1 ...8 9 10 12 13 14 ...21 „Mr. Dunaway? Mr. Bolder?“ begrüßt uns dieser und reicht uns nacheinander freundlich die Hand.
Der Mann ist mittleren Alters, hat rabenschwarzes Haar und eine schwarzumrandete Brille, wirkt aber sehr sympathisch.
„Guten Tag! Ich bin Dr. James Spector und habe Miss Dunaway soeben operiert. Mr. Bolder dürfte ich Sie bitten hinauszugehen, denn ich darf nur Angehörigen Auskunft erteilen.“ bittet er mich.
„Nein, das ist in Ordnung wenn Mr. Bolder hier bleibt. Ich möchte dass er mithört, er ist sozusagen der Verlobte meiner Tochter. Also was ist jetzt nun mit Saundra?“ wirft Lázló schnell ein.
„Gut, wie Sie möchten! Ihre Tochter hatte riesiges Glück! Äußerlich hat sie natürlich fast am ganzen Körper, vorwiegend auf der linken Seite, größere und kleinere Schürfwunden und Hämatome, welche aber ganz gut zu behandeln sind und kaum Narben hinterlassen werden.
Ansonsten hatte sie einen Milzriss, der bereits lebensbedrohlich war als sie hier eingeliefert wurde und sie wäre innerlich fast verblutet. Ihr Glück war nur, dass der Krankenwagen so schnell vor Ort war und wir sie noch rechtzeitig operieren konnten.
Allerdings musste ich einen Teil der Milz entfernen, was aber auf lange Sicht gesehen keine weiteren Probleme bereiten dürfte, zudem bekommt sie Bluttransfusionen wegen des hohen Blutverlustes.
Des Weiteren ist das Becken angebrochen, aber das ist im Weiteren nicht so schlimm als dass wir eingreifen müssten. Ein paar Wochen Bettruhe und danach eine krankengymnastische Maßnahme dürften völlig ausreichend sein.
Im Übrigen ist weiter nichts gebrochen, außer dass sie eine schwere Gehirnerschütterung hat die wir noch beobachten werden, damit sich kein Blutgerinnsel im Gehirn bildet.
Deshalb haben wir sie jetzt vorsichtshalber in ein künstliches Koma versetzt und werden von Zeit zu Zeit prüfen wann wir sie aufwecken werden.
Ihr Gesamtzustand ist im Moment zwar sehr ernst aber stabil und wir müssen sie zumindest nicht künstlich beatmen. Wenn Sie möchten können Sie jetzt kurz zu ihr, bitte kommen Sie!“ führt er aus, geht voran und biegt in einen anderen Gang ein, wo wir zunächst in einem Zimmer landen in dem wir unsere Hände desinfizieren, sterile Kleidung und einen Mundschutz anziehen müssen.
Danach führt er uns in ein Intensivzimmer wo ich zunächst auf das Tiefste erschrecke, Saundra liegt totenbleich mit geschlossenen Augen im Bett und ist an zahlreichen Maschinen angeschlossen.
Ihre Herztätigkeit, Blutdruck, Hirnströme und alles Mögliche werden damit ununterbrochen gemessen und gleichzeitig ausgewertet.
Neben dem Bett hängt ein Beutel in dem sich Flüssigkeit aus dem Katheter und ein Beutel in dem sich Blut und Wundwasser sammeln.
Über ihr sind verschiedene intravenöse Infusionsbeutel und eine Bluttransfusion an einer Stange angebracht, welche tropfenweise in ihren Arm laufen und ich traue mich kaum an ihr Bett zu treten, aber ich möchte so gern ihre Wange streicheln.
„Dr. Spector? Darf ich sie anfassen?“ frage ich mit trockenem Hals.
„Ja, natürlich kein Problem, ihre Hände sind ja desinfiziert. Sie sollten sie sogar anfassen und mit ihr sprechen. Komapatienten spüren die Zuwendung häufig, was den Heilungsprozess oftmals beschleunigt.“ belehrt er mich, knie mich neben das Bett und streichle vorsichtig ihre unverletzte Wange.
„Saundra, es tut mir so leid, ich wollte das nicht. Ich liebe dich doch noch immer.“ flüstere ich und wieder schießen mir Tränen in die Augen, die ich nur mit Mühe zurückhalten kann.
Lázló, der hinter mich getreten ist streichelt sacht ihren Arm und legt mir eine Hand auf die Schulter.
„Matt! Noch einmal, Sie dürfen sich keine Vorwürfe machen, sie ist ganz allein vor das Auto gelaufen!“ sagt er sanft.
„Ja, aber doch nur weil sie mir hinter her wollte, ich hätte sie nicht einfach stehen lassen dürfen.“ sage ich verzweifelt und lasse nun meinen Tränen freien Lauf.
„Nein, so dürfen Sie nicht denken! Sie waren völlig im Recht, außerdem können wir jetzt ohnehin nichts mehr daran ändern und Saundra wird wieder gesund werden, auch wenn wir Geduld haben müssen.“ tröstet er mich und ich nicke betreten.
„Wenn Sie möchten, dann können Sie auch hierbleiben Mr. Bolder! Ich besorge Ihnen gern ein zweites Bett, vielleicht ist das ganz gut für Sie beide, so wie ich das sehe.“ meldet sich Dr. Spector vorsichtig aus dem Hintergrund.
„Wenn das geht? Dann würde ich tatsächlich gerne bleiben, danke!“ sage ich überrascht, der Arzt nickt wohlwollend und verlässt das Zimmer.
„Ich werde jetzt erst einmal gehen, denn ich kann hier ohnehin nichts weiter ausrichten und am besten nach Saundras Wagen suchen. Darf ich dann kurz um Ihren Wohnungsschlüssel bitten, denn ich möchte mich mit dem Autofahrer in Verbindung setzen.“ raunt Lázló leise.
„Der ist im anderen Zimmer in meiner Jeans. Meine Adresse kennen Sie?“ frage ich zurück und er grinst.
„Selbstverständlich kenne ich die, schließlich sind Sie mein Angestellter auf den ich im Übrigen große Stücke halte, das musste auch einmal gesagt werden.“ sagt er, dreht sich damit um und lässt mich mit Saundra allein zurück.
Okay! Dr. Spector sagte man soll mit Komapatienten sprechen, aber was soll ich ihr denn sagen, außer dass mir alles wahnsinnig leid tut und während ich noch überlege schiebt ein Pfleger ein zusätzliches Bett ins Zimmer, welches er in geringem Abstand zu Saundras Bett stellt und mir zuflüstert.
„Ich bringe Ihnen noch etwas zu essen, wenn es Ihnen Recht ist? Sie haben doch bestimmt schon seit Stunden nichts mehr gegessen?!“ stellt er fest, wartet erst gar keine Antwort von mir ab und rauscht wieder davon.
Dabei fällt mir ein, dass ich eigentlich genau genommen seit gestern Mittag nichts mehr gegessen habe und verspüre erst jetzt den Hunger der meinem Magen augenblicklich eindeutige Geräusche abfordert.
Es dauert kaum zwei Minuten bis der Pfleger mit einem Kollegen wieder auftaucht, einen kleinen Tisch, einen Stuhl und ein Tablett mitbringt von dem ein köstlicher Duft strömt.
Als die beiden den Raum wieder verlassen hauche ich Saundra einen Kuss auf die Wange, setze mich an den Tisch und versuche erst einmal den Chili-con-Chicken-Auflauf zu genießen, aber nach ein paar Löffeln fühlt sich mein Magen wie zugeschnürt an und ich decke das Tablett wieder ab.
Den Stuhl mitnehmend setze ich mich neben Saundras Bett, halte ihre Hand und erzähle einfach darauf los was ich den letzten neun Wochen gemacht habe und wie sehr ich mich nach ihr gesehnt habe.
Dass ich gelitten habe wie ein Hund, weil sie mich einfach so abserviert hat und wie tief verletzt ich darüber war.
Nur deshalb war ich so abweisend zu ihr, weil ich nicht wollte, dass ich diesen Schmerz noch einmal durchmachen muss.
Viertelstündlich schaut eine Schwester mit ernstem Gesicht vorbei, um die Monitore zu überprüfen und Saundras Augenlinsen zu kontrollieren.
Offenbar arbeitet sie den ganzen Tag im sterilen Bereich, denn sie kommt immer durch eine andere Tür, als jene durch die wir den Intensivraum betreten haben.
So geht das den ganzen Tag, ich erzähle Saundra mein Leben nach Palenque und die Schwester schaut akribisch genau alle fünfzehn Minuten nach ihr.
Offensichtlich ist Saundras Zustand doch ernster als uns Dr. Spector zugestand.
Verdammt!
Wieder beschleicht mich die Angst, dass sie doch noch sterben könnte, aber ich wage es nicht mehr mir das auszumalen und als es am Spätnachmittag gegen fünf Uhr p.m. bereits dunkel wird kommt Lázló endlich zurück.
Wortlos aber fragend blicke ich ihn an, drücke Saundras Hand etwas fester und er kommt kopfschüttelnd auf mich zu.
„Eine endlose Sucherei nach dem Scheißkarren, ich habe mir fast die Füße wund gelaufen und Seitenstraße ist gar kein Ausdruck für den Ort wo sie den Wagen geparkt hatte.
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