Bänder an ihr zu verdanken. Und das, obwohl der Körperschwerpunkt vor der Wirbelsäule liegt. Hier will ich einfügen, dass logischerweise die Belastungen auf die Wirbelsäule und die Spannkraft der Rücken-muskulatur umso größer sind, je größer der Leibesumfang, insbesondere bei Männern, ist, worauf die Evolution leider auch nicht vorberei-tet war.
Natürlich haben sich neben dem Bewegungs-apparat die inneren Organe, Herz-Kreislauf, At-mungsorgane, das Hormonsystem, um nur einige zu nennen, anpassen müssen. So führte auch der Übergang zur Mischkost (Pflan-ze/Fleisch) zu Veränderungen der Verdauungs-organe, weil durch das tierische Eiweiß auf direktem Weg arteigenes Eiweiß aufgenommen wurde und auf die komplizierten Umwand-lungsprozesse pflanzlichen Eiweißes teilweise verzichtet werden konnte.
Obendrein bewirkte die ausschließliche Arbeit mit den Händen, die komplizierter werdenden Aufgaben, der Drang, immer neue Gebiete zu besiedeln, die Versuche miteinander zu kommu-nizieren u.a. Veränderungen in den Gehirnstruk-turen, die Vergrößerung des Gehirnvolumens und seiner Leistungsfähigkeit.
In seiner Jahrmillionen währenden Entwicklung ist somit ein Lebewesen entstanden, das sich durch charakteristische körperliche Merkmale und Eigenschaften, wie Körperbau, Strukturie-rung der Muskulatur, Ausdauer und Kraft, aber auch Geschicklichkeit und die Fähigkeit, mit der durch die Nahrung aufgenommenen Energie sparsam umzugehen, auszeichnete. Die sich im Laufe der Evolution entwickelnden kognitiven Fähigkeiten schufen andererseits die Voraus-setzungen für bewusstes Handeln, um im Kampf für die Erhaltung der Art zu bestehen. Sammeln, Jagen und Fischen waren die Quel-len der Nahrungsbeschaffung, worin letztlich, wie bei jedem anderen Lebewesen, zunächst der Sinn des Lebens bestand.
Mit diesem genetischen Rüstzeug ausgestat-tet, verließ der Mensch seine Wiege in Afrika, zog zunächst an den Küsten entlang in ferne Gebiete und besiedelte schließlich den gesam-ten Erdball. Natürlich führten die vorgefundenen Lebensbedingungen, wie Klimaveränderungen, Sonnenscheindauer, Nahrungsangebot u.a. im Laufe der Jahrtausende zu äußeren Verände-rungen. Das betraf insbesondere die Hautfarbe, die Physiognomie, den Haarwuchs und die Körpergröße der Menschen. An seiner Gestalt, seiner körperlichen Prägung als aufrechtge-hendes Wesen, seinen körperlichen und geisti-gen Fähigkeiten, seiner Genetik jedoch, hat sich nichts mehr geändert. Überall, wo er hinkam, betrieb er zur Existenzsicherung das Sammeln, Jagen und Fischen. Augenscheinlich wird dies, wenn man Berichte über das Leben heute noch existierender Eingeborenenstämme in Afrika und Südamerika liest und sieht, noch immer so betrieben. Bei diesen, in urgemeinschaftlichen Verhältnissen lebenden Menschen, haben sich viele der intuitiven und instinktiven Verhaltens-muster und Erfahrungen im Überlebenskampf erhalten. Der übrigen Menschheit sind diese Fähigkeiten verlorengegangen. Man kann den-noch davon ausgehen, dass vor allem die körperlichen Voraussetzungen der Menschen, wären sie von Kindheit an auf den Überle-benskampf gerichtet, gefordert und gefördert, regenerierbar sind. Und genau aus diesem Grund ist es sinnvoll, jedes menschliche Indi-viduum vom ersten Tag seiner Existenz an als ein Wesen zu betrachten, welches die körperli-chen Fähigkeiten unserer Vorfahren hat und die es gilt zu fördern, zu fordern und damit bewusst zu entwickeln. Bewusst im Sinne von Erzie-hung durch das persönliche und gesellschaft-liche Umfeld und das eigene Handeln. Auch wenn ich davon ausgehe, dass dies eine unrealistische Vorstellung ist, bleibt der soge-nannten zivilisierten Menschheit keine andere Wahl, als sich ernsthaft mit der Diskrepanz zwi-schen einem von jeglicher körperlichen Bela-stung befreiten und immer mehr auch so gewoll-ten Leben und dem Erbgut des Jägers und Sammlers auseinanderzusetzen. Die gegen-wärtigen, aber die künftigen Möglichkeiten der Medizin wahrscheinlich noch mehr, das Leben der Menschen weiter zu verlängern, sind, wenn man es genau betrachtet, in vielen Fällen die Verlängerung der Leiden und Gebrechen des Alters. Nun will ich auch hier Unwägbarkeiten im Leben eines jeden Individuums nicht aus-schließen, aber in der Masse könnte ein lebens-langer körperlich aktiver Lebensstil erfolgreich Lebensqualität und –erwartung positiv beein-flussen. Es kann schließlich nicht im Interesse des Gemeinwesens liegen, bei sinkenden Ge-burtenzahlen, immer älter werdender Bevölke-rung und immer weniger krankenversicherter Beschäftigter einen immer größer werdenden Anteil der Steuereinnahmen für Krankenfür-sorge im weiten Sinne auszugeben.
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