BERTOLT BRECHT Die riesige Erle
Etwa fünfzig Meter von meinem Grundstück(12) entfernt erhebt sich über die Gesträucher wie eine breite, grüne Wolke eine riesige Erle, die ich auch noch zu meinem Besitz rechne, da von einem bestimmten Punkt meines Gartens aus ihr vielleicht vollkommenster Anblick gewährt ist. Gleichsam um ihre Schönheit erst voll zu zeigen, steht hinter ihr eine in ihrer Art ebenso schöne Fichte von dunklem Grün, eine kleine, zapfenbehangene Zacke über der wogenden Erle.
Der Garten ist auf welligem Gelände angelegt, so daß man von seinen Enden die Enden nicht sieht. So wirkt er, der keineswegs sehr groß ist – nicht über ein Tagwerk -, wie ein gewaltiger Park.
Die Bäume sind in Gruppen gepflanzt. Sieben oder acht bilden eine Wand, mitunter erwecken zwei oder drei den Eindruck eines einzigen Baumes, ihr Blätterdach ist ihnen gemeinsam. Etwa in der Mitte des Gartens halten sich wunderbare, fast schwarze Fichten auf. Es ist, als träte man in einen kleinen Wald. Sie umgeben einen etwas finsteren Karpfenteich.
Die vielen und außerordentlich schönen und verschiedenen Pflanzen sind so gescheit angeordnet, daß der Garten keineswegs allzu reich bepflanzt wirkt. Die Anordnung verbirgt glücklich seinen wirklichen Reichtum. Es gibt auf dem welligen Gelände die schönsten Wiesen. Darauf stehen kleine Büsche von lang blühenden Blumen in halber Männerhöhe und einfarben. Je nach den verschiedenen Einblicksmöglichkeiten sieht man den einen oder den anderen. Von einer bestimmten Stelle aus sieht man nachts, fast erschreckt, einen schneeweißen.
BERTOLT BRECHT Zeit meines Reichtums
Sieben Wochen meines Lebens war ich reich.
Vom Ertrag eines Stückes erwarb ich
Ein Haus in einem großen Garten. Ich hatte es
Mehr Wochen betrachtet, als ich es bewohnte. Zu
verschiedenen Tageszeiten
Und auch des Nachts ging ich erst vorbei, zu sehen
Wie die alten Bäume über den Wiesen stünden in der
Frühdämmerung
Oder der Teich mit den moosigen Karpfen lag, vormittags,
bei Regen
Die Hecken zu sehen in der vollen Sonne des Mittags
Die weißen Rhododendrenbüsche am Abend, nach dem
Vesperläuten.
Dann zog ich ein mit den Freunden. Mein Wagen
Stand unter den Fichten. Wir sahen uns um: von keiner
Stelle aus
Sah man dieses Gartens Grenzen alle, die Neigungen der
Rasenflächen
Und die Baumgruppen verhinderten, daß die Hecken sich
Erblickten.
Auch das Haus war schön. Die Treppe aus edlem Holz,
sachkundig behandelt
Flachstufig mit schönmaßigem Geländer. Die geweißneten
Stuben
Hatten getäfelte Hölzer zur Decke. Mächtige eiserne
Öfen
Von zierlichster Gestalt trugen getriebene Bildnisse:
arbeitende Bauern.
In den kühlen Flur mit den eichenen Bänken und
Tischen
Führten starke Türen, ihre Erzklinken
Waren nicht die erstbesten, und die Steinfliesen um das
bräunliche Haus
Waren glatt und eingesunken von den Tritten
Früherer Bewohner. Was für wohltuende Maße! Jeder
Raum anders
Und jeder der beste! Und wie veränderten sich alle mit
den Tageszeiten!
Den Wandel der Jahreszeiten, sicher köstlich, erlebten
wir nicht, denn
Nach sieben Wochen echten Reichtums verließen wir das
Besitztum, bald
Flohen wir über die Grenze.
JOHANN ANDREAS BUCHNER Die Theresia-Heilquelle
1833 entdeckte der Greifenberger Landarzt Josef Hasinger in der Nähe seines Hauses eine schwefelhaltige Quelle. Er errichtete dort ein Badehaus das am 30. Oktober 1836 den Namen „Theresien-Heilbad“ erhielt. Durch den Bahnbau und die Errichtung einer Haltestelle erfuhr 1898 das Mineralbad einen wesentlichen Aufschwung.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Heilbad nicht mehr weiter betrieben. 1935 zog nach der Renovierung eine „Obergauführerinnenschule“ des nationalsozialistischen Bundes Deutscher Mädel (BDM) ein. Im Zweiten Weltkrieg diente es dann als Lazarett, ab 1945 als Unterkunft für rassisch Verfolgte. Nach einem Brand ließ es der Landkreis Landsberg zu einem Altenheim umbauen.
Am westlichen Ufer des Ammersees im bayerischen Oberlande, in einer höchst anmuthigen und gesunden Gegend erhebt sich eine freundliche Anhöhe, worauf das uralte Schloss Greifenberg prangt und in weiter Ferne glänzt. Es ist diess der Sitz des Freyherrlich von Perfall’schen Patrimonial-Gerichts Greifenberg. Südwestlich hinter dem Schlossberge erhebt sich eine zweite sanft aufsteigende Anhöhe, deren Boden, obgleich gegen 50 Fuss über dem Ammersee erhaben, durch aufsteigende Gewässer moorig ist. Ein Theil dieses Moorgrundes ist Eigenthum des Landarztes zu Greifenberg Hrn. Jos. Hasinger, welcher wegen seiner ärztlichen, chirurgischen und geburtshülflichen Kenntnisse und Geschicklichkeit, so wie auch wegen seiner Menschenfreundlichkeit und seines unverdrossenenen Eifers im Dienste der leidenden Menschheit, weit und breit in seiner Gegend gekannt, geschätzt und gesucht ist.
Es war im Jahre 1833 als Herr Landarzt Hasinger diesen an sein Wohnhaus gränzenden Moorgrund durch Ziehen eines Abzuggrabens zu verbessern suchte und dabei in einer Entfernung von etwa 700 Fuss(13) von seinem Hause eine Quelle entdeckte, welche, nicht so fast als Ursache der Versumpfung des Bodens, sondern vielmehr wegen ihrer sinnlich auffallenden Eigenschaften die Aufmerksamkeit des Eigenthümers sogleich in so hohem Grade fesselte, dass Hr. Hasinger selbst eine chemische Prüfung derselben vornahm und darin Eisen, Kohlensäure und Schwefelwasserstoff entdecken zu können glaubte. Später kam man in geringer Entfernung von der erstern noch auf eine zweite Quelle, mit ähnlichen jedoch etwas abweichenden Eigenschaften. Die scheinbar gehaltreichere Quelle liess Herr Hasinger tiefer graben, reinigen, zweckmässig gassen, bedecken und durch eine Röhrenleitung in sein tiefer stehendes Haus leiten, während die andere Quelle einstweilen nur mit einem Bretterdache versehen und während des Sommers über als provisorische Badeanstalt benützt wurde. Alle Umstände, die schöne und ungemein gesunde Lage, die Nähe von Landsberg, die nicht sehr beträchtliche Entfernung von Augsburg und München, der Mangel anderer Heilquellen in der Gegend, die Reichhaltigkeit der Quellen ganz in der Nähe des Wohnhauses des Eigenthümers so wie auch des Dorfes u. Schlosses Greifenberg an der Münchner-Landsberger Strasse, ganz besonders aber die sinnlichen Merkmale des Wassers, der eigenthümliche schwefelwasserstoffartige Geruch und der Gehalt an Eisen u.s.w., erweckten den Unternehmungsgeist des Herrn Hasinger so, dass er nicht säumte, die nächsten passenden Krankheitsfälle für Heilversuche durch seine Quelle zu benützen, welche auf die überraschendste Weise mit glücklichen Erfolgen gekrünt wurden. Aus den mündlichen und schriftlichen Mittheilungen des Herrn Hasinger wollen wir hier nur folgende Punkte in Kürze hervorheben: 1) Die Errichtung des Theresia – Heilbades betreffend. Als im Anfange des Jahres 1836 die königl. Genehmigung zur Errichtung dieser Anstalt erfolgte, waren bereits die Pläne hierzu entworfen und die nöthigen Baumaterialien herbeigeschafft, so dass der Bau des Badehauses rasch begonnen und in kurzer Zeit so weit ausgeführt werden konnte, dass schon in demselben Sommer darin gebadet wurde, und die Zahl der Badegäste im ersten Jahre bereits auf 144 stieg. Es war der Klugheit angemessen, das Unternehmen klein anzufangen, und den Bau so zu führen, dass das Haus in der Folge nach Bedürfniss vergrössert werden kann. Vorläufig wurden in dem neben dem Wohnhause aufgeführten Badehause 6 heitzbare und 10 unheitzbare Wohn- und Badezimmer eingerichtet, und beide Häuser durch einen bedeckten Gang in Verbindung gebracht. Am 15. October hatte die jugendliche Anstalt das unerwartete Glück, von Ihren Majestäten dem allgeliebten Herrscherpaare König Ludwig und Königin Therese von Bayern, in Begleitung von König Otto von Griechenland und von den königlichen Hoheiten Maximilian Kronprinz von Bayern, Prinz Luitpold, Prinz Karl, Prinz Ludwig Erb-Grossherzog von Hessen-Darmstadt und der Frau Erbgrossherzogin Mathilde k. Hoh. nebst zahlreicher Begleitung mit persönlichem Besuch und Allerhöchster Zufriedenheits-Bezeugung überrascht zu werden, worauf Seine Königliche Majestät geruhten, durch Ministeral-Rescript vom 30. October der Anstalt den Namen Theresia – Heilbad allerhuldvollst zu verleihen. Hocherfreut über diese glückliche und bedeutungsvolle Inauguration both der unermüdet thätige Unternehmer alle seine Kräfte auf, um mit kluger Umsicht seiner Anstalt eine zweckmässige Einrichtung zu geben, und im März 1837 machte er die Eröffnung des Theresia – Heilbades durch eine Anzeige bekannt. Wir entnehmen daraus folgende Punkte: Den Badegästen steht es frei, ob sie in der Anstalt selbst, oder im Wirtshause wohnen und speisen wollen; beiderseits wird im Voraus solide billige Bedienung und Bequemlichkeit versichert. Die Billigkeit erhellet aus folgenden Preisbestimmungen:
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