„Sie wird, wenn sie ihren Charakter beibehält nicht im großen Topf des Vergessens enden, wie es das Schicksal so vieler anderer Frauen unserer Zeit ist.“ Wütend erhob er sich aus seinem bequemen Sessel und schritt zum Fenster. Seine Stimme bebte vor Zorn als er sich wieder an sie wandte.
„Bei Adonay, deine liberalen Gedanken mögen für deine Mädchen Gültigkeit haben, doch nicht für eine anständige Frau.“ Sie überhörte diese Provokation, stattdessen wechselte sie das Thema.
“Wie ich sehe bist auch du ein Anhänger des Gottkaisers Adonay!“
„Ja Maude, das bin ich, sowie auch schon vor mir mein Vater. Ich stehe tief in seiner Schuld. Er hat mich zu dem gemacht der ich heute bin. Jehovin ist fern und das seit vielen Jahren.“ Diese kurze Unterbrechung hielt ihn nicht davon ab sich wieder mit der Gegenwart und seiner Frau zu beschäftigen.
„Was soll ich mich mit diesem dickköpfigen Balg herumärgern, geh und bring mir Tamireh.“
Xedek mein Freund, du hast dich wirklich verändert…, doch diese Worte behielt Maude nun für sich.
Jahre waren vergangen. Der kleine Frederick, wie sie ihren Sohn nannten, hatte sich prächtig entwickelt. Ricky, Rik, das könnte auch die Abkürzung für Tarik sein…, überlegte sie, ihren Sohn zärtlich in die Arme schließend. Nichts würde sie mehr an Xedek erinnern.
Tarik war der stolzeste Vater den man sich nur vorstellen konnte. Für ihn stand außer Frage wer der Vater war. Sie waren glücklich. Die sechs Monate ihrer Ehe hatte Masheba längst aus ihrem Gedächtnis gestrichen. Sie liebte Tarik und ihren gemeinsamen Sohn und so sollte es auch bleiben - doch das Schicksal schmiedete andere Pläne.
Der Professor war schwer Erkrankt. Tarik, das war auch Masheba klar, war dem alten Mann einen Besuch schuldig. Auch hatte Tarik seine Familie seit Jahren nicht mehr gesehen. Der Graf schien seine Schergen zurückgepfiffen zu haben, so wenigstens lautete die letzte Nachricht des Professors. Außerdem, das Gipfeltreffen der Kommission für humanitäre Belange und Menschenrechte fand diesmal auf Sovo statt. Er würde beides miteinander verknüpfen, denn dass dieselben Holzköpfe wie bei der letzten Versammlung anwesend sein würden schloss Tarik aus.
„In einem Monat, mit dem nächsten Flug werde ich wieder zurück sein. Wie du siehst sind deine Sorgen unbegründet.“ Sie waren es nicht, das wussten beide.
Um Tomo, dessen Gesundheitszustand Schwankungen unterlag kümmerte sich nun Nakita. An manchen Tagen schien sein Körper das Gift überwunden zu haben, nur um ihn anschließend wieder mit aller Kraft zu beuteln. Masheba übernahm dann die Verantwortung, was die Kommunikation mit Ursena betraf, auch die mit den Konzernen, die immer noch an der Erschließung des Planeten interessiert waren.
„Keine nennenswerten Funde“, lautete weiterhin die Antwort. Und daran würde sich auch jetzt, in Tariks Abwesenheit, nichts ändern.
Das Darlehen das der Imperator ihnen einst so großzügig gewährt hatte war, trotz der „spärlichen“ Funde die das Land hergab, fast getilgt. Die Kommunikationen von Seiten Adonays beliefen sich seit ihrem gemeinsamen Besuch auf höfliche Floskeln, für die man dankbarer war als für eine erneute Einladung. Dieser Besuch hatte bei allen einen sonderbaren Eindruck hinterlassen. Doch dass ihnen ganze Tage in ihrer Erinnerung fehlten war damals selbst Hannah, die noch dem Charme des mächtigen Mannes erlegen war, aufgefallen.
Langsam jedoch kehrten Tariks Erinnerungen zurück. Bruchstücke zuerst. Teile eines Puzzles fügten sich zu halbfertigen Bildern. Klone…, diese eigenartig schönen Wesen mussten Klone gewesen sein. Dieser Gedanken ging ihm immer wieder durch den Kopf. Das Masebha sich an nichts erinnern konnte, auch nicht an die Klon-Kinder, obwohl sie doch die erste gewesen war die sie angeblich sah, stimmte ihn nachdenklich. Manche dieser Erinnerungen kehrten urplötzlich, manche nach langer Überlegung in sein Gedächtnis zurück. Die Merkwürdigkeit dieses Besuches war nicht zu leugnen.
Müdigkeit, Niedergeschlagenheit an das konnten sich beide erinnern, war es doch jedes Mal präsent wenn sie an den Weißen Planeten dachten.
Mit diesen und ähnlichen Emotionen hatte er immer wieder zu kämpfen, und mit Kopfschmerzen die ihm den Zugang zu den Erinnerungen nahmen. Bilder einer bizarr schönen Welt, darüber hinaus reichten beider Erinnerung, mit wenigen Ausnahmen nicht. Es war als ob sich jedes Mal eine Betonwand aufbauen würde, sobald seine Gedanken abschweiften, in das Geheimnis des Weißen Planeten einzutauchen versuchten.
„Geheimnisse…!“ Daran hatte er noch nicht gedacht. Sagen und Legenden rankten sich auch um den Imperator. Sollte es wirklich ein Geheimnis geben? Gesetzt den Fall es ist wirklich etwas geschehen an das wir uns nicht erinnern dürfen…! Doch umso mehr er sich anstrengte in das Verborgene einzudringen, umso mehr verschloss es sich seiner Sicht.
Was war es denn, dass ihn so unangenehm am Imperator berührte…?
Genau, diese aufgesetzte Vornehmheit die so gar nicht zu seinem jugendlichen Aussehen passen wollte. Doch mehr gaben seine Erinnerungen vorerst nicht frei. All das und mehr ging Tarik durch den Kopf, während er sich seinen Heimatplaneten näherte.
16 Xedek - Die Entführung
Das Xedek sich verändert hatte musste auch Salamos, sein treuer Majordomus feststellen. Xedeks meist unbegründete Wutausbrüche ließen selbst den erprobten, im Dienste des Grafen ergrauten Hausverwalter und Vertrauten aufhorchen.
Das Kapitel Ars und Ehefrau hatte Xedek längst - wie andere Nebensächlichkeiten auch - aus seinem Gedächtnis gestrichen, und wäre es geblieben, wenn Salamos ihn nicht daran erinnert hätte.
„Graf…“ die vertraute Stimme Salamos riss Xedek aus seinen Gedanken. „Eure Ehe mag vor den Göttern bis in alle Ewigkeit bestehen, doch vor dem Gesetz, dem auch Ihr unterworfen seid, wird sie nach fünf Jahren der Trennung automatisch geschieden. In zwei Wochen, wenn ich Euch erinnern darf, ist diese Frist verstrichen, wenn die Ehe bis dahin nicht von neuem vollzogen wurde.
Verärgert schlug der Graf mit der Faust auf den Schreibtisch, der ihn von seinem Visavis trennte.
„Warum bei allen Dämonen der Unterwelt wurde ich nicht früher informiert.“
„Mit Verlaub, auch mir ist diese Gesetzesänderung erst heute Morgen zu Ohren gekommen.“
Es musste handeln, umgehend, das war Xedek klar. Er würde seine Frau aufsuchen.
Er kannte die Gerüchte die sich erneut um Ars rankten. Gerüchte, alte längst todgeglaubte Gerüchte, des vermeintlichen Reichtums waren nichts Neues, doch eben nur Gerüchte und Spekulationen auf die er bislang wenig Wert gelegt hatte.
Marab brachte den erwünschten Profit, doch konnte es nicht schaden seinen durch Heirat erworbenen Besitz nun einen Besuch abzustatten, bevor andere es taten. Unnötige Auseinandersetzungen mit rivalisierenden Großkonzernen mussten vermieden werden, noch waren seine Truppen nicht stark genug.
Noch bevor Salamos den Raum verließ, fuhr er mit der gleichen unbeteiligten Stimme fort, mit der er gewisse Gespräche zu führen pflegte: „Ich habe meinen Neffen Sergei und dessen Frau eingeladen, ihr eintreffen ist noch vor der Kälteperiode zu erwarten. Du weißt was zu tun ist!“
Masheba war nun kein Kind mehr, schöner und entschlossener denn je trat sie ihren ungebetenen Gast entgegen. Die Schwangerschaft hatte ihrer Schönheit nicht geschadet, im Gegenteil. Weiblicher und sinnlicher, mit dem kleinen Ricky vor sich auf dem Pferd, begrüßte sie als Abgesandte ihres Vaters die verdutzte Horde die Xedek seine Armee nannte. Man war sich sicher diesen primitiven Planeten mit einer Handvoll energischer Männer einnehmen zu können…, wenn man gewollt hätte. Die Dakuai galten weithin als wildes doch friedfertiges Volk und umso überraschter war man, dass bereits ihre Ankunft bemerkt wurde.
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