Giri hörte den spannenden Geschichten gerne zu. Es gab so viele Länder und die verschiedensten Landschaften. Dort war alles so ganz anders als hier bei ihr Zuhause. Eine so lange Reise, wie die der Zugvögel, steckte voller Abenteuer und unglaublicher Erlebnisse, eine Welt voller Geheimnisse.
Schon bald war der Abend da, und alle zogen sich zur Nacht zurück.
Übermütig tobte Giri herum. Sie rannte bald hierhin und bald dorthin. Durch jeden Busch konnte auch hindurchgelaufen werden statt um ihn herumzugehen. Giri war schon ganz außer Atem.
Fast wäre sie über ein von irgendeinem Tier gegrabenes Loch im Boden gestolpert. Beinahe wäre sie dabei mit dem Huf umgeknickt. Sie sollte vielleicht etwas vorsichtiger sein, dachte Giri. Aber bei dem Gedanken blieb sie nur kurz. Weiter ging es. Doch dann passierte es.
Als Giri auftreten wollte, tat es plötzlich sehr weh an einem der Hufe. Sie musste in irgendetwas hineingetreten sein und sich verletzt haben. Humpelnd ging sie ein Stück weiter. Doch es wurde nicht besser. Sie beschloss, erst einmal nach Hause zu gehen.
Das war einfacher gesagt als getan. Denn jeder Schritt tat sehr weh, und Giri kam so auch nur langsam voran. Am Bachlauf blieb sie endlich erschöpft stehen. Sie fühlte sich geschwächt und setzte sich hin. Aber auch das Ausruhen half nicht gegen den Schmerz im Huf. Trotz ihres langen Halses konnte sie auch nicht so recht sehen, was dort unter dem Huf weh tat.
Nach einer Weile versuchte sie wieder aufzustehen. Doch das war nicht möglich. Sie konnte mit dem verletzten Huf nicht auftreten. Vielleicht war das mit dem Hinsetzen keine so gute Idee gewesen. Ratlos blickte Giri umher. Da hörte sie ein Rascheln. Und nun sah sie auch eine Schlange ganz in der Nähe.
Die Schlange kam langsam auf Giri zugekrochen. Als sie Giri erreicht hatte, rollte sie sich vor ihr auf. Beide schauten sich einen Moment schweigend an. Dann legte die Schlange ihren Kopf ein wenig zur Seite und fragte schließlich:
»Warum sitzt du hier so traurig herum? Ist etwas passiert?«
»Ich habe mir wohl den Huf vertreten, es tut sehr weh«, jammerte Giri. »Ich kann aber auch nichts sehen ...«
»Dann lasse mich einmal nachschauen« sagte die Schlange. Während Giri vorsichtig den verletzten Hinterhuf anhob, schaute die Schlange darunter.
»Oh, da ist ein Dorn, der in deinem Huf steckt. Warte einen Moment. Den kann ich bestimmt wieder herausziehen.«
Die Schlange kroch näher heran und brachte ihren Kopf in die richtige Position. Nach ein paar Versuchen konnte sie endlich den Dorn mit ihrem Mund festklemmen – und dann zog sie einmal kräftig daran. Giri schrie vor Schmerz auf und setzte den Huf zur Seite ab. Die Schlange aber hatte sich schon zur anderen Seite fortbewegt und spuckte den Dorn aus: »So, jetzt müsste es besser sein ...«
Richtig, der Huf tat nicht mehr so weh, und Giri konnte behutsam aufstehen. Giri bedankte sich bei der Schlange für die Hilfe und ging dann langsam und vorsichtig nach Hause. Dort angekommen legte sie sich gleich schlafen.
Am nächsten Morgen war tatsächlich alles wieder gut. Giri war wieder bereit für ein neues Abenteuer.
Das Trompeten der Elefanten war schon aus großer Entfernung zu hören. Neugierig ging Giri in diese Richtung. Elefanten kamen immer auf ihren ausgedehnten Wanderungen weit herum. Was die wohl so zu erzählen hatten? Von denen konnte man immer etwas Spannendes erfahren.
Dann sah sie endlich die große Gruppe von Elefanten. Von ihrem Getrampel, wenn sie ins Laufen kamen, erzitterte richtig der Boden. Sie lief auf zwei Elefanten zu, die bei einem Baum stehengeblieben waren und Blätter aßen. Und so kamen sie ins Gespräch und tauschten Neuigkeiten aus.
Der eine Elefant machte sich dann über Giris langen Hals lustig.
»Und was ist mit deinem langen Rüssel?«, fragte Giri. »Der ist doch auch nicht besser ...«
»Stimmt, damit sehe ich aus wie du«, lachte der Elefant und streckte den Rüssel nach oben. Dabei tat er so, als würde er mit dem Ende sich in der Gegend umschauen. Genau wie Giri das machte. Nur das er natürlich mit dem Rüssel nichts sehen konnte.
Die beiden anderen mussten lachen. »Du bist ein Giraffenelefant!«
»Ich kann damit sogar Wasser trinken«, rief er und sog ein bisschen Wasser von einer Schlammpfütze auf. Gleich darauf spritzte er Giri und den anderen Elefanten damit voll. »Das kannst du nicht so gut, Giri«, meinte er.
»Ja, das ist immer so mühsam, sich so tief nach unten zu beugen«, sagte Giri fröhlich. Dann versuchte sie ihren Hals herunterhängen zu lassen und dabei so hin und her zu bewegen wie einen Rüssel. Die beiden Elefanten mussten lachen.
Giri meinte: »Aber dafür kann ich die besten Blätter bequem ganz von oben essen.« Sie zeigte das auch gleich und knabberte ein wenig an einem hoch hängenden Zweig herum.
»Das kann ich auch«, behauptete der Giraffenelefant. Kurzerhand bog er mit dem Rüssel einige Zweige und Äste des Baumes herunter. Jetzt waren sie weit genug unten, so dass er die Blätter bequem essen konnte.
So tobten die drei noch lange durch das Gebüsch. Doch dann mussten sich die beiden Elefanten verabschieden. Die übrige Elefantenherde war schon etwas weiter weg gezogen. Und sie wollten die anderen Elefanten wieder erreichen.
Giri freute sich noch weiter über diesen unterhaltsamen Nachmittag.
Begegnung mit einem Löwen
Giri ging langsam und schlurfend durch Gras und Gebüsch. Heute war es richtig langweilig. Sie hatte schon überall vorbeigesehen. Aber es war nichts Neues zu entdecken. So ging es schon die ganze Zeit. Heute schien sich einfach nichts Interessantes zu ereignen.
Doch plötzlich hörte sie ein Rascheln. Dann sah sie ein paar Tiere ein Stück weiter vorne vorbeilaufen. »Die haben es aber eilig«, dachte sie, und ging gelangweilt weiter in die andere Richtung. Nun hörte sie schon wieder ein Getrappel. Was war das? Wieder ein paar Tiere, die von irgendwo nach anderswo liefen.
Giri setzte ihren ziellosen Weg fort. Doch nach ein paar Schritte blieb sie auf einmal stehen: Denn sie erblickte zwischen den Büschen, ein Stückchen entfernt, einen Löwen. Sie erschrak. Der Löwe ging zwar sehr langsam und blieb immer wieder stehen. Er kam ihr aber auch immer näher.
Schnell rannte Giri zu einer Gruppe von Bäumen, um sich dort zu verstecken. Sie versuchte sich ganz klein zu machen. Das ist aber für eine Giraffe etwas schwierig. So guckte ihr Hals und Kopf trotz allem über die geradezu winzigen Bäumchen hinweg. Warum mussten die Bäume hier nur so klein sein?
Der Löwe machte weiter ein paar Schritte in Giris Richtung. Er schüttelte seinen Kopf mit der langen Löwenmähne. Dann suchte er nach irgendetwas auf dem Boden. Er drehte sich um und ging wieder zurück. Nach zwei, drei Schritten drehte er sich aber erneut um und trottete langsam zurück auf die Baumgruppe zu, hinter der sich Giri versteckte. Er blieb stehen und schaute gelangweilt nach rechts, schaute nach links. Dann gähnte er ausgiebig und legte sich schließlich auf einen von der Sonne beschienenen Stein. Es war jetzt erst einmal Zeit für ein Mittagsschläfchen. Während der Löwe vor sich hin döste, bewegte er nur manchmal ein bisschen den Kopf oder legte den Schwanz etwas anders hin.
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