1 ...8 9 10 12 13 14 ...23 Wir waren indes bis an ein großes, prachtvolles Haus gekommen. Mein Begleiter zeigte es mir, als das Ziel unseres nächtlichen Spaziergangs. Wir gingen an dem Haupttor des Hauses vorbei, traten in eine kleine Pforte, die der Unbekannte sorgfältig hinter sich zumachte, und stiegen nun im Finstern eine enge Wendeltreppe hinan. Sie führte in einen spärlich erleuchteten Gang, aus welchem wir in ein Zimmer gelangten, das eine Lampe, die an der Decke befestigt war, erleuchtete.
In diesem Gemach stand ein Bett, in welchem der Leichnam lag. Der Unbekannte wandte sein Gesicht ab, und schien Tränen verbergen zu wollen. Er deutete nach dem Bett, befahl mir, mein Geschäft gut und schnell zu verrichten, und ging wieder zur Türe hinaus.
Ich packte meine Messer, die ich als Arzt immer bei mir führte, aus, und näherte mich dem Bett. Nur der Kopf war von der Leiche sichtbar, aber dieser war so schön, daß mich unwillkürlich das innigste Mitleiden ergriff. In langen Flechten hing das dunkle Haar herab, das Gesicht war bleich, die Augen geschlossen. Ich machte zuerst einen Einschnitt in die Haut, nach der Weise der Ärzte, wenn sie ein Glied abschneiden; sodann nahm ich mein schärfstes Messer, und schnitt, mit einem Zug, die Kehle durch. Aber welcher Schrecken! die Tote schlug die Augen auf, schloß sie aber gleich wieder, und in einem tiefen Seufzer schien sie jetzt erst ihr Leben auszuhauchen. Zugleich schoß mir ein Strahl heißen Blutes aus der Wunde entgegen. Ich überzeugte mich, daß ich erst die Arme getötet hatte; denn daß sie tot sei, war kein Zweifel, da es von dieser Wunde keine Rettung gab. Ich stand einige Minuten in banger Beklommenheit über das, was geschehen war. Hatte der Rotmantel mich betrogen? oder war die Schwester vielleicht nur scheintot gewesen? das letztere schien mir wahrscheinlicher. Aber ich durfte dem Bruder der Verstorbenen nicht sagen, daß vielleicht ein weniger rascher Schnitt sie erweckt hätte, ohne sie zu töten, darum wollte ich den Kopf vollends ablösen, aber noch einmal stöhnte die Sterbende, streckt sich in schmerzhafter Bewegung aus, und starb; da übermannte mich der Schrecken, und ich stürzte schaudernd aus dem Gemach. Aber draußen im Gang war es finster; denn die Lampe war verlöscht, keine Spur von meinem Begleiter war zu entdecken, und ich mußte aufs ungefähr mich im Finstern an der Wand fortbewegen, um an die Wendeltreppe zu gelangen. Ich fand sie endlich, und kam halb fallend, halb gleitend hinab. Auch unten war kein Mensch. Die Türe fand ich nur angelehnt, und ich atmete freier, als ich auf der Straße war; denn in dem Hause war mir ganz unheimlich geworden. Von Schrecken gespornt, rannte ich in meine Wohnung und begrub mich in die Polster meines Lagers, um das Schreckliche zu vergessen, das ich getan hatte. Aber der Schlaf floh mich, und erst der Morgen ermahnte mich wieder, mich zu fassen. Es war mir wahrscheinlich, daß der Mann, der mich zu dieser verruchten Tat, wie sie mir jetzt erschien, geführt hatte, mich nicht angeben würde. Ich entschloß mich gleich, in mein Gewölbe an mein Geschäft zu gehen, und wo möglich eine sorglose Miene anzunehmen. Aber ach! ein neuer Umstand, den ich jetzt erst bemerkte, vermehrte noch meinen Kummer. Meine Mütze und mein Gürtel, wie auch meine Messer fehlten mir, und ich war ungewiß, ob ich sie in dem Zimmer der Getöteten gelassen oder erst auf meiner Flucht verloren hatte. Leider schien das erste wahrscheinlicher, und man konnte mich also als Mörder entdecken.
Ich öffnete zur gewöhnlichen Zeit mein Gewölbe. Mein Nachbar trat zu mir her, wie er alle Morgen zu tun pflegte, denn er war ein gesprächiger Mann; »Ei, was sagt Ihr zu der schrecklichen Geschichte«, hub er an, »die heute nacht vorgefallen ist?« Ich tat, als ob ich von nichts wüßte. »Wie solltet Ihr nicht wissen, von was die ganze Stadt erfüllt ist? Nicht wissen, daß die schönste Blume von Florenz, Bianca, die Tochter des Gouverneurs, in dieser Nacht ermordet wurde. Ach! ich sah sie gestern noch so heiter durch die Straßen fahren mit ihrem Bräutigam, denn heute hätten sie Hochzeit gehabt.« Jedes Wort des Nachbars war mir ein Stich ins Herz; und wie oft kehrte meine Marter wieder, denn jeder meiner Kunden erzählte mir die Geschichte, immer einer schrecklicher als der andere, und doch konnte keiner so Schreckliches sagen, als ich selbst gesehen hatte. Um Mittag ungefähr, trat ein Mann vom Gericht in mein Gewölbe und bat mich, die Leute zu entfernen. »Signore Zaleukos«, sprach er, indem er die Sachen, die ich vermißt, hervorzog, »gehören diese Sachen Euch zu?« Ich besann mich, ob ich sie nicht gänzlich ableugnen sollte, aber als ich durch die halbgeöffnete Türe meinen Wirt und mehrere Bekannte, die wohl gegen mich zeugen konnten, erblickte, beschloß ich, die Sache nicht noch durch eine Lüge zu verschlimmern, und bekannte mich, zu den vorgezeigten Dingen. Der Gerichtsmann bat mich, ihm zu folgen, und führte mich in ein großes Gebäude, das ich bald für das Gefängnis erkannte. Dort wies er mir, bis auf weiteres, ein Gemach an.
Meine Lage war schrecklich, als ich so in der Einsamkeit darüber nachdachte. Der Gedanke, gemordet zu haben, wenn auch ohne Willen, kehrte immer wieder; auch konnte ich mir nicht verhehlen, daß der Glanz des Goldes meine Sinne befangen gehalten hatte, sonst hätte ich nicht so blindlings in die Falle gehen können. Zwei Stunden nach meiner Verhaftung, wurde ich aus meinem Gemach geführt. Mehrere Treppen ging es hinab, dann kam man in einen großen Saal. Um einen langen, schwarzbehängten Tisch, saßen dort zwölf Männer, meistens Greise. An den Seiten des Saales zogen sich Bänke herab, angefüllt mit den Vornehmsten von Florenz; auf den Galerien, die in der Höhe angebracht waren, standen, dicht gedrängt, die Zuschauer. Als ich bis vor den schwarzen Tisch getreten war, erhob sich ein Mann mit finsterer, trauriger Miene, es war der Gouverneur. Er sprach zu den Versammelten, daß er als Vater in dieser Sache nicht richten könne, und daß er seine Stelle für diesmal, an den ältesten der Senatoren, abtrete. Der älteste der Senatoren war ein Greis von wenigstens neunzig Jahren; er stand gebückt, und seine Schläfe waren mit dünnem, weißem Haar umhängt, aber feurig brannten noch seine Augen, und seine Stimme war stark und sicher. Er hub an, mich zu fragen: ob ich den Mord gestehe. Ich bat ihn um Gehör, und erzählte unerschrocken und mit vernehmlicher Stimme, was ich getan hatte, und was ich wußte. Ich bemerkte, daß der Gouverneur, während meiner Erzählung, bald blaß bald rot wurde, und als ich geschlossen, fuhr er wütend auf: »Wie, Elender!« rief er mir zu, »so willst du ein Verbrechen, das du aus Habgier begangen, noch einem andern aufbürden?« Der Senator verwies ihm seine Unterbrechung, da er sich freiwillig seines Rechtes begeben habe, auch sei es gar nicht so erwiesen, daß ich aus Habgier gefrevelt, denn nach seiner eigenen Aussage, sei ja der Getöteten nichts gestohlen worden. Ja, er ging noch weiter; er erklärte dem Gouverneur, daß er über das frühere Leben seiner Tochter Rechenschaft geben müsse. Denn nur so könne man schließen, ob ich die Wahrheit gesagt habe oder nicht. Zugleich hob er für heute das Gericht auf, um sich, wie er sagte, aus den Papieren der Verstorbenen, die ihm der Gouverneur übergeben werde, Rat zu holen. Ich wurde wieder in mein Gefängnis zurückgeführt, wo ich einen traurigen Tag verlebte, immer mit dem heißen Wunsch beschäftigt, daß man doch irgendeine Verbindung, zwischen der Toten und dem Rotmantel, entdecken möchte. Voll Hoffnung trat ich den andern Tag in den Gerichtssaal. Es lagen mehrere Briefe auf dem Tisch; der alte Senator fragte mich, ob sie meine Handschrift seien. Ich sah sie an, und fand, daß sie von derselben Hand sein müssen, wie jene beiden Zettel, die ich erhalten habe. Ich äußerte dies den Senatoren, aber man schien nicht darauf zu achten, und antwortete, daß ich beides geschrieben haben könne und müsse, denn der Namenszug unter den Briefen seie unverkennbar, ein Z, der Anfangsbuchstabe meines Namens. Die Briefe aber enthielten Drohungen, an die Verstorbene, und Warnungen vor der Hochzeit, die sie zu vollziehen im Begriff war.
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