„Was der da macht, ist für mich nicht nachzuvollziehen …“
Ihr Vorgesetzter stellt Sie ohne Angabe von Belegen zur Rede, auf deren Grundlage man sachlich diskutieren könnte.
Das passiert Ihnen ein- oder zweimal, und dann bringen Sie sich in der Regel nicht mehr ein. Der Kollege hat Sie – seinen Konkurrenten – ausgeschaltet. Meist wechseln Sie dann freiwillig, wenn Sie einen neuen Job gefunden haben.
Als Mobbing werden die geplanten Aktionen in Summe gezählt – wie viele es sein müssen, ist nicht klar festgelegt.
Manche Gerichtsurteile sprechen von drei Fällen in einem Zeitraum von ungefähr einem Jahr. Können Sie fünf nachweisen, glaubt Ihnen das Gericht auch die anderen zweiundzwanzig. Aber Sie müssen möglichst die bewusste Handlung des Mobbenden nachweisen. Was gerade für viele Außendienstmitarbeiter oder Mitarbeiter in der Fertigung ohne Zugang zum Intranet praktisch unmöglich ist, da viele Anweisungen nur mündlich und ohne Zeugen durchgeführt werden. Deshalb werden diese Anweisungen ja auch mündlich gegeben und als sogenannter Kurzer Dienstweg angepriesen.
In diese Gruppe gehören nicht die fachlichen Diskussionen: Kollege A möchte eine Aufgabe so gelöst haben, Kollege B würde es gerne anders machen. Dann entscheidet manchmal der Vorgesetzte und das muss nicht immer richtig sein. Fehlentscheidungen aus diesem Bereich sind zwar kein Mobbing, können dieses allerdings auslösen. Denn stellen Sie sich vor, Ihr Vorgesetzter täuscht sich dreimal, wird er es Ihnen verzeihen? Wird es der Kollege Ihnen verzeihen?
Unabhängig von der charakterlichen Einstellung des Kollegen kann auch der Schoßhund-Effekt auftreten.
Beispiel
Der Liebling des Chefs darf sich verbal weit über die üblichen Umgangsformen abfällig über die Kollegen äußern. Würden Sie sich der gleichen sprachlichen Ausrutscher bedienen, müssten Sie mit einer Abmahnung wegen ungebührlichen Verhaltens rechnen. In schlimmen Fällen kann daraus eine fristlose Kündigung werden. Kritisieren Sie beispielsweise die Qualität der Zuarbeit, indem Sie feststellen, dass „in der Planung keine Struktur“ zu erkennen ist, haben Sie eine Abmahnung verdient, weil man das man schöner formulieren könne. Der Schoßhund darf Ihre Datengrundlage allerdings als „Sodom und Gomorra“ bezeichnen, ohne dass er auch nur zurechtgewiesen wird.
Neigt der Chef und Geschäftsführer auch zu verbalen Ausrutschern – als Beispiel hatten wir die Bezeichnung eines Vertrieblers vor den anderen Kollegen als Telefon-Hure – ist die Wahrnehmung des Geschäftsführers über Art und Weise professioneller Umgangsformen mit Sicherheit gestört.
Deswegen ist es egal, ob es sich um eine Seilschaft zwischen dem Schoßhund und dem Vorgesetzten handelt oder eine andere Art der Bindung – es spielt für Sie im Ergebnis keine Rolle.
Juristen stellen in dem Bereich der Sozialkompetenz eine eigene Gruppe dar. Es vertreten viele die Meinung, dass alles was nicht eindeutig verboten ist, damit auch erlaubt ist. Fällt somit das Bundesverfassungsgericht ein Urteil, sollten sich alle daran halten. Um dies zu verstehen, sehen Sie die Mentalität und die Gläubigkeit bei diesen Juristen mehr als ein Dogma und nicht als gesunden Menschenverstand an.
Das Bundesverfassungsgericht hob zwei Urteile auf, in deren Vorlauf sich eine Staatsanwältin darüber beschwert hat, dass sie an ihrer Arbeitsstelle als durchgeknallte, widerwärtige, boshafte, dümmliche, geisteskranke und dahergelaufene Staatsanwältin bezeichnet wurde.
Der Jurist, der die Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht hatte, meinte, dass solche Äußerungen unter die Meinungsfreiheit fallen. Er bekam dort recht.
Ähnlich verhält es sich mit Sprüchen. Sie können aus der Bibel zitieren, müssen es aber nicht. Oder anders gesagt: Es ist Ihre Firma und Sie unterliegen nicht dem Kammerrecht.
Als Betroffener dürfen Sie nicht auf die Kündigung des Vorgesetzten klagen, falls er Ihnen gegenüber solche Äußerungen macht. Sie würden jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit fristlos entlassen werden.
Wenn Sie also mal wieder mit Ihrem Personaler, HR-Mitarbeiter oder einem Mitglied der Führung über Mobbing sprechen, schauen Sie einmal nach, wo seine beruflichen Ursprünge liegen, dann können Sie dessen Aussagen einordnen.
1 BvR 2646/15
51 % der Führungskräfte sollen beim Mobbing beteiligt sein. Wie viele davon kommen ursprünglich aus dem juristischen Bereich?
Der Einfachheit halber sind AK, Doofling, Weekender und der Schoßhund die Mobbenden unter dem Kürzel AK zusammengefasst, denn das ist unstrittig. In den Beispielen ist BL (Betriebsleiter) der Gemobbte.
4.1 Manchmal ist es so einfach
Beispiel Urlaubsplanung
Der eine Betriebsleiter (BL) löst die Urlaubsplanung im Team mit allen Mitarbeitern, die sich daran beteiligen wollen. Dadurch wird es möglich, dass vier Mitarbeiter in den Sommerferien sechs Wochen am Stück in den Urlaub gehen können. Zusätzlich werden die arbeitsschwachen Zeiten von einer größeren Anzahl von Mitarbeitern für die freie Zeit genutzt. Dazu gehören auch Brückentage. Sachlich stellt dieses Vorgehen also kein Problem dar, da die saisonalen Schwankungen bereits eingebunden werden.
Der Betriebsrat der Betriebstätte fährt zur Gesamtbetriebsratsversammlung und zeigt sich verwundert über die Probleme anderer Betriebsräte.
Die anderen Betriebsleiter lösen die Urlaubsplanung über die Regelung, dass nur jeweils zwei Mitarbeiter zur gleichen Zeit in den Urlaub gehen können, begrenzt auf zwei zusammenhängende Wochen. Bis zu diesem Punkt ist das in vielen Firmen ein normaler Vorgang, den man gut erklären kann.
Nun werden die anderen Betriebsleiter durch deren eigene Betriebsräte unter Druck gesetzt, die Urlaubsplanung zu ändern, was in der Konsequenz dem einen BL zur Last gelegt wird. Denn folgt man dem Gefühl der anderen, hat dieser Betriebsleiter das Problem erst ausgelöst. Eine deutliche Differenz der Kompetenz und Fähigkeit kann somit das Mobben gegen Ihre Person auslösen.
4.2 Die Unfehlbarkeit der Verwaltung
Beispiel
Ein Kollege im Dienstleistungssektor (Doofling) macht einen kalkulatorischen Fehler bei der Anpassung eines Vertrages. Im Gegensatz zum Vorjahr müssen in den folgenden Jahren die gleichen Dienstleistungen erbracht werden, es kann aber nur weniger abgerechnet werden. Der Kollege hat somit einen Schaden von 75.000 €/a fortlaufend erzeugt, ohne dass die Arbeitsleistung reduziert werden kann. Der Schaden ist irreparabel. Die zuständigen außendienstlichen Mitarbeiter geben sich alle Mühe (Mobber droht mit Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund der wirtschaftlichen Lage, usw.) durch zusätzliche Arbeitsleistung diesen Fehler abzufangen.
Durch die Mehrleistung der Mitarbeiter werden 75.000 €/a in dem Vertrag mehr eingefahren als im Vorjahr. Aufgrund des Fehlers des Kollegen erscheint diese Leistung aber nicht als zusätzliches Ergebnis, sondern als Null-Nummer. Somit ist das Umsatz-Niveau trotz erheblicher Mehrleistung der Mitarbeiter nicht gestiegen, sondern nur das Ergebnis des Vorjahres wiederhergestellt. Der Fehler ist aus den Büchern verschwunden.
Sichtweise des Verursachers (Doofling) als Verwaltungsmitarbeiter: Der Fehler ist behoben.
Sichtweise des verantwortlichen Betriebsleiters BL: Der Fehler ist nicht behoben, da die zusätzliche permanente Arbeitsleistung der Mitarbeiter durch den Fehler nicht zur Umsatzsteigerung genutzt werden konnte. Diese beträgt für ihn immer noch 75.000 € pro Jahr, die jedoch nicht in der BWA als erwirtschaftetes Ergebnis erscheinen.
Unterschiedliche Weltanschauungen müssen wertfrei gesehen werden, auch wenn die Konsequenzen daraus sicherlich erheblich und real sind.
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