Als wir ganz alleine in einem größeren Raum voller alter Ritterausrüstungen und Kleidern sind, bleiben wir bei einem Glaskasten stehen. Darin liegt eine alte Korsage. „Korsagen sind sexy. Ich trage gerne welche, mit Spitze“, sagt sie zu meinem Erstaunen. Ich freue mich. „Ja, so was gefällt mir auch“, bemerke ich bewusst beiläufig. Beim übernächsten Glaskasten liegt eine Ritterausrüstung. „Dem Volumen nach, muss die Ausrüstung wohl einem dickeren Ritter gehört haben. Dicke Männer sind nichts für mich. Ich brauche Bewegung, im Bett“, sagt sie mit einem provozierenden Lächeln. Sie spielt wieder mit ihrem Haar und schaut mich demonstrativ nicht an. Marie erwartet aber eindeutig eine Reaktion von mir. „Gewisse Bewegungen machen viel Spaß und sind auch sehr gesund“, antworte ich. Sie schaut mich an, lächelt und nickt. Diese Offenheit hätte ich von ihr nicht erwartet, nicht nach knapp drei Stunden des Kennenlernens. Es wirkt aber eher ansprechend als aufdringlich.
Am Ende des Rundgangs angekommen, verlassen wir das Schloss und gehen noch durch den Park spazieren. Das Wetter wird immer schöner. Die Temperatur steigt auf über 20 °C. „Ich bin keine von diesen Schicksen“, sagt sie. Sie besitzt nur fünf Paar Schuhe und drei Handtaschen. Ansonsten trägt sie am liebsten körperbetonte Kleidung. Das ist mir vorhin aufgefallen. „Dein Kleidungsstil gefällt mir: schlicht, adrett, klassisch. Ich brauche neue Klamotten und will keinen Fehlgriff landen. Hast du Lust, meine Stilberaterin zu sein?“ „Gerne, dann komme ich dich nächste Woche besuchen und kleide dich neu ein.“ Das wollte ich hören. Ich habe mein Anschlussdate. „Leider bin ich nächste Woche auf einem Seminar“, muss ich ihr antworten. „Danach aber.“ „Hm, schade, dann sehen wir uns ja gar nicht nächste Woche. Aber zum Glück gibt es das Telefon“, sagt sie. Wir beschließen, noch einen Kaffee zu trinken.
Es ist mittlerweile so warm, dass wir einen Schattenplatz nehmen müssen. Ein Traumwetter für ein Traumdate. Sie zeigt mir Fotos von ihrer Wohnung. „Und auf diesen Barhocker setzt du dich, während ich einen Cocktail für dich mixe, wenn du mich besuchst.“ Während wir uns ihre Fotos von ihrem Smartphone anschauen, streift sie mehrmals absichtlich meine Hand. Wieder schaut sie mich dabei demonstrativ nicht an, lächelt aber und fragt: „Schüchtern?“ „Nein“, ist meine Antwort, während die Kellnerin den Kaffee bringt. In einem denkbar ungünstigen Moment, denn die knisternde Spannung ist erst einmal heraus.
Marie fragt mich nach meinem Seminar. Sie möchte wissen, welchen Inhalt das Seminar hat und ob viele Frauen dort anwesend sind. „Bestimmt sind da auch Frauen“, sage ich. „Und wie alt sind die?“, möchte Marie wissen. „Alle Anfang 20, schlank und hochattraktiv.“ „Blödmann!“, bekomme ich als Antwort. Wir lachen und ich frage nach: „Wieso fragst du, ob da Frauen sind und wie alt sie sind.“ „Ich will ja wissen, ob ich mir Gedanken machen muss.“ „Nein, das musst du nicht“, sage ich. „Dann ist ja gut“, sagt sie grinsend. Marie macht sich also Gedanken. Das ist schön.
Auf dem Rückweg zum Parkhaus stellen wir fest, dass es schon 17.00 Uhr ist. Wir hätten beide schwören können, es seien erst drei bis vier Stunden vergangen. Am Ticketautomaten angekommen, will sie sich von mir verabschieden. „Jetzt doch noch nicht, Marie. Wir müssen doch in dieselbe Etage.“ Sie wird rot im Gesicht, was sie sehr sympathisch macht. Sie merkt auch, dass sie gerade nervös ist. An ihrem Auto angekommen, verhalten wir uns wie zwei unsichere Teenies, keiner will jetzt etwas Verkehrtes machen. Ein Freund sagte einmal zu mir: „Zwei Dinge im Leben sind nicht vorhersehbar: der Wechselkurs des Dollars und das Verhalten einer Frau.“ Intuitiv küsse ich sie auf die Wange und wir nehmen uns in den Arm. Wir verabreden uns für morgen zum Telefondate. Auf der Rückfahrt kommt mir der Gedanke: „Man muss das Eisen schmieden, so lange es noch warm ist.“ Hoffentlich war ich eben nicht zu defensiv.
Pünktlich um 15.00 Uhr ruft sie mich an und will sofort wissen, wie ich den gestrigen Tag empfunden habe. „Tja, dieser Tag gehört nun zu den schönsten Tagen in meinem Leben. Die Spannung im Vorfeld, das Frühstück, das schöne Wetter, die Altstadt, der Schlosspark und diese Frau. Es war sehr schön in deiner Nähe zu sein.“ Es herrscht Stille am Telefon. „Danke, lieber Lukas, das geht runter wie Sahne. Die Komplimente gebe ich gerne zurück. Ich habe noch den ganzen Abend an diesen schönen Tag gedacht. Es tummeln sich also doch nicht nur Idioten im Internet herum. Außerdem gefällt mir deine zurückhaltende Art. Draufgänger können bei mir nicht landen.“
In Anspielung auf ihre gestrige Aussage erzähle ich ihr, was ich heute Morgen in einer Werbeanzeige gesehen habe: eine Spitzenkorsage. „Und, magst du so etwas?“, fragt sie mich. „Ja, klar“, lautet meine knappe Antwort. „Schön, dann weiß ich ja schon einmal, auf was du stehst.“ Sie freut sich und erweckt dabei den Eindruck, als ginge sie morgen früh gleich los, um eine zu kaufen. Wir verabreden, dass wir Mittwoch telefonieren. Ich rufe sie mittags an. Vorher geht es leider nicht. Mein Seminarprogramm ist prall gefüllt.
Auf der Zugfahrt zum Seminar denke ich fast die ganze Zeit an Marie und den tollen Samstag. Ich kann es kaum erwarten, Mittwoch wieder mit ihr zu telefonieren. Doch ich muss mich noch zwei Tage gedulden.
Im Hotel angekommen, geht es nach einem kurzen Check-In gleich zum Abendessen. Es sind circa 50 Teilnehmer anwesend, die Hälfte davon Frauen. Ich lerne Florian, auch Mitte 30, aus Frankfurt kennen. Er ist auf einer etwas freizügigeren Single-Plattform angemeldet, wie sich schnell herausstellt. Florian sieht aus wie Matthew McConaughey. Er schildert mir seine Erfolgsmethoden: „Du musst kurze E-Mails schreiben, nicht mehr als drei Sätze. Du musst sie zappeln lassen. Im Ungewissen lassen. Dann kommen sie an.“ Er hat mehr Erfahrung als ich, ist seit über drei Monaten online auf Frauensuche. Partnersuche wäre bei ihm zu viel gesagt. „Ich will mich nur ab und zu mit einer Frau treffen. Ich lade sie zum Abendessen ein und wir trinken ein bisschen Wein. Das reicht mir. Auf dem Rückweg habe ich ein Date mit einer 25-jährigen Bankkauffrau aus Würzburg.“ Dass ihm ein Abendessen reicht, glaube ich ihm nicht. Seine Geilheit riecht man von Oberbayern bis nach Amrum.
Am nächsten Tag sitze ich mit Florian in der Mittagspause vor den Hotelrechnern. Wir loggen uns in unsere Single-Plattformen ein und checken die E-Mails. Von Marie habe ich keine E-Mail bekommen, aber eine Partneranfrage einer 26-jährigen Marketingassistentin aus Leipzig. Ich diskutiere mit Florian über ihr Foto. Sie hat sich vor ihrem PC fotografieren lassen. Das T-Shirt in Bauchnabelhöhe zusammengebunden. Sie trägt schwarze Leggins. Lange braune Haare und sie lacht auf dem Foto. Die Frau ist attraktiv. „Hübsches Gesicht. Die aus dem Osten sind unkomplizierter“, grinst es aus Florians Gesicht. Ich schreibe ihr eine Absage. Leipzig ist mir zu weit.
Während Florian in der Folge die Frauen aus dem Seminar checkt, lerne ich Frank kennen, Öl-Manager und gepflegte Hamburger Arroganz. Er ist Anfang 40 und auch auf Online-Partnersuche. „Ich sitze alleine in meiner 200 qm Penthouse-Wohnung mit Alsterblick und habe darauf einfach keinen Bock mehr.“ Ich erzähle ihm von meiner Plattform. „Nein, keine Akademikerin. Die sind mir zu anstrengend“, sagt er voller Überzeugung.
Frank zeigt mir Katrin. Die hat er gestern kennengelernt. „Die Kleine kommt aus Frankfurt. Die ist ganz schön durcheinander. Betrügt gerade ihren Mann. Die hat mir gestern eine Kante ans Bein gelabert. Wenn jemand bei der die richtigen Knöpfe drückt, hat er leichtes Spiel. Die Frau ist fertig.“
In der nächsten Pause möchte ich, dass Katrin mir auch „eine Kante ans Bein labert.“ Denn Katrin gefällt mir. Sie ist bestimmt über 30 cm kleiner als ich, aber ich mag kleine Frauen. Sie hat schulterlange braune Haare, blasse Haut mit ein paar Sommersprossen. Sie sieht natürlich und sympathisch aus. Dass sie ihren Mann betrügt, kann ich mir gar nicht vorstellen. Die sieht total lieb aus, denke ich.
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