Leise erzählte er Constanze von Borowski. Als die Sitzung begann, musste Schroeder sich konzentrieren, er war dran mit dem Protokollschreiben. Das Herausragende war die Klage von Herrn Rademann, der sich wieder einmal beschwerte, zu wenig Unterstützung für die Betreuung seiner drei Roma Familien zu bekommen.
„Ich schaff das nicht mehr, und alles ohne Geld...“
Nun, Geld gab es nicht, hier saßen nur Ehrenamtliche, oder, wie es neuerdings hieß, Leute mit „Bürgerschaftlichem Engagement“.
Später, nebenan beim Italiener, brüteten Schroeder und Constanze über eine Idee. Die EU war erweitert worden. Polen, Tschechien, die Slowakei und die Baltischen Länder waren jetzt an Bord.
„Da gibt’s Arbeit“, meinte Constanze, „was hältste denn davon, wenn wir eine Beratungsstelle für Arbeitssuchende aus den neuen Mitgliedsländern aufmachen, Du im Marketing, ich im Rechtswesen!“
Er war skeptisch. Die hatten bestimmt kein Geld für Beratungen. Außerdem, sie sprachen keine der neuen Sprachen. Wie sollten sie an Kunden herankommen? Und da war noch die offene Akte Borowski.
Nach einigen Bieren sah die Sache indes anders aus. Constanze berichtete von einer kleinen Messe für polnische Unternehmer, die demnächst in einem Einkaufszentrum der Stadt stattfinden sollte.
„Da treffen wir unsere potentiellen Kunden!“ schwärmte sie.
„Bist ja richtig gut im Marketingdenken“, sagte Schroeder gnädig.
Sie verabredeten sich zu einem Brainstorming mit dem Ziel, mögliche Kunden auf der polnischen Messe anzubaggern.
Im Tejo war Hochbetrieb. Luis hatte alle Hände voll zu tun und keine Zeit für kurzweiliges Geplänkel. „Ist’ne Geburtstagsfeier hier“, er deutete auf eine platinblonde Frau, die am Kopfende einer langen Tafel saß. Sie war um die fünfzig, drall, mit aufgeworfenen roten Lippen, braunem Teint. Aus ihrem Angorapullover stachen spitze Brüste hervor, jedenfalls wollte Schroeder es so sehen, weil plötzlich aus der Tiefe seines Frusts die Lust auf eine schnelle Affäre hochstieg. Der Wunsch, Borowski’s langen Entscheidungsprozess etwas Erfolgreiches entgegenzusetzen. Der ging ihm nicht aus dem Kopf. Was hatte der bloß noch zu zögern? Hatten sie nicht ein einvernehmliches Gespräch gehabt?
Das blonde Geburtstagskind streifte an ihm vorbei. Als sie von der Toilette zurückkam, sprach er sie an. „Ich hörte, Sie haben heute Geburtstag, ich gratuliere Ihnen ganz herzlich!“
„Oh“, seufzte sie, „hier bleibt ja wohl gar nichts geheim! Aber danke, möchten Sie nicht an unseren Tisch kommen?“
Schroeder sah sich in eine neue Zielgerade einbiegen, diesmal in einer ganz anderen Disziplin als der Jobsuche. Er rückte einen Stuhl heran, nahm Platz neben einer jungen Frau, die ihn mit verschleiertem Blick ansah.
„Ach“, meinte sie, „Sie erinnern mich an meinen zukünftigen Mann!“
„Wieso zukünftig?“
Sie erzählte ihm von dem Portugiesen, den sie im Sommer kennen gelernt habe und nun demnächst heiraten werde.
„Er ist Weinhändler!“ betonte sie in einer Art, als sei dieser Beruf Garantie für eine erfolgreiche Ehe. Schroeder erfuhr, dass die Hochzeit nach einem vierwöchigen Urlaub an der Algarve beschlossen worden war.
„Ich kenn‘ ihn zwar noch nicht genau, aber das wird schon noch kommen! Er war so lieb und aufmerksam...!“
Da mischte sich das Geburtstagskind ein: „Du spinnst, meine Liebe! Wie kannst Du nach vier Wochen heiraten, noch dazu einen Portugiesen! Ich kenne meine Landsleute zur Genüge, nach vier Wochen Ehe wirst du dem Macho die Schuhe putzen müssen, und der Schwiegermutter gleich mit!“
Damit war ein Thema eröffnet und die pros und contras schossen über die Tafel. Am Ende blieb die künftige Braut voller Zweifel zurück und der Abend ertrank in Wein und Fadomusik. Schroeders Lust auf eine schnelle Affäre ließ angesichts der mehr und mehr nach saurem Wein riechenden Eheaspirantin nach, und er schlich nach Hause.
Im Briefkasten fand er zwei Umschläge, einen davon ohne Absender. Mögliche überfällige Post schoss ihm durch den Kopf. An wen hatte er Artikel verschickt, wo stand eine Antwort noch aus? An wen Bewerbungen? Letzteres lag lange zurück, er erinnerte sich nicht mehr. Beim Treppensteigen öffnete er den Umschlag. Tatsächlich, es war die Antwort auf eine Bewerbung, und nun erinnerte sich Schroeder. Eine Eventagentur hatte einen Marketingexperten gesucht, der auch „sicher im Umgang mit Printmedien“ sein sollte. Lag Wochen zurück, Schroeder überflog die vier Zeilen, die mit „..wir wünschen Ihnen viel Erfolg auf Ihrem weiteren Berufsweg“ endeten. Die können mich ‘mal, dachte er und warf den Brief in den Papierkorb.
Der andere Umschlag enthielt einen Scheck. Rückzahlung an zu viel gezahlten Heizkosten über 190 Euro. Schroeder jubelte und ging im Geiste lang ersehnte Anschaffungen durch, die er nun realisieren könnte. Neue Jeans? Endlich mal wieder kubanische Zigarren? Opernbesuch? Oder die lange geplante Stellenanzeige im Magazin der Industrie und Handelskammer?
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