Tom J. - Eine unglaubliche Entwicklung
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Eine unglaubliche Entwicklung
Tom J.
Roman
Es beeindruckte mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich so im Vorbeifahren unsere gesamte Anlage unterhalb der Autobahn im Industriegebiet liegen sah und ich war mir absolut sicher, dass es vielen anderen Leuten ebenso erging.
Dabei musste ich stets an den Anfang vor mehr als 20 Jahren denken, als ich nach langjähriger Tätigkeit bei einer deutschen Spedition mit längeren Aufenthalten in den verschiedensten Ländern Europas wieder nach Salzburg zurückkam und hier die gerade vakante Leitung der Spedition Bammer übernahm.
Die damalige berufliche Rundreise führte mich im Auftrage meiner deutschen Stammfirma nach England, Frankreich, Spanien und Italien, wo ich stets mehrere Jahre verbrachte und verantwortungsvolle Positionen einnahm. Neben meinen ganzen beruflichen Erfahrungen, die ich dabei sammelte, lernte ich stets auch die jeweiligen Sprachen in Wort und Schrift.
Dies kam mir bei meinem Antritt in Salzburg sehr zugute, denn hier mangelte es vor allem an internationalen Verbindungen, welche ich zügig ausbauen wollte. Bammer war ein alt eingesessener, österreichischer Speditionsbetrieb mit einer Zentrale in Wien und Filialen in allen Landeshauptstädten. Alles in dieser Firma gab sich sehr traditionell und man stand Neuerungen stets sehr skeptisch gegenüber. Dies hatte über die Zeit zur Folge, dass der Betrieb von Jahr zu Jahr weniger verdiente und schlussendlich sogar in die roten Zahlen schlitterte.
Die Filialen, welche alle über eine Größe von 20 bis 50 Personen verfügten, mühten sich sehr das Unvermeidliche abzuwenden, aber die unflexible Art der Führung in Wien mit ihrer aufgeblähten Verwaltung und einem Personalstand von insgesamt 400 Beschäftigten wog zu schwer. Man agierte zwar in Wien in fast allen Speditionssparten, arbeitete aber wegen veralteter Methoden durchwegs nicht rentabel.
Unsere Filialen wiederum handelten gezielter mit Schwerpunkten in den verschiedensten Bereichen und erwirtschafteten jeweils bescheidene Gewinne. Dies alles half jedoch nicht, die jährlich steigenden Verluste der gesamten Firma auszugleichen. So kam es, dass sich immer öfter Leute für unsere Firma zu interessieren begannen. Jedenfalls hatte ich stets diesen Eindruck, wenn die Wiener Leitung wieder mit fremden Personen unsere Filiale inspizierte. Mir wurde klar, dass früher oder später ein Verkauf unausweichlich sein würde, sofern es überhaupt gelingen sollte, einen passenden Käufer zu finden.
Ich hoffte dies natürlich in meinem eigenen Interesse und dem meiner Kollegen sehr, da wir alle gemeinsam in den letzten Jahren aus der kleinen, verschlafenen Filiale einen funktionierenden Speditionsbetrieb mit respektablen Resultaten geschaffen hatten. Wir entwickelten uns, anfangs sogar gegen den Willen der Zentrale in Wien, zu einer weitgehend eigenständigen Firma mit zwar kleinen, aber guten Sammelgutverbindungen nach Deutschland, England, Frankreich, Spanien, Italien, verschiedenen Balkanländern und vereinzelten Ostblockstaaten, wobei der Schwerpunkt bei diesen Verkehren stets auf dem Import lag.
Weiters baute unser Disponent Ivo, ein eingebürgerter Kroate aus Zagreb, eine Charterabteilung auf, die sich wirklich sehen lassen konnte und die über die Grenzen hinaus bekannt war. Wir arbeiteten sehr eng mit unseren anderen Filialen zusammen und unterstützten uns gegenseitig, wo wir nur konnten. Am Ende disponierten wir von Salzburg aus den gesamten täglichen Warenfluss zwischen unseren Häusern in Österreich. Alles in allem klappte es in unserem kleinen Team sehr gut und wir stellten sowohl unseren bescheidenen Kundenkreis als auch unsere internationalen Partner stets vollauf zufrieden.
Unsere Zentrale in Wien hingegen kochte weiterhin ihre eigene Suppe und bediente sich unserer Dienste nur, wenn es gelegen kam oder wenn es keine andere Möglichkeit gab. Dies führte sogar dazu, dass wir in der Nähe von Wien immer häufiger mit einer anderen, neutralen Spedition zusammenarbeiteten mussten, um unsere Kunden zufriedenstellen zu können oder auch nur, um ausreichend Rückladungen für unsere eingesetzten Lkws zu bekommen. Unser Wiener Haus wusste von dieser Zusammenarbeit, interessierte sich aber nicht weiter dafür und hatte somit auch nichts dagegen einzuwenden.
Als nun wieder eine Delegation aus Wien mit einem potentiellen Käufer erschien, lief es diesmal etwas anders ab wie sonst. Die Interessenten schienen aus England zu kommen und informierten sich sehr genau über unsere Tätigkeiten. Besonders ein Mann aus England, vermutlich der Chef des Unternehmens oder zumindest der Verantwortliche der Gruppe, befasste sich sehr lange mit mir persönlich und ließ sich alles bis ins letzte Detail zeigen und erläutern.
Unsere kleine Firma schien ihm zu gefallen, wobei ihm besonders die Vielfalt unserer Tätigkeiten zusagte. Die Lage Salzburgs als Verteilungsplattform für eintreffende internationale Verkehre entsprach wohl ebenfalls seinen Vorstellungen oder Plänen. Er hatte sogar seinen Unternehmensberater mitgebracht, der sich gleichfalls sehr genau über alles informierte. Ich hoffte insgeheim, dass es diesmal mit dem Verkauf klappen würde, da mir diese Leute aus England durchaus sympathisch erschienen und ich mir eine Zusammenarbeit mit dem Leiter der Delegation gut vorstellen konnte. Aber wir stellten ja nur einen kleinen Teil unserer Firma dar und die Entscheidung würde sicherlich in Wien fallen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass diese Leute aus England genau so etwas wie uns hier bereits seit Längerem suchten.
Ein unglaubliches Angebot
Es dauerte ganze drei Monate, bis wir aus Wien die Nachricht über den abgewickelten Verkauf erhielten. Erfreulicherweise war es tatsächlich diese englische Firma mit dem Namen EUROLOG, die uns übernahm. Es handelte sich dabei um einen europäischen Speditionskonzern mit Sitz in London und Niederlassungen in Großbritannien, Irland, Holland, Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal und Italien.
Man hatte sich dort entschlossen, auch den österreichischen Markt zu bedienen und daher eine bestehende Organisation mit Filialen in allen Bundesländern gesucht. Angesichts der finanziellen Lage unserer Firma dürfte der Preis nicht allzu hoch gewesen sein. Aber das interessierte mich weniger, als die Tatsache, wie es nun mit uns weitergehen würde.
Ich war äußerst überrascht, als mich jener Engländer, der sich mit mir damals länger unterhalten hatte, persönlich anrief und nach London einlud. Das Treffen fand eine Woche später statt und John Dare, so hieß der Eigentümer des gesamten Unternehmens, stellte mich seinen führenden Mitarbeitern und auch den einzelnen Länderchefs vor. Er hatte sich entschieden, Salzburg zur Zentrale und Drehscheibe der österreichischen Organisation auszubauen. Aufgrund meiner bisherigen Tätigkeiten und vor allem auch wegen meiner langjährigen Auslandserfahrung wollte er mir die Leitung von Österreich übertragen.
Mich überraschte dieses Angebot natürlich sehr, nahm es aber ohne auch nur einen Moment zu zögern an. Ich kannte von früher her gesunde Speditions-Organisationen und schien mir sicher, hier in so einer aufgenommen worden zu sein. Die Leute, allen voran John Dare, der etwa gleich alt wie ich war, schienen äußerst kompetent und umgänglich zu sein. Das Eis schmolz vollends, als die Länderchefs merkten, dass sie sich mit mir fast in allen ihren Landessprachen unterhalten konnten und dass ich tatsächlich auch einige Jahre in den meisten ihrer Länder verbracht hatte.
Man beabsichtigte also, die einzelnen Filialen in Österreich den zukünftigen Anforderungen anzupassen und gegebenenfalls auch auszubauen. In Wien wollte man den bisherigen Standort im Stadtgebiet aufgeben und in Autobahnnähe an den Stadtrand übersiedeln. In Salzburg schien die bestehende Anlage für das Vorhaben ebenfalls viel zu klein und man sah daher auch hier die Errichtung einer neuen Zentrale mit ausreichender Umschlagfläche vor.
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