Der vernünftige Umgang mit der Angstquelle ist somit ein erster Schritt, der helfen kann, Ängste in den richtigen Zusammenhang zu stellen. Das geht alleine dadurch, dass man die betreffenden Sachverhalte relativiert. Hat man sich erst einmal klargemacht, wie groß eine bestimmte Wahrscheinlichkeit ist, dass diese oder jene Gefahr wirklich besteht, verliert die Angst schnell einen Großteil ihres Potentials. Bekanntlich macht ja gerade Alternativlosigkeit besonders Angst (und diese Vokabel wird auch gerne in der Politik genutzt). Alternativlosigkeit heißt, etwas nicht vermeiden zu können. Damit wird der eine propagierte Lösungsweg zum Königsweg; alle anderen müssen zwangsläufig ins Verderben führen. Das ist der psychologische Trick hinter dieser Form der Angstinduktion, gleichzeitig aber auch die Lösung. Alternativen geben Handlungsfreiheit und diese reduziert Angst!
Es lohnt sich, einmal genauer hinzuschauen, warum solche „diffusen“ Ängste in Stärke und Ausmaß immer mehr zunehmen. Eine Umwelt voller Gefahren muss irgendwann dazu führen, dass die Welt nur noch durch die Angstbrille wahrgenommen wird. Hier ist die Schweinegrippe wieder ein gutes Beispiel. Ein tödliches, sich schnell und vermeintlich unkontrollierbar ausbreitendes Virus eignet sich sehr gut, vor allem tendenziell ängstliche Menschen auf Angst zu primen. Sogenannte Primes sind vorgeschaltete Reize, die die Wahrnehmung verändern. Und Primes sind sehr wirkmächtig. In Experimenten macht man das so: Man bietet Personen z.B. einen negativen Prime-Reiz dar, bevor eine sonst neutrale Information verarbeitet werden soll. So ein negatives Prime-Wort kann z.B. das Wort traurig sein. Die meisten Personen beurteilen dann diese an sich neutrale Information prompt eher negativ. Dieser Mechanismus kann sich innerhalb weniger Millisekunden abspielen, sogar unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Ohne es zu merken, ändern Primes die Bedeutung des Wahrgenommenen (28).
Sie werden sich vielleicht immer noch fragen, warum ich so relativ ausführlich auf induzierte Ängste eingehe. Gehören Sie überhaupt in einen Angstratgeber? Möglicherweise plagen Sie ganz persönlich völlig andere, gleichsam „echte“ Ängste.
Man kann natürlich unterschiedliche Angstformen unterscheiden. Angst vor öffentlichen Orten fühlt sich anders an als Angst beim Schauen von Gruselfilmen. Ich habe jedoch bereits darauf verwiesen, dass verschiedene Ängste zumindest neurobiologisch gesehen identisch sind: Sie entstehen in den gleichen Hirnarealen, involvieren die gleichen Neurotransmitter, die gleichen Synapsen und haben die gleichen Erregungsmuster. Weil das so ist, kann man z.B. Angstreaktionen künstlich verlängern, wenn man Personen experimentell bestimme Substanzen gibt, die die Ausschüttung von Neurotransmittern blockieren (Opiat-Antagonisten), die normalerweise Angst reduzieren (29).
Es geht in diesem Buch nicht um Angst vor Viren, Krieg, Not und dergleichen, jedenfalls nicht unmittelbar. Ich möchte zeigen, dass ein Perspektivenwechsel bei allenÄngsten helfen kann, diese in ihrer Wirkung zu relativieren. Selbst bei Panikattacken kann die sinnhafte Neudeutung einen gewissen Beitrag leisten, Angst zu reduzieren. Genau das machen manche psychotherapeutischen Schulen. Im Kern geht es eigentlich um Sinnstiftung, also darum, Emotionen und Erlebnisse so zu deuten, dass sie stimmig werden und nicht isoliert ihr angstauslösendes Potential entfalten. Im einleitenden Kapitel hatte ich das als Integration bezeichnet. Wie schon angedeutet, geht das nicht unbedingt über eine kognitive Umstrukturierung sensu Selbstüberzeugung. Emotionen kann man sich ja nicht einreden, man muss sie erleben und fühlen. Dazu später mehr. Klären wir zunächst einmal, warum Angst nicht unbedingt immer etwas mit Realität zu tun hat.
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