Ich überlege, ob ich mich beim nächsten Mal nicht voreilig treffen, sondern lieber eine paar Telefonate vorausgehen lassen sollte. Als ich wieder in meinem Büro bin und mich noch einmal in mein Postfach einlogge, habe ich eine Anfrage von einer 21-jährigen BWL-Studentin. Zum Glück aus meiner Stadt. Sie ist zielgerichtet: „Dein Profil gefällt mir. Hast du jetzt Zeit und Lust, mit mir zu telefonieren? Liebe Grüße, Anna“
Die Frau ist schnell. Ich schreibe ihr zurück: „Schau dir erst einmal meine Fotos an. Vielleicht gefalle ich dir ja gar nicht J. Wenn es OK für dich ist, kann ich dich morgen Abend, so um 17.00 Uhr anrufen. LG, Lukas“
Ich bin noch zu benebelt von der Nikotinweltmeisterin von eben, um jetzt noch ein weiteres Date zu verabreden. Ehe ich meinen Laptop herunterfahre, habe ich auch ihre Antwort: „Schade, dass du heute keine Zeit mehr hast, ich freue mich auf morgen, Anna.“ Sie teilt mir auch sofort ihre Handynummer mit. Sie sieht auf ihren Fotos genau so offensiv wie ihre Vorgehensweise aus. Ein durchdringender Blick, so, als würde sie mich durch den Laptop anschauen. So stelle ich mir eine Nachwuchsdomina vor.
Ich rufe Sie am nächsten Tag an. Nach kurzem Smalltalk fragt sie auch gleich nach einem Date, heute noch. Ich fühle mich ein wenig überrannt, sage aber zu. In einer Stunde in dem Café, wo ich gestern noch mit Fiona gesessen habe.
Auf dem Weg dorthin, sehe ich schon eine junge Frau, die gerade ihr Fahrrad anschließt. Das könnte sie sein. Sie hat ein wenig Hüftgold. Sie erkennt mich und kommt auf mich zu: „Hallo. Ich bin Anna. Schön, dass es so schnell geklappt hat.“
Ich suche einen Platz aus, wo wir ungestört reden können. Ich bin jetzt mit meinem vierten Date in dem Café, die Kellnerin kennt mich mittlerweile und ich möchte am Umsatz beteiligt werden. Wir nehmen draußen Platz. Ich bestelle ein Wasser. Sie nimmt eine Cola. Ich frage sie, ob ich nicht zu alt für sie sei, es sind ja immerhin 13 Jahre Unterschied. „Das Gegenteil ist der Fall. Jünger darfst du bei mir nicht sein. Mit Männern in meinem Alter kann ich nichts anfangen. Mein letzter Freund war 42. Das hat ein Jahr gut funktioniert. Wir haben uns Tag und Nacht gesehen.“
Eine Seltenheit: Ich bin 13 Jahre älter und fast zu jung für sie. Nachdem die Bedienung die Getränke gebracht hat, schaut Anna mich mit einem Lächeln an. Ohnehin habe ich das Gefühl, dass sie mich seit Beginn einem Screening unterwirft. Es sind keine fünf Minuten vergangen, da nimmt sie einfach meine Hand und fängt an, sie zu streicheln. Vor 24 Stunden hatte ich hier noch mit einer anderen Internetbekanntschaft gesessen. Von Anna noch nicht einmal Kenntnis gehabt und jetzt das. Sie findet mich sehr nett, sagt sie mir dabei. „Wie hast du denn das so schnell herausbekommen?“, frage ich sie. „Einfach so ein Gefühl“, sagt sie. Die junge Dame ist ein Elfmeter ohne Torwart, ein Traum für jeden Mann, der die schnelle Nummer will. Dann beginnt Anna meinen Unterarm zu kraulen. „Hast du Lust, mit zu mir zu kommen?“, fragt sie mich nach zwanzig Minuten. Anna ist willig und will Sex. Ich überlege. Was ist, wenn sie hinterher mehr will? Wenn sie eine Klette ist? Ihren letzten Freund wollte sie Tag und Nacht sehen, wie sie sagte.
„Ich habe dir ja am Telefon schon gesagt, dass ich um 19.00 Uhr eine Telefontermin mit einem wichtigen Kunden habe“, ist meine Antwort.
Der „Telefontermin mit einem wichtigen Kunden“ wurde im Laufe meiner Online-Dating-Karriere zum Notausgang für heikle Situationen. Ich habe ihn oft schon bei der Verabredung angekündigt, um mir ein Hintertürchen offen zu lassen. „Ja, stimmt, hast du ja gesagt, ich will dich auch zu nichts drängen, aber morgen, morgen um 19.00 Uhr bei mir. Ich kann uns etwas kochen.“
Mit großen und erwartungsvollen Augen schaut sie mich an. Ich sage zu und werde eine Flasche Wein mitbringen. Sie freut sich. Wir bezahlen die Rechnung und ich begleite sie zu ihrem Fahrrad. Sie verabschiedet mich mit einem Kuss auf die Lippen und teilt mir ihre Adresse mit. Anna weiß, was sie will. Ich stelle aber auch fest, dass das nichts mit mir zu tun hat. Da hätte auch Heiner Geissler sitzen können, den hätte sie genauso angebaggert.
Zuhause denke ich an Anna und unser Treffen. Da ist eine 21-jährige Frau, ich bin ein wildfremder Mensch für sie, den sie über das anonyme Internet kennengelernt hat und sie wollte mich am liebsten sofort mit nach Hause nehmen. Ganz schön riskant für sie. Oder für mich? Sie könnte eine Irre sein und sonst etwas mit mir machen. Mittlerweile habe ich psychisch merkwürdige Frauen kennengelernt. Meine Hormone sollen mich nicht zu Leichtsinn verführen. Ich will auf keinen Fall mehr, das weiß ich jetzt schon. Lohnt sich das? Einmal Sex und hinterher vielleicht noch aufwendige Gespräche führen. Wenn sie jetzt eine erotische Ausstrahlung hätte, wäre meine Entscheidung schon gefallen. Die hat sie aber nicht. Das Blöde ist, dass sie die Telefonnummer meines Büros hat und ich somit meine Anonymität abgelegt habe. Ich will das Treffen abwarten und dann spontan entscheiden, wie es weitergeht.
Am nächsten Morgen aufgewacht, weiß ich mit einem sicheren Gefühl, dass ich das Date absagen werde. “Eine Nacht darüber zu schlafen“ kann oft sehr nützlich sein. Sie ist eine Frau, die ich kein zweites Mal wiedersehen möchte, auch nicht für Sex. Mit Herzklopfen erreiche ich sie endlich um halb sechs und sage das Treffen ab. Sie ist enttäuscht, versucht mich noch zu überreden. Ich benutze die Ausrede, dass ich aktuell einfach keine Partnerin möchte und mich abmelden werde. Dass es eventuell nur um Sex gehen soll, erwähnt sie nicht. Vermutlich möchte sie beides: schnellen Sex und ein bisschen Beziehung. Auf alle Fälle möchte sie Anerkennung. Die muss sie sich woanders holen. Nach dem Gespräch bin ich erleichtert.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.