Ein Trugschluss!
Nur deshalb ist das Ganze passiert, weil ich ihr nicht zugehört habe und sie mir hinterher laufen wollte…“ sage ich traurig und unterdrücke abermals Tränen als ich an den dumpfen Schlag durch den Aufprall auf das Auto denke.
„Erst heute habe ich von ihrem Vater von dem heftigen Streit mit ihm erfahren, welcher erst stattgefunden hat nachdem wir uns so abrupt getrennt haben.
Somit hat sie mir gestern und heute Morgen offenbar doch die Wahrheit gesagt und sie liebt mich vielleicht tatsächlich!
Dr. Spector, meine Gefühle fahren schon den ganzen Tag Achterbahn und ich weiß nicht mehr wo mir der Kopf steht, ich möchte nur noch eines, nämlich dass sie wieder aufwacht und wir uns aussprechen können.
Bitte! Sir! So darf es einfach nicht zu Ende gehen! Ich würde meines Lebens nicht mehr froh werden und mir ewig Vorwürfe machen, wenn…“
In dem Augenblick erscheint Lázló wieder und Dr. Spector führt mich wortlos an ihm vorbei in Saundras Krankenzimmer, drückt mich auf das leere Bett und setzt sich vor mich auf den Stuhl, wobei er einen ernsten Gesichtsausdruck annimmt.
„Das hört sich aber gar nicht gut an, das heißt Sie leiden also schon seit über zwei Monaten unter heftigem Liebeskummer und nun fühlen Sie sich auch noch schuldig an ihrem Unfall?“ fragt er sanft.
Bekümmert zucke ich mit den Schultern und hauche nur „Ja!“
Dr. Spector strafft sich und seufzt tief.
„Das gefällt mir gar nicht! Sagen Sie, neigen Sie eigentlich zu Depressionen Mr. Bolder?“
„Nein eigentlich nicht, aber die ganze Sache mit Saundra nimmt mich irgendwie fürchterlich mit und jetzt auch noch dieser Unfall … bitte Dr. Spector, sie muss überleben. Ich liebe sie doch so sehr.“ flehe ich ihn an.
„Das kann ich Ihnen im Moment noch nicht versprechen, aber wir werden alles in unserer Macht stehende tun, dass Miss Dunaway wieder gesund wird und ihr derzeitiger Zustand sieht sehr vielversprechend aus.
Aber im Moment mache ich mir mehr Sorgen um Sie.“ sagt er mitfühlend, zieht die Augenbrauen nach oben und schaut mich erwartungsvoll an.
„Um mich? Das müssen Sie nicht!“ schüttle ich leicht den Kopf und seufze tief.
„Ich schaffe das schon ... irgendwie! Ich will nur, dass Saundra bald aufwacht und es ihr wieder gut geht. Das ist alles!“
„Es kommt mir nur leider nicht so vor! Ich werde Ihnen heute Abend ein Beruhigungsmittel geben, damit Sie besser schlafen können und ich wäre Ihnen im Übrigen sehr dankbar, wenn ich Sie dazu überreden könnte morgen Vormittag mit unserm Psychotherapeuten zu sprechen.“ sagt er sanft und macht eine abwehrende Handbewegung.
„Nur ein kurzes Gespräch, bitte! Ich möchte nicht, dass sich das Ganze bei Ihnen zu einer echten Depression auswächst, denn das ist wirklich keine schöne Krankheit und ich sehe bei Ihnen leider die ersten Anzeichen dafür!
Bitte, Mr. Bolder! Ich will Ihnen bestimmt nichts Böses und ich kann verstehen, dass Sie sich im Moment in einem totalen Gefühlschaos befinden, deshalb lassen Sie sich helfen. Bitte!“ sagt er einfühlsam und nach einem kurzem Nachdenken nicke ich zustimmend.
„Aber ich will keine Schlaftabletten, ich will bei Saundra sein und sie ansehen, sie streicheln und mit ihr reden! Ich will nicht schlafen, ich muss doch da sein, wenn sie wach wird.“ sage ich fast abwesend.
„Aber das können sie doch! Wie gesagt, es ist nur ein Beruhigungsmittel und falls Sie doch einschlafen sollten, was allerdings auch ganz wichtig wäre, dann wird eine Schwester die ganze Nacht ununterbrochen hier sitzen und auf ihre Saundra aufpassen, sie wird jede Regung mitbekommen.
Wach werden wird Miss Dunaway ohnehin erst, wenn ich den richtigen Zeitpunkt dafür für gekommen halte und der wird sicher nicht heute Nacht sein. Also entspannen Sie sich etwas und versuchen Sie wirklich etwas zu schlafen, das würde Ihnen sicher gut tun.
Wir sehen uns dann später noch einmal nach dem Dinner.“ führt er aus, erhebt sich und verabschiedet sich zunächst mit einem leichten Händedruck.
Verwirrt lege ich mein Gesicht in beide Handflächen, was war das jetzt?
Depressionen?
Ich doch nicht!
Alles was ich habe ist ein wenig Liebeskummer und ja, ich mache mir Vorwürfe wegen dem Unfall, aber das sind doch noch lange keine Depressionen.
Naja, wenn er unbedingt meint dann rede ich halt mit dem Psychoklempner damit er Ruhe gibt.
Während ich noch so überlege und wie verloren auf dem Bett sitze erscheint wieder ein Pfleger, der ein Tablett mit dem Dinner auf den kleinen Tisch stellt, mir aufmunternd zulächelt und wortlos wieder verschwindet.
Essen?!
Wehmütig denke ich an Miguel und sein Chilifass zurück und damit hat mich die Vergangenheit endgültig wieder eingeholt, aber das Chilifass wird mir hier bestimmt nicht begegnen.
Langsam lasse ich mich vom Bettrand rutschen und setze mich erst einmal auf den Stuhl neben Saundras Bett, nehme behutsam ihre Hand und hauche einen sanften Kuss darauf.
„Weißt du noch Saundra als du mit der fürchterlich scharfen Barbacoa in meinem Zelt aufgetaucht bist und ich mich zuerst völlig unbeholfen angestellt habe sie zusammenzustellen und dann das Gefühl hatte, Miguel will mich von innen her verbrennen mit seiner geliebten Chili …?“
Scheiße!
Wieder kommen mir die Tränen bei dem Gedanken daran, wie fröhlich sie an diesem Tag war und wie sie sich mit mir gefreut hat, dass es mir nach der Vergiftung etwas besser ging.
Sie war damals eigentlich in der gleichen Lage wie ich jetzt, nur wusste sie zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass sie möglicherweise echte Liebe für mich empfindet.
„Saundra! Bitte!“ flüstere ich und versinke in meinen Gedanken, als sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter legt und ich mich erschrocken umdrehe.
„Dr. Spector?“
„Sie haben wieder nichts gegessen.“ stellt er tadelnd fest.
„Obwohl ich wohlwollend feststellen muss, dass Sie wenigstens vor Erschöpfung eingeschlafen sind.“
Überrascht reibe ich mir kurz die Augen.
„Was? Eingeschlafen? Das kann nicht sein?“ rufe ich entsetzt, sehe auf meine Armbanduhr und es ist tatsächlich mehr als eine Stunde vergangen.
„Sie setzen sich jetzt augenblicklich an diesen Tisch und essen unter meiner Aufsicht dieses verdammte Sandwich, damit Sie mir nicht auch noch zusammenklappen.
Danach wird Schwester Loredana die gesamte Nachtwache übernehmen, damit Sie sich ausgiebig ausschlafen können.“ befiehlt er regelrecht, so dass mir gar nichts anderes übrig bleibt als lustlos dieses mit Putenstreifen belegte Sandwich in mich hinein zu stopfen und mich danach auf dem Bett nieder zu lassen, wo Dr. Spector mir die angekündigte Spritze in den Arm rammt.
Es dauert kaum fünf Minuten als mir auch schon die Augen zufallen und die Dunkelheit wie eine riesige schwarze Hand nach mir greift.
Der Duft von frischem Kaffee weckt mich am nächsten Morgen und ich stelle fest, dass ich die ganze Nacht einen traumlosen Schlaf hatte, sehr ungewöhnlich nach so einem aufregenden Tag!
„Guten Morgen! Haben Sie gut geschlafen?“ begrüßt mich Schwester Loredana freundlich, doch ich hüpfe zunächst benommen aus dem Bett und sehe zuerst nach Saundra, aber sie liegt immer noch genauso da wie gestern Abend.
„Ja, danke!“ antworte ich der Schwester.
„Hat sich bei Saundra irgendetwas verändert?“ frage ich etwas taumelig und reibe mir die Augen.
„Es ist alles in bester Ordnung Mr. Bolder. Ihr Zustand ist weiter stabil, alle Vitalfunktionen sind in Ordnung und das Blutbild nähert sich langsam dem Normbereich. Sie müssen sich keine Sorgen machen.“ lächelt sie.
„Frühstücken Sie erst einmal in aller Ruhe und ich übergebe unterdessen den Dienst an meine Kollegin, die Sie ja gestern schon kennengelernt haben.“
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