Nancy Salchow - Das Haus der Luftblumen

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Das Haus der Luftblumen: краткое содержание, описание и аннотация

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Wäre die Liebe ein Mensch, dann vermutlich ein übergewichtiger kleiner Mann, der mit Pfeil und Bogen auf die Herzen von Menschen schießt.
Wäre sie ein Ort, dann wahrscheinlich ein Haus.
Das Haus, in dem ich lebe.
Als professionelle Songtexterin könnte Tina es sich aussuchen, welche Aufträge sie annimmt. Trotzdem gelingt es ihr nicht, das Angebot von Piets Band abzulehnen – Piet, der Mann, der einst ihr Herz gebrochen und inzwischen ein Kind mit einer Anderen hat. In einem Ferienhaus an der Ostsee, ihrer alten Heimat, versucht sie, in völliger Abgeschiedenheit an den Texten für das Album der Band zu arbeiten. Doch beim Schreiben suchen Tina seltsame Ahnungen heim. Fast scheint es, als läge eine Energie in der Luft, die all die Emotionen auffängt, die je von Menschen in das kleine Haus am Meer getragen wurden. Und während die Geschichten des Hauses unerklärlichen Einfluss auf Tinas Texte nehmen, überkommt sie eine unfassbare Erkenntnis: Es ist die Liebe höchst selbst, mit der sie unter einem Dach lebt. Und die hat einiges mit ihr vor.

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„Alles, was die Band heute ist, ist sie nur durch dich, Tina. Du weißt, dass wir es nicht so mit Worten haben.“

„Ihr seid an dem Punkt, an dem ihr euch locker auch einen anderen Texter leisten könntet. Einen mit wesentlich mehr Erfahrung.“

„Wie können wir erwarten, dass uns jemand aus der Seele spricht, der uns nicht kennt? Du kennst uns, Tina. Du kennst mich. Vermutlich besser als jeder andere.“

Vermutlich besser als jeder andere. Diese Worte hatten sich wie ein Anker in meinem Bewusstsein verkeilt. Wo in seinem Kopf befand sich der Gedanke an Jessica, als er diese Worte aussprach? Vermutlich besser als jeder andere. War es möglich, dass es noch immer eine Bindung zwischen uns gab, die selbst sie – der Grund für die offensichtliche Unterbrechung ebendieser Bindung – niemals restlos zerstören konnte?

Je öfter ich mir das Gespräch ins Gedächtnis rief, desto sicherer wurde ich, dass er mit solchen Kommentaren lediglich versucht hatte, mir zu schmeicheln, um mich erneut ins Boot zu holen.

„Ich glaube nicht, dass ich euch, dass ich dich noch wirklich kenne, Piet. Es ist so viel geschehen, und das letzte Album ist fast anderthalb Jahre alt.“

„Genau darum geht es. Anderthalb Jahre sind eine lange Zeit für eine Pause, zumindest wenn man vorher zwei erfolgreiche Alben herausgebracht hat. Wir müssen es wieder wagen, wir müssen wieder auf Tour gehen, neue Songs liefern. Und ohne dich sind wir eben nicht die Band, die die Fans lieben. Wir brauchen deine Worte, Tina. Mehr als jemals zuvor.“ Er umkreiste den Rand seiner Kaffeetasse mit dem Zeigefinger, eine schmerzlich vertraute Geste. „Wenn es eine Frage des Geldes ist …“

„Es geht nicht ums Geld, Piet. So gut solltest du mich inzwischen kennen.“

„Siehst du, damit gibst du es selbst zu: Ich kenne dich. Genau wie du mich kennst.“

„Ich bin mir einfach nicht sicher, ob ich das schaffe. Mit euch in einem Raum, so wie früher. Es ist einfach nicht mehr dasselbe seit …“

Ich unterdrückte den Drang, ihren Namen auszusprechen.

Ich spürte, dass er nach einer passenden Antwort suchte. Eine Antwort, die mich überzeugte und dennoch gewisse Anhaltspunkte umging, die mich verletzen könnten.

„Und wenn du einfach allein schreibst? Ohne uns? Du hast früher oft die Texte zu Hause ausgearbeitet. Was, wenn du es diesmal ausschließlich allein machst? Wir geben dir die Demos, und du gibst ihnen mit deinen Worten ein Gesicht.“

Dieser Vorschlag war es schließlich, der mich überzeugte, auch wenn es noch eine ganze Weile dauern sollte, bis ich imstande war, es auch zuzugeben. Im Grunde hatte mich bereits der erste Blick von ihm überzeugt, der mich traf, als ich das Café betrat. Der erste Blick seit siebzehn endlosen Monaten, der in Bruchteilen von Sekunden alle mühsam unter den Teppich gekehrten Emotionen wieder an die Oberfläche geholt hatte.

„Ich weiß nicht, ob das funktionieren wird.“

„Natürlich wird es das“, antwortete er mit einer Stimme, die noch immer jedes Eis in mir zum Schmelzen brachte. „Du bist ein Profi, Tina.“

„Ja“, antwortete ich leise. „Ein Profi.“

*

Die braunen Reste von krümeligem Rührei auf meinem Teller erinnerten mich daran, mir die Telefonnummern ansässiger Pizzalieferanten zu besorgen. Vier Wochen waren eine lange Zeit, vor allem, wenn man nicht kochen konnte.

Mit dem Laptop auf dem Schoß saß ich mit ausgestreckten Beinen auf dem Sofa des fremden Wohnzimmers. An diesem ersten einsamen Abend konnte ich noch kein Vertrauen in die neue Umgebung fassen. Ich fühlte mich seltsam deplatziert und weit weg von allem. Weit weg von Hamburg. Und irgendwie auch weit weg von mir selbst.

Seit mittlerweile zwei Stunden durchforstete ich mein Archiv von Textbausteinen, die ich im Laufe der letzten Jahre in besonders hellen Momenten zusammengetragen und für die spätere Verwendung abgespeichert hatte. Den eigentlich ersten Schritt, mir die Demos anzuhören und nach der jeweiligen Stimmung des Songs über eine erste Richtung des Themas nachzudenken, zögerte ich instinktiv hinaus. Stattdessen starrte ich auf eines der Bilder, das auf der Collage meines Laptophintergrundes zu sehen war. Das Foto zeigte die Band und mich auf der Aftershow-Party der Verleihung eines Musikpreises, den sie für ihr Debütalbum erhalten hatten. Zacharias und Anton standen links von mir, Lars ganz rechts, während Piet direkt neben mir seine Hand auf meine Schulter legte.

Jedes Mal, wenn ich das Bild betrachtete, fiel mir das mädchenhafte Rosa meiner Wangen auf, das eindeutig auf zu hohen Martinikonsum zurückzuführen war. Das lange dunkelblonde Haar, das auf den olivgrün schimmernden Stoff eines Blazers fiel, der selbst heute noch in meinem Kleiderschrank hing. Piet, der sein dunkles Haar damals wie heute millimeterkurz trug, in einem schwarzen Shirt mit dem Schriftzug Qreuzwort, dem Namen der Band.

Wie alt war ich auf dem Foto? 25? 26? Dann war Piet höchstens 27. Drei Jahre war das inzwischen her, und noch immer erinnerte ich mich genau an die ausgelassene Stimmung. Er hatte an jenem Abend darauf bestanden, dass ich den Preis mit nach Hause nehme, denn seiner Meinung nach hatte die Band ihn zum Großteil meinen Texten zu verdanken. Ich hatte mit dem Argument abgelehnt, dass keine von Tausend verliebten Teenies auf den Text achtet, wenn gutaussehende Jungs mit Gitarren die Bühne stürmen. Resultat unserer endlosen Diskussion war das Anbringen eines Regals im Probenraum, auf dem der Preis plaziert wurde, um die Frage, wer ihn mit nach Hause nimmt, endgültig aus der Welt zu schaffen.

Ich öffnete das Textverarbeitungsprogramm, um Piets Anblick zu entgehen. Fotos vergangener Zeiten waren keine besonders große Hilfe bei dem Versuch, mich von den Erinnerungen abzulenken. Stattdessen überwand ich mich, endlich den ersten Track der Demos zu öffnen. Es war an der Zeit, produktiv zu werden.

Bereits bei den ersten Tönen – zu hören war eine einzelne Akustikgitarre – überkam mich das überwältigende Gefühl von beinahe schmerzlichem Vertrauen. Ich wusste, dass es Piet war, der für gewöhnlich die Rohfassungen der Demos einspielte, und auch bei diesem Track hatte ich seine Hände auf den Gitarrensaiten regelrecht vor Augen.

Ich klickte auf den Pause-Button und holte tief Luft. Wie sollte ich die Arbeit an vollen vierzehn Stücken durchhalten, wenn ich bereits bei den ersten Sekunden eines Songs gegen die Emotionen ankämpfte?

Andererseits waren es genau die Emotionen, die ich brauchte, um so zu schreiben, wie man es von mir erwartete. Wie ich es von mir erwartete!

„Profi“, murmelte ich mir selber zu. „Du bist ein Profi, Tina. Immer dran denken!“

Und während ich versuchte, mein eigenes Mantra zu verinnerlichen, wanderte der Cursor erneut zum Play-Button.

Die ersten Töne des Songs waren wie kleine Nadelstiche, die sich langsam in die Oberfläche meiner Haut bohrten. Jeder Akkord fügte dem Bild in meinem Kopf ein weiteres Detail hinzu. Dem Bild von Piet.

„Profi“, summte ich mir erneut zu. „Du bist ein Profi. Und Profis lassen sich nicht durch überflüssige Emotionen von ihrer Arbeit ablenken.“

Als nach einem längeren Intro die erste Strophe folgte, die er mit einem Wechsel im Rhythmus andeutete, begann schließlich der vertraute Ablauf in meinem Kopf. Wortfetzen reihten sich zusammenhanglos aneinander, um mit jedem weiteren Ton langsam Form anzunehmen.

Ein Gefühl der Erleichterung überkam mich. Die Gedanken an Piet hatten mich nur kurzzeitig aus dem Konzept gebracht, taten jedoch der instinktiven Suche nach einem geeigneten Thema für den Song keinen Abbruch.

Die Mollakkorde hauchten dem Song Wehmut ein. Eine Wehmut, die nur allzu gut zu meiner eigenen Stimmung passte. Vielleicht wartete der Song ja auf einen Text über einen Gitarristen, der seiner ambitionierten Songtexterin durch eine viel zu vertrauensselige Freundschaft Hoffnungen machte, die er mit einem denkwürdigen Wochenende krönte, nur um ihr wenige Wochen später mitzuteilen, dass seine Freundin, mit der er eigentlich Schluss gemacht hatte, ein Kind von ihm erwartet.

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