Seinen Schwarzen? Ob er sein Pferd so rief? Es passte gut zu seiner Farbe, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass Don‘kar so einfallslos war. Ich hielt mich kurz an dem Griff der Holztür fest, atmete tief durch und stieß die Tür energischer auf, als ich wollte.
Das erste was mir auffiel war, dass es drinnen nicht wärmer war, als ich es in dem Vulkanfell empfunden hatte. Ich schloss die Tür hinter mir und fand mich allein inmitten tausend bizarrer Schatten, die die Glut verbreitete, die seit dem letzten Auflegen der Holzscheiten in der Steinkuhle des Kamins noch vor sich hin glimmte. Ich erblickte das große Bett, das mit unzähligen Fellen bestückt war. Plötzlich überfiel mich ein Schwindelgefühl, dem ich mich nicht mehr entziehen konnte und in dieser Situation auch nicht wollte. Ich gab mich dem Gefühl ganz hin, legte das Fell, in das ich gehüllt war, vorsichtig auf den Boden, ließ mich auf das Bett fallen, das erwartungsgemäß weich war, begrub mich unter tausenden Fellen, drehte mich auf die Seite, atmete tief durch und spürte die Erleichterung, die sich in meinem Körper breit machte. Ich fühlte, wie die Anspannung aus mir wich, begrüßte die Müdigkeit, die mich in tiefe Bewusstlosigkeit stoßen wollte. Ein erschreckender Gedanke, der mich wie elektrisiert in die Höhe fahren ließ, beendete die Entspannung. War ich sicher hier? War hier keine Gefahr? Würde mich Don‘kar beschützen? Konnte er es, im Angesicht einer Gefahr um Leib und Seele? Ich blickte mich hektisch um: Es war nichts Auffälliges zu erkennen, ich war allein. Klopfenden Herzens sank ich in die Felle zurück, die Anspannung der letzten Erlebnisse forderte ihren Tribut, da sie noch tief in meinen Knochen steckte. Das Klopfen meines Herzens ließ langsam nach, mein Atem wurde regelmäßiger und ich versank endlich, tief in den Fellen eingekuschelt, in einen bewusstlosen Schlaf.
Als ich wieder aufwachte, stellte ich fest, dass ich tief und traumlos geschlafen hatte. Mich irritierte, dass ich zuerst nicht wusste, wo ich mich befand. Orientierungslos blickte ich mich um und als ich die Hütte erkannte, fielen mir alle Zusammenhänge sofort wieder ein. Nein, ich dachte nicht, dass ich alles nur geträumt hatte, es war mir mittlerweile bewusst, dass alles viel ernster und echter als in einem Traum war. Am Tisch, den ich vor meinem tiefen Schlaf wahrgenommen hatte, saß Don‘kar und betrachtete etwas intensiv. Das Bild kam mir bekannt vor, doch ich konnte mich nicht erinnern, wo ich es schon einmal gesehen hatte. Ich verhielt mich zunächst ruhig und musterte verstohlen den Raum. Er war sehr einfach eingerichtet: ein Tisch, zwei Stühle, neben dem Kamin ein Holzhaufen, davor ein großes Fell. Gegenüber dem Bett, in dem ich lag, befand sich ein Regal mit Holztellern, -besteck und -bechern. An der Innenseite der Tür nach draußen waren ein paar Haken eingeschlagen. An ihnen hing das Fell, das Don‘kar um mich geschlungen hatte, damit ich nicht erfror und daneben zwei seiner eigenen Felle. Im nächsten Moment betrachtete ich Don‘kar genauer. Ich sah, dass er unter dem Fell nicht nackt gewesen war, sondern ein weit geschnittenes, braunes Hemd trug, das von seiner behaarten, muskulösen Brust viel zeigte und eine Hose in der gleichen Farbe.
Don‘kar hatte meine Blicke gespürt, er drehte sich langsam zu mir um. Ich erkannte Besorgnis in seinem Blick, aber durch die unzureichende Beleuchtung in der Hütte konnte ich mir nicht sicher sein.
„Schön, dass du wach bist. Geht es dir besser?"
Ich richtete mich ein wenig in den Fellen auf und lächelte ihn an: „Ja. Danke, dass du mir das Leben gerettet hast."
Mehr fiel mir in diesem Moment nicht ein. Ich konnte es sowieso nicht wieder gut machen, aber ich wusste irgendwie, dass er das nicht verlangte. Er stand auf und kam zu mir herüber. Da erkannte ich erst, wie groß er war! Er überragte mich wohl um mehr als dreißig Zentimeter. Als er am Bett angekommen war, machte ich Anstalten aufzustehen - es wollte mir noch nicht gelingen. Ich hatte mich noch nie in meinem Leben so schwach gefühlt. Don‘kar setzte sich auf den Bettrand und drückte mich mit sanfter Gewalt zurück in die warmen Felle.
„Du musst dich ausruhen. Es ist ein Wunder, dass du noch lebst und wieder wach bist. Ich dachte schon, dass ich zu spät gekommen war und dich nicht mehr rechtzeitig erreicht hatte."
Das gab mir zu denken. Denn wenn er auf der Jagd gewesen war, was er vorher erwähnt hatte, konnte er mich auf diese Distanz kaum als menschliches Wesen erkannt haben! Ich gestand ihm meine Überlegungen mit einem Fragezeichen in meiner Stimme.
„Ich lebe schon lang hier und bin oft auf der Jagd. Ich kann selbst auf weite Entfernung hin ein Tier und einen Menschen auseinander halten."
Nun las ich wirklich Besorgnis in seinem Gesicht, denn ein anderer Gedanke zwängte sich ihm auf: "Ich dachte, als ich dich fand, dass du entführt und zum Sterben in der Eiswüste zurück gelassen wurdest."
Er wollte eine Antwort, das konnte ich in seinen Augen lesen. Ob sie ihm gefallen würde?
„Nein, ich bin nicht entführt worden, aber gestorben wäre ich, wenn du mich nicht gefunden und mitgenommen hättest. Ich...war auf der Suche nach jemandem und wurde hierher verschlagen. Ich hab keine Ahnung, wie ich an diesen Ort gekommen bin."
Ob er mir glaubte?
Ich hörte seine Gedanken: ‘Vielleicht haben sie deine Erinnerungen gelöscht. Wer weiß, wozu sie fähig sind.‘
Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass er mit „sie" eine bestimmte Personengruppe meinte, deren Bekanntschaft man besser nicht machte. Vorerst wollte ich wirklich nicht wissen, von wem er so etwas Übles dachte - in mir stieg erneut Entsetzen auf. Dies war kein lockeres Abenteuer, das mit einem Happy-End aufhörte, keine Geschichte, die mit dem Zuklappen des Buches endete. Dies war bittere Wirklichkeit, echte Gefahr, der Ausgang ungewiss. Ob ich wenigstens Don‘kar vertrauen konnte? Ich glaubte schon.
„Hast du Hunger?", unterbrach seine Stimme meine Gedanken und ich war ihm dankbar dafür.
„Oh ja, aber noch viel mehr Durst!", antwortete ich brav.
Don‘kar ging zum Tisch und hatte dort alles für mein Aufwachen vorbereitet. Er nahm einen Holzbecher und gab ihn mir. Ich setzte mich langsam auf, roch an dem Inhalt und kostete einen kleinen Schluck. So sehr die Flüssigkeit im Becher nach Kräutern gerochen hatte, so bitter schmeckte sie auch.
„Trink alles leer. Es wird dir helfen schneller gesund zu werden", versprach mir Don‘kar.
War ich krank? Ich nahm noch einen Schluck und genoss das Brennen in meinem Hals, fühlte, wie es sich meine Speiseröhre hinunterzog und in meinem Magen eine wohlige Wärme erzeugte. Nachdem ich den Becher bis auf den letzten Tropfen geleert hatte, fühlte ich mich tatsächlich ein wenig besser, entnahm dem schwindeligen Gefühl, das meinen Kopf ergriff, dass etwas Alkoholhaltiges dem Kräutertrank beigemengt war. Don‘kar hatte mich die ganze Zeit über interessiert betrachtet und war enttäuscht, dass ich bei dem bitteren Geschmack und dem Brennen im Hals keine Miene verzogen hatte.
„Was war das für ein Getränk, es hat sehr gut geschmeckt", fragte ich ihn und schmunzelte innerlich, dass ich ihn ein wenig angeschwindelt hatte.
„Ein Kräuterwein. Ich habe ihn selbst gemacht."
Fast hatte ich diese Antwort erwartet. Ich fühlte mich nun stark genug, um aufzustehen, schlug die Felle zurück und erhob mich langsam. Mein Kleid war zerknittert, meine Beine fühlten sich wachsweich an, mein Kopf dröhnte, es drehte sich alles um mich herum - ansonsten ging es mir recht gut, redete ich mir lakonisch ein und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. Don‘kar fixierte mich immer noch, als ob er jeden Moment damit rechnete, dass ich umfallen und er mich mit seinen starken Armen auffangen müsste. Aber den Gefallen tat ich ihm nicht.
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