Dr. Rainer Schneider - Wege aus der Angst. Psychologische Ursachen und praktische Lösungen

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Angst ist eine Emotion, die jeden begleitet und der keiner entfliehen kann. Doch es fällt in zunehmendem Maße auf, dass es immer mehr Menschen schwer fällt, mit Ängsten richtig umzugehen. Der richtige Umgang mit Ängsten ist aber wichtig, weil sie auf Dauer krank machen können. Dieser Ratgeber zeigt zweierlei: Erstens, welche Ängste man (getrost) nicht ernst nehmen sollte. Zweitens, wie man Ängste nutzen kann, um die eigene Persönlichkeit weiter zu entwickeln. Was diesen Ratgeber von anderen unterscheidet, ist, dass er erklärt, warum Angst und Angstzustände psychologisch richtig verstanden werden müssen. Denn die verursachenden Quellen sind bei unterschiedlichen Ängsten ganz verschieden. Kennt man die psychologischen Quellen, kann man Ängste dauerhaft auflösen. Alles, was dazu nötig ist, ist etwas Fleiß und Motivation. Dieses E-Book gibt dem Leser die Möglichkeit festzustellen, wie groß eigene Ängste sind, und welche Quellen sie haben. Wer seine Ängste genauer verstehen will, kann sich in die tiefere Analyse der entsprechenden Verursachungsprinzipien einlesen. Wem dies zu theoretisch bzw. zu komplex ist, der kann direkt in fünfzehn verschiedenen Übungen lernen, mit der eigenen Angst praxisnah umzugehen und sie zu überwinden.

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Wege aus der Angst. Psychologische Ursachen und praktische Lösungen

Von Dr. Rainer Schneider

Wege aus der Angst. Psychologische Ursachen und praktische LösungenDr. Rainer Schneider Copyright: © 2013 Dr. Rainer Schneider published by: RECON - Research and Consulting ISBN 978-3-8442-5637-6

Dank

Ich danke Manuela Daum für Ihre hilfreiche und konstruktive Kritik bei der Korrektur des Buchmanuskripts. Ihrem aufmerksamen Auge ist es zu verdanken, dass der Inhalt dieses Buches anwenderfreundlicher und verständlicher wurde. David Lochmann danke ich für die professionelle Gestaltung des Buchcovers.

Inhalt

1. Einleitung. 4

2. Messer, Gabel, Scher‘ und Licht….. 14

3. Wenn einer keine Angst hat, hat er keine Phantasie. 23

3. Vom Mess-Verständnis zum Miss-Verständnis (und wieder zurück) 31

4. PSI-Theorie: Eine Blaupause der Persönlichkeit 39

5. Fünf Quellen der Angst 50

6. Angst: Eine kurze Rekapitulation. 60

7. Der Griff in den psychologischen Methodenkoffer: Übungen gegen die Angst 67

8. Schlussbetrachtung: Angst ist für die Seele ebenso gesund wie ein Bad für den Körper 91

9. Literatur 98

10. Abbildungsverzeichnis. 102

1. Einleitung

Liebe Leserin, lieber Leser,

In letzter Zeit häufen sich alarmierende Berichte von Gesundheitsorganisationen, denen zufolge psychische Erkrankungen, darunter angstbedingte, in der Bevölkerung immer mehr zunehmen. Die Hiobsbotschaften werden meistens im Wesentlichen im Hinblick auf wirtschaftliche und finanzielle Implikationen diskutiert und weniger in Bezug auf psychologischen Konsequenzen für die Betroffenen. Das dürfte in einer vom Leistungs- und Wachstumsgedanken getriebenen Gesellschaft nicht weiter verwundern. Aber die Statistiken zeichnen gleichwohl ein besorgniserregendes Szenario: Der Anteil der Menschen, der aufgrund angstbedingter Symptome nicht oder nur noch eingeschränkt berufsfähig ist, steigt derzeit um satte 10-15%! Jenseits von wirtschaftlichen und finanziellen Implikationen zeigen solche Quoten vor allem eines: In unserer Gesellschaft werden mehr und mehr Menschen durch Broterwerb krank. Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen! Wenn Arbeit entfremdet, muss Einiges im Argen liegen.

Wie kann es passieren, dass Menschen unter Arbeit leiden, ja, sogar Angstzustände entwickeln?

Antworten gibt es sicher viele. Aber das Beispiel Angst zeigt, dass es sehr vielschichtige Konsequenzen hat. Denn auf eine länger andauernde Angstperiode folgt oft eine Krise. Ist dies nicht der Fall, erfahren die Betroffenen zumindest eine spürbare Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität. Und bei der Angst an sich bleibt es selten, denn es folgen oft weitere psychische bzw. psychosomatische Erkrankungen wie z.B. Depressionen.

Im Beispiel berufsbezogene Angst sind die Ursachen mannigfaltig. Da ist die Angst vorm Versagen; das hat mit Leistungsdruck zu tun. Die Angst vor Mobbing hat mit zwischenmenschlichem Umgang zu tun (aber auch mit Konkurrenz). Und da ist Angst vor Fremdkontrolle durch die Arbeitsbedingungen, was das menschliche Bedürfnis nach Autonomie anspricht. Wenn man nun bedenkt, dass Einiges zusammenkommen muss, bis Menschen vor der eigenen Angst kapitulieren, dann steht es um die Arbeitswelt noch viel schlimmer. Die Zahlen, von denen wir hören, spiegeln also nur den Gipfel des Eisbergs wider. Man kann getrost annehmen, dass noch viel mehr Menschen von Angst am Arbeitsplatz betroffen sind. Noch halten sie einfach wacker durch.

Das Beispiel der Angst am Arbeitsplatz ist nur eines von vielen. Ich habe es zum Einstieg aus einem ganz bestimmten Grund gewählt, der bei fast jeder anderen Form der Angst mitspielt. Die Frage, die sich einem nämlich unweigerlich geradezu aufdrängt ist:

Warum ziehen Ängste überhaupt solche weitreichende Konsequenzen nach sich?

Angst ist ja eine Grundemotion, die wir seit Jahrtausenden erleben. Wäre es nicht logisch anzunehmen, dass wir uns an sie gewöhnt und gelernt haben, mit ihr umzugehen? Angst entsteht weder als völlig neue Emotionsqualität, noch als völlig seltenes Ereignis. Niemand wacht morgens auf und erlebt Angst als eine überraschende Emotion. Angst begleitet uns schon in den ersten Lebensmonaten und währt nicht selten bis zum letzten Atemzug. Ein Leben ohne sie gibt es eigentlich nicht. Und wenn doch, dann nur für einige wenige Menschen, z.B. jene, die Angst aus neurobiologischen Gründen nicht erleben können. Und dieses Menschen sind eigentlich nicht zu beneiden, denn sie bringen sich und andere oft in Gefahr, weil sie Risiken nicht einschätzen können und Leib und Leben aufs Spiel setzen.

Und doch bleibt die Frage: Warum tut sich die überwältigende Mehrheit der Menschen eigentlich so schwer, Angst zu verstehen, geschweige denn zu bewältigen?

Der Grund klingt banal, hat aber komplexe biologische Ursachen. Es ist ein Grundprinzip in der Natur, dass Lebewesen sich Positivem zu- und Negativem abwenden. Nur so ist Überleben überhaupt möglich. Zahlreiche Emotionen und Verhaltensformen, die wir heute haben, entwickelten sich zu einer Zeit, in der das nackte Überleben an der Tagesordnung war. Unsere Emotionen spielten hierbei eine wichtige Rolle und tun es auch heute noch. Emotionen sind Signale, die uns anzeigen, wie wir uns zu verhalten haben. Nun ist Angst negativ besetzt. Das heißt nichts anderes, als dass ihr Erleben unangenehm ist. Angst zu erleben, macht, salopp gesprochen, keinen Spaß. Zumindest für ein bestimmtes Maß an Angst trifft das zu, denn es gibt Formen, die dieses Grundprinzip relativieren. Wir alle kennen z.B. den Nervenkitzel bei einem Abenteuer…

Angst ist, wie Psychologen das nennen, aversiv (Aversion = Ablehnung, Abneigung) und löst somit nahezu reflektorisch vermeidendes Verhalten aus. Ein aversiver Reiz zeigt eine mögliche oder reale Bedrohung oder Gefahr an. Die logischste Reaktion auf Angst ist Schutz. Schutz durch Flucht oder durch Angriff. Manche geängstigte Menschen werden deswegen aggressiv. Statt auszuweichen, gehen sie in die Offensive. Das ist sogar die natürlichste Alternativreaktion der Wahl, wenn Vermeiden nicht möglich ist. Bei Tieren ist das nicht anders: Wenn sie in die Enge gedrängt werden, gehen sie zum Angriff über. Tiere sind sich ihrer Beweggründe nicht bewusst (mit Ausnahme mancher Primaten), doch auch viele Menschen merken gar nicht, dass sie aus Furcht aggressiv werden. Wahrscheinlich, weil sie sich die Angst nicht eingestehen oder weil das Zeigen von Angst verpönt ist. So mancher Wutangriff ist es wert, einmal hinsichtlich seiner Verursachung einmal genauer durchleuchtet zu werden…

Beide Mechanismen, Vermeiden wie Aggression, sind also phylogenetische (stammesgeschichtliche) Anpassungsmuster, die auf den gleichen Mechanismus zurückgehen. Bei Angst fährt das körpereigene autonome Alarmsystem hoch. Unter Angst durchlaufen wir eine Körperschleife, die dazu dient, die Sinne zu schärfen, bestimmte Hormone wie Adrenalin auszuschütten, Muskeln mit Energie zu versorgen usw. Ob man auf Angst mit Flucht oder Angriff reagiert, ist dabei zunächst nicht entscheidend; Angst dient wie angesprochen in erster Linie dem Selbstschutz. Rein teleologisch (zweck-, zielbezogen) betrachtet ist sie somit von großem evolutionsbiologischem Wert.

Psychologen schreiben Angst noch mindestens eine weitere Funktion zu, die ausschließlich auf uns Menschen beschränkt ist. Sie hat mit unserem Intellekt, unserem Bewusstsein, der Komplexität unsere Psyche und unserer Fähigkeit, die Umwelt gestalten zu tun. Angst bzw. der richtige Umgang mit ihr, ermöglicht das, was Psychologen persönliches Wachstum oder persönliche Reife nennen.

Das kann man sehr gut bei Kindern sehen, wenn sie z.B. lernen, eigene Hemmschwellen zu überwinden. Jeder kann sich gut daran erinnern, wie er zum ersten Mal auf ein Fahrrad stieg und Angst hatte, hinzufallen. Über die Welt und sich lernen, heißt tatsächlich oft, Angst auszuhalten. Man kann sogar so weit gehen und sagen, dass Angst eine Vorbedingung für die Reifung der Persönlichkeit ist (1, 2). Reife Persönlichkeiten haben gelernt, sich ihrer Angst zu stellen und sie in das Selbstsystem zu integrieren. Sogenannte „flache“ Persönlichkeiten (dazu gehören auch oberflächlich selbstbewusste) tun das eher nicht.

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