„Das ist ein Wort Jungs, haltet die Ohren steif.“
„Du darfst erste Klasse fliegen, das hast du dir redlich verdient. Bis bald alter Bushranger”, rief ihm Don hinterher.
„Das war’s dann Seebären, wir legen gleich ab“, rief Alida ihnen vom Deck zu.
Mittlerweile bildete sich eine Zuschauermenge, die die Hafenmole und die Balkone der umliegenden Häuser mit Menschen füllten. Keiner traute sich näher an den Pier zu kommen, weil böse Zungen behaupteten, dass die drei Schiffe mit sonderbarer Zauberkraft umringt seien. Wer diese Nachricht verbreitete, wusste Don ganz genau. Die Köchin und Fotografin Maunie konnte es sich nicht verkneifen, auf diese Weise die lästigen Langfinger von den Yachten fern zu halten.
Die Crew der Diadora war als erste dran, die auf Slip belegten Festmacherleinen einzuholen. Der ablandige Wind drückte das Schiff gleich vom Pier weg, das Großsegel schoss von hydraulisch angetriebenen Winschen wie eine Rakete in die Höhe. Das Besansegel folgte unmittelbar danach. Als das Schiff gute zwanzig Meter vom Pier den Wind einfing, bildete sich vorerst ein zaghafter Kielwasserschwanz. Als die Genua von der frischen Brise geschwängert wurde, machte die Diadora schon gute fünf Knoten Fahrt. Keine hundert Meter dahinter folgten der große Trimaran und der Schooner. Wie drei riesige Schwäne mit ausgebreiteten Flügeln segelten die Yachten in Dreierformationen dem offenen Meer entgegen. Der Trimaran leicht vorne in der Mitte, die Diadora zu Backbord und der große Schooner zu Steuerbord.
Zur gleichen Zeit auf der anderen Seite der Bucht löste sich ein geräumiges Fischerboot vom Steg und folgte den drei Yachten in gebührendem Abstand. Die Mafiosi wollten sicher gehen, dass die Plagegeister den Kurs Richtung Palau in die sorgfältig geplante Falle ansteuerten. Aber das alte Sprichwort: „ Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“ fand weder beim Vatikan, noch in Washington, London und Melbourne Beachtung. Nichts ist so wie es scheint zu sein, es sei denn, man bildet sich etwas ein, es könnte so sein. Wie es wirklich ist weiß nur einer der als Letzter lachen wird. Vorerst schien der Bushranger Horney der einzige Lachende in ganz Rabaul zu sein, weil er sowohl das eine, wie auch das andere wusste.
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Die Yachten segelten jetzt mit neun Knoten Richtung Zielarchipel. Die Kapitäne überlegten, dass sie bis Palau knapp sieben Tage benötigten. Tatsächlich ging die Berechnung zufriedenstellend auf, so dass die Ansteuerung in den Hafen von Koror am siebten Tag gegen Mittag vorgenommen werden konnte. Die Inselgruppe Palau die vor einem Korallenriffgürtel rundum geschützt liegt, hat einen schmalen Kanal der zum Hafen führt und bei senkrecht stehender Sonne am Besten zu orten ist.
Die endlos lange schmale Insel New Ireland zur Steuerbordseite erinnerte Don an die lange Insel Dugi Otok in seiner alten Heimat. Die Westküste der Insel war gut dreihundertachtzig Kilometer lang. Steile Felsen fielen ab bis ins Meer, die den Seeleuten in Not keinen sichereren Ankerplatz boten. Bis auf das kleine Fischerdorf Kavieng im äußersten Norden schien diese Insel unbewohnt zu sein.
Don fragte sich, was die Admiräle Bismarcks als Schlusslicht Kolonialisten bei den Insulanern plündern wollten. Das Gold das die Deutschen ausbuddelten reichte nicht einmal, um einen neuen Anstrich für die Kriegsmarine zu finanzieren. Das deutsche Volk wurde nie gefragt, dafür hatte man die Elite der Nation. Die Elite mit dem Schmiss im Gesicht, wohl bemerkt. Don konnte sich lebhaft vorstellen wie die abenteuerlustigen Burschen von ferner Südsee träumten, sich in phantasievollen guck-mich-an Uniformen kleideten, ihren Versagermut mit Bier und Korn hinunterschluckten, ihre leeren Edelmannbörsen mit ahnungslosem Ureinwohner Gold auffüllten. Raubritter eben, die ihre sinnlose verschwenderische Spieler- und Großmannssucht Mentalität bis zum Exzess auszukosten gewohnt waren.
Als sich Bier, Korn und fromme Worte wie ein Furz im Winde auflösten, kamen die Samurai Burschen mit Säbel und Schießpulver an die Reihe, den Ureinwohnern den Jesus aus ihren verwirrten Köpfen auszureden und ihnen stattdessen die Shinto Sitten beizubringen. Die Elite der westlichen Welt wurde durch zwei Knaller, in Hiroschima und Nagasaki, in die einsteinsche Relativität, diesmal der Realität des Lebens zurück gebombt.
Von Generation zu Generation endeten alle Schurkischen Großmannssüchte zwangsläufig in den Ruin. Es scheint so zu sein, als wäre das Schurkentum eine Konstante in der Geschichte der Menschheit, dass Größenwahn erstrebenswert ist, dabei die erbärmlichsten Versager oft die Vorbilder der heranwachsenden Jugendlichen sind.
Historiker und Archäologen forschen und buddeln nach Beweisen in den alten Ruinen der Welt, nach den sogenannten großen Männern der Vergangenheit. In der Regel handelt es sich dabei um Ruinen von Festungen, in denen sich die räuberischen Kriegstreiber vorübergehend verkriechen konnten. Je größenwahnsinniger so ein Kriegsheld war, umso ruhmreicher fiel die Sage der Geschichtsschreiber aus. Keinem dieser akademischen Forscher und Philosophen war es aufgefallen, dass die Lieblingshelden oft geisteskranke Kreaturen waren, deren einziges Bestreben schien, so viele Männer als möglich in den Bann ihres eigenen Größenwahns hineinzuziehen. Das Ausmaß des Unheils das diese Menschen auslösten, galt bei den sogenannten Akademikern als „die Meßlatte der Männlichkeit“ woran sich die nachrückende Generation der Gleichgesinnten messen sollte.
Die typisch männliche Geisteskrankheit stilisiert zur ruhmreichen Männlichkeit, umdichtet zum Heldentum, gesegnet von bekutteten Feiglingen, die sich hinter einem erfundenen Gott vor der männlichen Pflicht verdrücken. Dieser ganze Komplex der destruktiven barbarischen Selbstsucht bezeichnet man heute als Kulturerbe der Menschheit .
Ob Alexander, der wahnsinnig große römische Kaiser, der erfundene Karl, der wahnsinnig Große, Iwan, der wahnsinnig Schreckliche, Napoleon, Hitler, Stalin und den regierenden Männern von heute in den real existierenden Nationen. Alle diese Männer waren oder sind verliebt in ihre zwanghafte Machterhaltung. Sieht so unsere Zukunft aus, in der nur Zerstörung und Ausbeutung eine Rolle spielt, oder ist dem Menschen ein Funke Bewusstsein geblieben, diesen Teufelskreis doch noch zu durchbrechen?
Don warf noch einmal einen Blick auf die endlose grüne Bergkette der Insel, die dicht bewachsen mit tropischen Pflanzen und Bäumen einen wohltuenden, erhabenen Anblick ausstrahlten. Mit großer Wahrscheinlichkeit beherbergten sie noch unentdeckte Stämme, die der Christianisierung durch die westliche Kolonialisierung verborgen blieb. Er dachte auch an die große Mehrheit der Männer, die sich in ihrer sinnvollen Bescheidenheit dem Fortbestand der Menschheit widmeten, ihr tägliches Brot durch ehrliche Arbeit redlich verdienten. Ihre einzige geistige Impotenz bestand darin, dass sie es nie fertig brachten, die geistig kranke Elite in geeignete Umerziehungsanstalten einzusperren. Wie schön wäre es auf diesem wunderschönen Planeten, wenn Kutten, Uniformen, Abzeichen als Symbole nur die geistig Verwirrten schmückten. Don beendete seine Grübeleien über die Elite der Welt. Er fühlte sich immer danach beschmutzt und unwohl, als hätte er in einer Jauchegrube gebadet.
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Im Ruderhaus angekommen regelte er mit dem Steuermann Tom den Wachdienst am Ruder und Deck. Er selbst werde erst nach Mitternacht das Ruder übernehmen. Bis dahin nahm er sich vor ein Nickerchen zu machen. Die Diadora segelte vor dem Wind mit voller Besegelung. Kaum in seiner Koje angekommen, meldete sich Edy.
„Wir dachten du wirst an Deck Wurzeln schlagen. Wir haben Neuigkeiten, die weniger erfreulich sind Don.“
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