Jetzt scheint mich jemand mit meinen eigenen Mitteln zu schlagen…, seit Monaten schon ging ihm dieser Gedanke nicht mehr aus dem Kopf. In geringen Dosen ein nicht tödliches Gift, ein nicht sofort tödliches Gift. Nur allzu gut kannte er die Symptome…, allzu oft hatte er damit unliebsamen Gegnern außer Gefecht gesetzt
„Wer konnte jetzt, nach all den Jahren Interesse daran haben meinen Tod zu wünschen?“ Dieser laut ausgesprochene Gedanke war mehr an ihn selbst als an das Mädchen gerichtet, das bereits seit Stunden an seinem Lager harrte.
Erneut schweiften seine Gedanken ab, zurück in die Vergangenheit, und den beiden Kameraden die die Bruchlandung überlebt hatten. Mackee war längst Tod und Zeboz S. Labinsky von den Dakuai des Landes verwiesen. - Tomos „Bordküche“ enthielt nicht nur Gift, sondern auch Drogen. Zeboz wurde dabei erwischt, wie er sich damit eines der jungen Mädchen gefügig machen wollte.
Tomos Vorschlag, ihn am höchsten Baum aufzuknüpfen wurde abgelehnt, die Todesstrafe kam in ihren Gesetzbüchern nicht vor.
Er konnte sich noch gut an diesen Mann erinnern. Einen einst leitenden Angestellten, eines jener Pharmakonzerne die nie rote Zahlen schrieben, und der von seinen Kollegen, die vielleicht nicht skrupelloser, aber in der Überzahl waren, ins Abseits gedrängt, und wegen Veruntreuung kurzerhand vor die Türe gesetzt wurde. ‚Veruntreuung, das ich nicht lache‘, so erzählte er es später seinen Kumpanen ‚alles erstunken und erlogen, denn das was ich wirklich gemacht hatte konnten diese Hallunken so und so nicht begreifen. Man wollte mich einfach nur los werden, warum teilen…‘
Ganz deutlich konnte er ihn wieder vor sich sehen. Seine dicke Hornbrille, schwarzgerändert, den kahlen Kopf und seinen watscheligen Gang. Tomo kannte die Gedanken seines ehemaligen Kumpels nicht, doch fiel es ihm nicht sonderlich schwer sich diese vorzustellen. Ein geistig verwahrlostes Subjekt…, doch er war weit. Wer also konnte ihm das Gift verabreicht haben…? Immer und immer wieder derselbe Gedanken, doch er kam zu keinem Ergebnis.
Die Sonne war längst untergegangen, der Mond stand hoch am Himmel als Tomo die Augen öffnete und schwer atmend fortfuhr:
„Deine Heirat mit Xedek kam mir sehr gelegen. Da ich selbst keine Kinder habe, weder mit deiner Mutter noch mit deiner Tante, warst du der Schlüssel zu meiner Macht. Zu schade, dass du nicht schwanger bist. Sogar jetzt, verstoßen“, verdrießlich verzog er den Mund „wäre dir als Mutter des Thronfolgers das Erbe gesichert.“ Mashebas fragender Blick entlockte ihm nur ein mattes Lächeln.
„Als Schwiegervater wäre ein Besuch auf Herso wohl angebracht und nicht verdächtig gewesen. Nach seinem frühen Tod, dafür hätte ich schon gesorgt, wärst du als seine Frau, laut Gesetz noch vor seinen Kindern aus erster Ehe, die außerdem noch minderjährig sind, seine legitime Nachfolgerin geworden. Alleinherrscherin über Herso und seine Kolonien.
Doch jetzt ist alles umsonst, ich liege im Sterben und du bist nicht schwanger.“ Wehmütig schweifte sein Blick ab und seine Stimme, erschöpft vom vielen reden, senkte sich zu einem erneuten flüstern. Masheba musste sich über ihn beugen um ihn zu verstehen.
Einige Sekunden lang schwieg er und schien in sich hineinzuhorchen. Ein innerer Kampf schien ausgefochten, dann fuhr er fort:
„Eigentlich begann alles viel früher…, damals…, damals als ich deine Mutter zum ersten Mal sah. Ich habe sie begehrt…, von ersten Moment an.“
Es folgte eine lange Pause, er schien mit etwas zu kämpfen, dann: „Ich habe deinen Vater zum Duell gefordert und getötet“ diese Worte glichen eher einem trotzigen Aufschrei als einem Geständnis.
„Im Zweikampf… verstehst du!“
Doch dass dieser nicht fair war verschwieg er. Masheba schnürte es die Kehle zu, doch zwang sie sich ruhig zu bleiben.
„Es war Moira deine Mutter, die, hätte ich nicht schon den Plan gefasst, mir den letztendlichen Anstoß dazu gab. Das Begehren sie zu besitzen erfasste mich mit solcher Leidenschaft, dass ich eigentlich gar nicht anders handeln konnte.“
Er stöhnte und schwieg plötzlich. Erschöpft lehnte er sich in die Kissen zurück. Wenig später zeugten regelmäßige Atemzüge davon, dass er eingeschlafen war.
Gebannt hatte sie jedem Wort lauschte. So unglaublich es auch schien, wusste sie, dass dies die Wahrheit war nach der sie so lange gesucht hatte. Der Schmerz wich einem warmen Schauer der Freude. Also war das was sie tief in ihrem inneren verspürte die Wahrheit, die fast verblassten Bilder Teil ihres wirklichen Lebens! Ihr Vater…, ihre Mutter…, deren schützende Hand sie in manch verzweifelten Moment spürte, kein Trugbild. Doch warum hat Hannah ihr nie davon erzählt? Wollte sie sie etwa schützen…, doch vor was?
“Wenn du die Gegenwart verstehen willst musst du die Vergangenheit kenne“, und nur wenig später ihr plötzlicher Tod.
Die Worte die sie aus Tomos Mund vernahm, so grausam sie auch waren, konnten sie nicht mehr entsetzen. Die Wahrheit gab ihr einen Teil ihrer Identität zurück. Ihrem Ich, nach dem sie solange schon gesucht hatte. „Wer bin ich…? Warum bin ich so einsam…?“ Die entsetzliche Leere, die erst endete als Pasha, ihr geliebter Geparden, in ihr junges Leben trat. Für den Rest, was ihr gegenwärtiges Leben betraf, gaben Tarik und Chetosan ihr Halt und Zuversicht.
Obwohl ihr wenig Zeit blieb den alten Weisen zu besuchen, um am Unterricht, der ihr die Mysterien der eigenen Vergangenheit und die ihres Volkes verständlich machte, öffneten sich ihr mit dieser Lektion neue Horizonte. Diese Zeit reichte jedoch nicht aus um die verlorenen Jahre nachzuholen. Trotzdem, viele Fragen wurden beantwortet, doch noch mehr Fragen die nach einer Antwort verlangten blieben offen.
Dennoch, der alte Mann konnte sehen dass seine Schülerin bald so weit sein würde die Großen Weihen zu empfangen, doch er drängte sie nicht. Sie alleine würde wissen wann sie so weit war.
„Du hast dich verändert!“
„Maude, teure Freundin es ist über sechs Jahre her seit wir uns zum letzten Mal sahen.
Wir alle verändern uns.“ In Xedeks knapper Antwort schwang ein bitterer Unterton.
Auch ihn hatten die Besuche beim Imperator verändert, unmerklich zuerst, doch in letzter Zeit nahmen diese Veränderungen krasse Formen an. Aggressionen, die er vorher nicht kannte, machten es zeitweise nicht nur seinen Mitmenschen schwer mit ihm auszukommen. In solchen Momenten hasste er sich selbst. Doch auf die Idee, all das mit seinem Aufenthalt auf dem Weißen Planeten in Verbindung zu bringen, wäre er nicht gekommen. Dieser Wechsel seiner Stimmung kündete sich stets mit leichten Kopfschmerzen an, das war auch ihn schon aufgefallen, doch dann war es meist zu spät. Diejenigen die das Unglück hatten in diesen Momenten in seiner Nähe zu sein kannten die Konsequenzen.
„Du bist überarbeitet. Ein paar Wochen fernab deiner Verpflichtungen werden dir gut tun. Du bist mein Gast solange es dir gefällt.“ Er musste Grinsen. Seine gute alte Freundin versuchte es doch immer wieder. Mit Erfolg.
„Meine Mädels sind schon außer sich vor Freude.“ Sein Grinsen wurde breiter. Ja die Mädels von Madam Maude waren die schönsten weit und breit. Ebenso ihr Haus, wohlgeführt und nur der Elite zugänglich. Maude besaß den bestgeführtesten Nachtclub auf Sovo. Bekannte Stars, Sänger und Artisten tummelten sich auf ihrer Bühne.
Die Mädels hingegen, die den Gästen zur Unterhaltung dienten, hatten meist ein ähnliches Schicksal wie das ihrer Chefin, und das machte sie zu einer großen einträchtigen Familie. Maude wachte streng über das Leben ihrer Zöglinge, doch wenn Amor seine Pfeile zückte war selbst sie machtlos.
Xedek war kein gewöhnlicher oder gar bezahlender Gast des Hauses, doch gute Trinkgelder waren den Mädels bei seiner Abreise sicher, was jedoch nicht der Grund war weswegen man ihn liebte.
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