Kristina Schwartz
Joe & Johanna
Fesselndes Erbe
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Inhaltsverzeichnis
Titel Kristina Schwartz Joe & Johanna Fesselndes Erbe Dieses ebook wurde erstellt bei
Widmung Widmung Für Erik B.
Prolog Prolog Gefesselt hat mich das Schreiben von Tagebüchern, seit ich denken kann. Heute, wenn ich nach Gründen suche, warum ich es tat und was mich daran so faszinierte, finde ich keine Antworten. Möglicherweise war es ein Bedürfnis tief in mir, das mich veranlasste Dinge niederzuschreiben, die andere weder träumen, schon gar nicht erleben durften. Meine intimsten Begegnungen und Gedanken habe ich meinen Tagebüchern anvertraut, in dem Wissen, dass ich das Geschriebene nie selbst lesen werde. Viele mögen die Art, wie ich meine Zeit hier verbrachte als anstößig, unmoralisch, vielleicht sogar pervers bezeichnen. Ein Albtraum auf Erden. Nur einmal, ich muss Mitte zwanzig gewesen sein, gab es eine Zeit, in der sich mir – das will ich nicht abstreiten – ebenfalls dieser Eindruck aufdrängte. Damals, das liegt nun schon gut vier Jahrzehnte zurück, war ich, und das hing keineswegs vom Standpunkt eines auch noch so wohlwollenden Betrachters ab, anders als das Gros der Frauen in meinem Alter. Anfangs dachte ich, es handle sich um eine verschleppte Pubertät, eine Geschmacksverirrung, die weit in mein drittes Lebensjahrzehnt hineinreichte und mich dort fest umklammert hielt. Darauf hoffend, dass sich dieser Zustand wieder legen würde, er nur eine vorübergehende Erscheinung war, ähnlich einer Verkühlung oder einer hartnäckigen Grippe, die sich verzweifelt an den zu malträtierenden Körper klammert, lehrte mich die Zeit jedoch etwas anderes. Dieses Gefühl des Andersseins verstärkte sich von Tag zu Tag und bald gab ich es auf, mich ihm entgegenzustellen. Ich fand mich damit ab; damit, auf allen vieren, auf den Holzdielen herumzukriechen, dabei nichts weiter als Strümpfe und hohe Absätze zu tragen, mich erniedrigen, quälen und verschnüren zu lassen und dabei die Lust zwischen meinen Beinen ungehemmt fließen zu lassen. Ich war eine sadomasochistische, nymphomanische Schlampe, zumindest in den Augen der Menge anders Denkender, die zu allem Überfluss noch die interimistische Leitung der hiesigen Volksschule inne hatte. Es war das Jahr 1956 und ich war gerade mal zweiunddreißig. Meinen Erinnerungen zufolge muss es irgendwann im Jänner jenes Jahres gewesen sein, als mir der erste jener ominösen Briefe in Haus flatterte, die ich anfangs für einen schlechten Scherz hielt und einfach ignorierte. Hätte ich gewusst, was ich mir damit selbst antat, hätte ich – Masochistin oder nicht – mit Sicherheit anders darauf reagiert. Aber im Nachhinein glaubt man ja stets, es besser zu wissen.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Impressum neobooks
Für Erik B.
Gefesselt hat mich das Schreiben von Tagebüchern, seit ich denken kann. Heute, wenn ich nach Gründen suche, warum ich es tat und was mich daran so faszinierte, finde ich keine Antworten. Möglicherweise war es ein Bedürfnis tief in mir, das mich veranlasste Dinge niederzuschreiben, die andere weder träumen, schon gar nicht erleben durften. Meine intimsten Begegnungen und Gedanken habe ich meinen Tagebüchern anvertraut, in dem Wissen, dass ich das Geschriebene nie selbst lesen werde. Viele mögen die Art, wie ich meine Zeit hier verbrachte als anstößig, unmoralisch, vielleicht sogar pervers bezeichnen. Ein Albtraum auf Erden. Nur einmal, ich muss Mitte zwanzig gewesen sein, gab es eine Zeit, in der sich mir – das will ich nicht abstreiten – ebenfalls dieser Eindruck aufdrängte.
Damals, das liegt nun schon gut vier Jahrzehnte zurück, war ich, und das hing keineswegs vom Standpunkt eines auch noch so wohlwollenden Betrachters ab, anders als das Gros der Frauen in meinem Alter. Anfangs dachte ich, es handle sich um eine verschleppte Pubertät, eine Geschmacksverirrung, die weit in mein drittes Lebensjahrzehnt hineinreichte und mich dort fest umklammert hielt. Darauf hoffend, dass sich dieser Zustand wieder legen würde, er nur eine vorübergehende Erscheinung war, ähnlich einer Verkühlung oder einer hartnäckigen Grippe, die sich verzweifelt an den zu malträtierenden Körper klammert, lehrte mich die Zeit jedoch etwas anderes. Dieses Gefühl des Andersseins verstärkte sich von Tag zu Tag und bald gab ich es auf, mich ihm entgegenzustellen. Ich fand mich damit ab; damit, auf allen vieren, auf den Holzdielen herumzukriechen, dabei nichts weiter als Strümpfe und hohe Absätze zu tragen, mich erniedrigen, quälen und verschnüren zu lassen und dabei die Lust zwischen meinen Beinen ungehemmt fließen zu lassen.
Ich war eine sadomasochistische, nymphomanische Schlampe, zumindest in den Augen der Menge anders Denkender, die zu allem Überfluss noch die interimistische Leitung der hiesigen Volksschule inne hatte. Es war das Jahr 1956 und ich war gerade mal zweiunddreißig.
Meinen Erinnerungen zufolge muss es irgendwann im Jänner jenes Jahres gewesen sein, als mir der erste jener ominösen Briefe in Haus flatterte, die ich anfangs für einen schlechten Scherz hielt und einfach ignorierte. Hätte ich gewusst, was ich mir damit selbst antat, hätte ich – Masochistin oder nicht – mit Sicherheit anders darauf reagiert. Aber im Nachhinein glaubt man ja stets, es besser zu wissen.
„Warum ist denn dein Freund nicht mitgekommen?“ Kalter Regen rieselte über ihren Rücken.
„Derzeit … also … ich habe derzeit keinen.“
Was meine sie damit? Liege die Betonung auf derzeit oder auf keinen? Eine so gutaussehende, junge Frau wie sie. Ärztin obendrein. Gut, so jung sei sie eigentlich auch nicht mehr. Wie alt sei sie eigentlich?
Zweiunddreißig.
Zweiunddreißig? Um Gottes willen! Sie werde noch als alte Jungfer enden, echauffierten sich zwei geriatrische Jungfern mit stockfleckigen Gesichtern.
Und wenn schon.
Hatte sie nicht einmal einen ... wie hieß er noch gleich?
Christoph, aber das sei lange her.
Vermutlich habe sie ihn wieder verkrault mit ihrer unmöglichen emanzipatorischen Art, hatten die verschrumpelten Alten sofort eine einleuchtende Erklärung parat.
Sie sei keineswegs emanzipatorisch, höchstens unmöglich, wollte Johanna schon antworten. Doch hätte es einen Sinn gehabt? Die Alten würden sie deshalb keinen Deut besser verstehen, würden nicht von unverschämten Meldungen Abstand nehmen, würden nicht aufhören, sich in ihre Angelegenheiten und ihr Leben einzumischen. Mit vorgetäuschter Gelassenheit versuchte sie auf das Voranschreiten der Zeit zu setzen. Hoffte, der Sekundenzeiger möge doch ihr zuliebe seinen gewohnten Rhythmus verlassen und zur Abwechslung etwas größere Sätze machen. Sollte sie nicht ohnehin relativ sein, die Zeit? Gewöhnlich betrachtete Johanna sie als Antagonistin, die hinter ihr herjagte wie das Finanzamt hinter den Steuersündern, und sich doch fortwährend ihrem Zugriff entzog. Die Feindin, die sich allein durch ihre Taten sichtbar machte, durch zarte Fältchen um die Augen und beginnende Fettansammlungen an den Oberschenkeln. Nun war sie zu ihrer Verbündeten geworden. Sie würde sich auf sie verlassen können. So wie immer. Nur dass es in diesem Fall zu ihrem Vorteil wäre.
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