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Hilfe, meine Nachbarn nerven!
Grabenkrieg am Grundstückszaun
Band 1
Copyright: © 2014 Ronald Weißig
Published by: epubli GmbH, Berlin
www. epubli.de
ISBN 978-3-8442-9064-6
Der Ort
Der Maschinenbauingenieur
Der verschrobene Mathematiker
Beamtenalltag
Die Eigenheimsiedlung in Wildbach
Der japanische Professor
Die Pflegedienstunternehmerin
Der Generaloberst a. D.
Sitzung des Gemeinderats
Alt Bauer Herbert Haase
Der italienische Gastronom
Das japanische Haus
Der Gerüstbauprofi
Otto Klein
Die Feingeister aus München
Erste Baustellenbesichtigung
Martin Brzybylla
Das Haus der Italiener
Ballauf wird ausgetrickst
Das Haus des Generalobersten
Ballauf wird erneut getäuscht
Das Haus der Münchner
Der Hund des Regierungsdirektors
Pi als Erkennungszeichen
Bergmännischer Vortrieb für Generaloberst Langsack
Im Visier der NSA
Der Fahrlehrer
Das Schutzbauwerk entsteht
Auslösung einer Sondermaßnahme in Fort Meade
Zwischenfall beim Haus Baumgärtel
Der Einzug des Mathematikers
Der Freak aus Ghana
Ballauf bekommt Stress
Aufbruch zu neuen Ufern
Die Fahrschulausbildung eines Wissenschaftlers
Ein Gangsta Rapper kommt nach Wildbach
Fahrstunden
Die Erfüllung eines Mädchentraumes
Bachmann bekommt die Fleppen
Die Sitzung des Gemeinderates im Jahr 2014
Wildbach war erstmalig 1756 erwähnt worden und zählte heute exakt 3.487 Einwohner, von denen sich schon zirka 40 Prozent im Ruhestand befanden. Das Dorf, wie es die Einheimischen zu nennen pflegten, befand sich keine 15 Kilometer von der boomenden Landeshauptstadt entfernt. Mit dem Auto kam man in knapp 30 Minuten dorthin, mit dem Bus, der an zwei Haltestellen die Passagiere in Wildbach aufsammelte, dauerte es auch nicht wesentlich länger. Die Wildbacher selbst verspürten allerdings wenig Neigung, in die aus ihrer Sicht unübersichtliche und hektische Landeshauptstadt zu reisen, denn sie fühlten sich durch drei Lebensmittelmärkte, zwei Bäckereien, einen Fleischer, ein paar Läden mit Waren verschiedenster Art, einen Dorfgasthof, eine Arztpraxis, eine Kirche und eine Tankstelle durchaus gut versorgt. Dazu kam, dass die Mehrzahl von ihnen schon immer in dem kleinen Ort lebte, die Menschen ausgesprochen bodenständig waren und keinen Wert auf Änderung ihrer Lebensverhältnisse legten, oder gar den Glanz bayrischer oder schwäbischer Siedlungen anstrebten. Die ausbleibende Ortsverschönerung resultierte nicht etwa aus Desinteresse oder Unlust der Einwohner, sondern lag schlicht und ergreifend am allerorten mangelndem Geld. Die meisten von den Wildbachern hatten früher als Bauern in der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft gearbeitet, Getreide, Raps, Zuckerrüben und ähnliches angebaut, oder ihre paar Ostmark in den Hühner- oder Kuhställen verdient. Diese Betriebe gingen nach der Wende zwar nicht sofort Pleite, aber die Beschäftigtenzahlen wurden drastisch nach unten gefahren, um der enormen Konkurrenz der anderen Anbieter wenigstens mit niedrigen Lohnkosten etwas Paroli bieten zu können. Das hatte dann zur Folge gehabt, dass etliche Wildbacher somit ihre Arbeit verloren hatten, und sich als ehemalige Bauern keineswegs dazu berufen fühlten, sich zu Büroangestellten umschulen zu lassen oder anderen artfremden Tätigkeiten nachzugehen.
Vielmehr gaben sie sich damit zufrieden, auf ihren Höfen verschiedenstes Viehzeug zu halten und als teilweise Selbstversorger damit die Haushaltkasse etwas zu entlasten. Außerdem hatten sie ihre Genossenschaftsanteile ausbezahlt bekommen. Es wurde zwar ständig über die harten neuen Zeiten gemeckert, aber man hatte sich auf die jetzigen Verhältnisse eingestellt und damit arrangiert, denn so richtig schlecht ging es keinem. Das lag auch daran, dass die ehemaligen Bauern schon früher neben ihrer eigentlichen Arbeit Flächen bewirtschaftet hatten, die sich seit Generationen im Eigentum ihrer Familien befanden. So gesehen hatten die meisten der Wildbacher zwar keine übermäßig hohen laufenden Einnahmen aus Hartz IV, aber verfügten, und das wussten sie als Bauern ganz genau, über einen schlummernden Schatz in Form ihrer Grundstücke.
Diese Flurstücke waren rings um den Ort herum verteilt, besser gesagt, sie fassten ihn geradezu ein. Die größte Konzentration der Flächen gab es aber am Ortseingang. Wildbach war eigentlich nichts weiter als eine Aneinanderreihung von Häusern und Höfen an einer fast 3 Kilometer langen und kurvigen Straße. Hinter den Anwesen erstreckten sich die Flächen der Bauern, und deren vormalige Nutzung als Acker- oder Weideland hatten die Leute schon lange aufgegeben, da sich eine Bewirtschaftung aufgrund der niedrigen Preise für Lebensmittel überhaupt nicht mehr rentierte. Dieses brachliegende Kapital (einige der Wildbacher hatten zwar die Werke von Karl Marx und seinen Jüngern lesen müssen, aber damit herzlich wenig anfangen können) heckte demzufolge kein Geld, und einige der Dorfbewohner beschlossen, diesem Zustand ein Ende zu bereiten. Konkret waren dies drei Familien, die am Ortausgang in Richtung der Landeshauptstadt eine zwar den jeweiligen Eigentümern zugeordnete, aber zusammenhängende größere Fläche besaßen. Da die Flächen als Bauland deklariert worden waren lag es nahe, diesen Boden seiner eigentlichen Bestimmung zuzuführen und ihn ordentlich zu versilbern.
Wildbach hatte einen Bürgermeister, eine Verwaltungsangestellte und einen fünfköpfigen Gemeinderat, in dem zufälligerweise drei Mitglieder der besagten Familien Mitglied waren. Walther Ziergiebel war vor einem Jahr mit 56 Jahren aus dem Schuldienst ausgeschieden (wegen vorgeblicher akuter Erschöpfungssymtome) und seitdem auf der Suche nach einer sinnvollen Beschäftigung im Ruhestand gewesen, denn ihm fehlte es schon etwas, vor seinen Schülern aufzutreten. Insbesondere war es ihm schon bei seinem Berufseinstieg wichtig gewesen eine Fächerkombination anzustreben, bei der er einerseits intellektuelle Anforderungen, und anderseits physische Leistungen verbinden konnte. Daraus ergab sich dann, dass Ziergiebel Deutsch und Sport unterrichtete. Die ausgiebige Beschäftigung mit der Sprache hatte dazu geführt, dass er geschliffen formulieren konnte und seine Rhetorik brillant war. Durch die langjährige sportliche Betätigung war Ziergiebel in blendender körperlicher Verfassung, und aufgrund der ländlichen Lage von Wildbach lag es nahe, dass er sich weiterhin durch Joggen fit hielt. Das lastete ihn aber keineswegs aus, und da er Zeit seines Lebens Junggeselle geblieben war, hatte er auch niemanden, mit dem er seine Tage gemeinsam verbringen konnte.
Ziergiebel hatte also vor 8 Monaten für den Bürgermeisterposten kandidiert, und wurde mit überwältigenden 96 Prozent der Stimmen gewählt. Natürlich hatte er sich vor der Kandidatur Gedanken gemacht, was den Wildbachern am Herzen liegen würde. Walther Ziergiebel zählte zu den Alteingesessenen des Ortes und war als ehemaliger Lehrer durchaus eine Respektsperson. Obwohl er teilweise den Eindruck eines Eigenbrötlers machte, war er Geselligkeiten nicht abgeneigt, und seit Jahren saß er mit am Stammtisch des Dorfgasthofes. Regelmäßig Freitagabend genehmigte er sich zusammen mit dem Arzt, dem Chef der freiwilligen Feuerwehr, der Pastorin und dem Marktleiter des NEDDA (Natürlich Ernähren Durch Delikate Angebote) einige Getränke und angeregte Gespräche.
„Es muss sich mal etwas tun in Wildbach“ hatte der Arzt geklagt „wir vergreisen immer mehr, und meine jüngeren Patienten kann ich bald an zwei Händen abzählen. Wenn hier kein frisches Blut reinkommt, stirbt das Dorf demnächst aus.“
„Was wollen Sie dagegen tun“ hatte der Marktleiter gefragt „die Wildbacher sitzen seit Jahrhunderten an diesem Fleck und unser Dorf ist ja weiß Gott kein Ort, um Fremde zum Bleiben anzulocken.“
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