Lara Greystone
Zeit zum Überleben - Zukunft
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Inhaltsverzeichnis
Titel Lara Greystone Zeit zum Überleben - Zukunft Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Nachwort
„Sanft berührte Narben“
Bisher erschienen von Lara Greystone:
Cover & Korrektorat
Danksagung
Über den Autor
Rechtliches
Leseprobe aus „Sanft berührte Narben“
Impressum neobooks
Zeit zum Überleben – Zukunft
Ein Roman von Lara Greystone
Ich bin Jessy und meine ganz normale, spießige Welt wurde vor einigen Monaten völlig aus den Angeln gehoben.
Dieses Land und seine Nachbarländer sind leer und still geworden. Na ja, bis auf den Hahn, der mir mit seinem Gekrächze schon vor Sonnenaufgang den letzten Nerv raubt.
Still – denn der Lärm der modernen Zivilisation ist verstummt.
Leer – denn es leben kaum noch Menschen.
Das liegt an dem Krieg, wobei es kein Krieg im herkömmlichen Sinne war. Eigentlich ging es nur um Rohstoffe, denn die waren der stetig wachsenden und riesigen Exportnation im Osten ausgegangen. Die anderen Länder hatten selbst nicht mehr genug für den Verkauf, denn es war für alle knapp geworden. Aber zum Exportieren braucht man eben Rohstoffe, von Öl mal ganz abgesehen.
Es fielen keine Bomben.
Es gab auch keine Kriegserklärung.
Es brach nur plötzlich eine neue Welle der Vogelgrippe aus, und zwar ein extrem ansteckender Virenstamm.
So fing alles an …
Still und heimlich hatte die Nation im Osten zuvor ihre Bürger geimpft. Heute kalkuliert man, dass nur 60 Prozent der Bevölkerung dieser Grippe zum Opfer gefallen wären. Aber da gab es jenen Pharmakonzern, der mit ebenso viel finanzieller Gier wie Hastigkeit einen Impfstoff entwickelt hatte. Angesichts der Sterberate war die Angst größer als die Vorsicht und es war ja auch das einzige Mittel auf dem Markt. Und mit dem grassierenden Tod vor Augen fragte niemand nach, nur das Überleben zählte noch.
In Windeseile ließ sich die gesamte Bevölkerung impfen und der Konzern wurde unsagbar reich. Aber erst starben Tausende wegen unerwarteter Nebenwirkungen und dann mutierte der Virus sogar noch in eine weitaus aggressivere Form. Die Experten waren sich später einig, dass der nicht ausreichend getestete Impfstoff dafür verantwortlich war.
Unterm Strich starben in manchen Regionen über 99 Prozent der Bevölkerung innerhalb kürzester Zeit.
Nun brauchen wir nicht mehr so viele Rohstoffe.
Zur ursprünglichen Strategie der Armee aus dem Osten gehörten auch Pläne, Teile von Mitteleuropa und Afrika zu überrennen. Dazu setzten sie flächendeckende sogenannte EMP-Wellen ein. Die sorgten dafür, dass alle elektronischen Geräte von einer Sekunde auf die andere dauerhaft funktionsunfähig waren.
»Ohne einen Tropfen Blut erleben wir den verheerendsten Krieg aller Zeiten«, betitelte es die letzte Ausgabe einer Zeitung, die nur noch auf einem gefalteten DIN-A3-Blatt erschien.
Unser Land war am Boden.
Ein öffentliches Leben existierte nicht mehr. Alles war geschlossen, die Straßen menschenleer. Unser komplettes System – Kommunikation, Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen – hatte sozusagen einen tödlichen Kollaps erlitten.
Unsere Bündnispartner schafften es zwar, die Invasionspläne des Ostens zu vereiteln, doch aufgrund des extrem aggressiven Virus wurden sämtliche Landesgrenzen dicht gemacht. Ein paar Inseln wie Australien, Neuseeland und Island gelang es auf diese Weise, einigermaßen verschont zu bleiben. In den anderen Staaten regierte die nackte Angst. Überall summierte man tagtäglich die Toten und gab neue Hochrechnungen heraus.
Ich hatte Glück und war eine unter Tausenden, die immun gegen diesen Virus war. Aber auch für mich hatten sich die Zeiten gründlich geändert: Es wurde nämlich Zeit zum Überleben.
Jeden Tag musste ich aufs Neue Nahrung und frisches Trinkwasser suchen und das in ständiger Angst vor den Hellhounds, denen ich mehrmals nur knapp entwischt war. Hellhounds nennt man die Plündererbanden, die wie Wanderheuschrecken in Städte einfallen, verwüsten, vergewaltigen und morden. Oft war für mich nur noch Zeit zum Überleben – zumindest, bis ich Marc traf. Er sagte mir, dass Überleben nicht alles ist. Statt uns zu verstecken und zu flüchten, versuchen wir nun, uns hier in Espoir ein neues Leben aufzubauen, doch die Hellhounds könnten jederzeit auftauchen …
»Ich bringe diesen Hahn um! Ich geh raus und dreh ihm die Gurgel um!«
Ich zerre das Federkissen unter mir hervor und presse es zornig auf mein Gesicht.
»Kann halt nicht alles perfekt sein, Jessy«, murmelt Marc schlaftrunken neben mir. »Sonst wären wir in Utopia und nicht in einer vom Krieg auf den Kopf gestellten Welt.«
Da hat er leider recht.
Vor ein paar Monaten hatte ich noch einen Job. Ein Leben ohne mein Handy wäre für mich undenkbar gewesen und ich hätte mir nie vorstellen können, für warmes Badewasser einen Ofen mit Holz zu heizen! Aber dieser Krieg um Ressourcen hat fast alle Menschen durch diesen Virus ausgerottet und die EMP-Angriffe haben jegliche Elektronik in Schrott verwandelt. Der Todesstoß für unsere gesamte Kommunikation und Infrastruktur.
Früher habe ich mich immer über Strafzettel und Tempolimits aufgeregt. Heute würde ich mit Freuden jedes Bußgeld zahlen, wenn es dafür noch eine Polizei gäbe, die mich vor den Hellhounds schützt. Wir könnten nämlich jederzeit von einer dieser Plündererbanden überfallen werden und ich würde mir eher die Kehle durchschneiden, als von so einer Horde vergewaltigt zu werden.
Eines ihrer Opfer liegt unten im Wohnzimmer. Sie haben die blutjunge Frau so schlimm zugerichtet, dass sie die Nacht wohl nicht überlebt haben wird. Dann sind wir nur noch zu zweit in diesem Dorf.
Als Marc sie gestern fand, war sie schon nicht mehr bei Bewusstsein und ohne Ärzte stehen die Chancen in so einem Fall fast gleich null. Sie ist eine Fremde für uns, wir kennen noch nicht mal ihren Namen. Aber Marc hätte es trotzdem nie übers Herz gebracht, sie mutterseelenallein dem Sterben zu überlassen. Also transportierte er die halb tot Geprügelte hierher zu uns nach Espoir, was übersetzt Hoffnung heißt.
Das ist auch einer der Gründe, warum ich Marc liebe: Er hat Charakter, Mitgefühl und einen Beschützerinstinkt, der mir bereits mehr als einmal das Leben gerettet hat. Als ich ihn das erste Mal traf, dachte ich, er gehört zu den Hellhounds und würde über mich herfallen. Doch das tat er nicht. Er hat mein Nein akzeptiert und mich trotzdem kurz darauf vor einer dieser Banden beschützt. Dabei hat er sich einen Bauchschuss eingefangen und wäre beinahe gestorben.
Der dämliche Hahn, der demnächst zum Brathähnchen befördert wird, krächzt schon wieder!
Ich kapituliere seufzend und schiebe das Kissen von meinem Kopf.
»Ich sollte nach ihr sehen.«
Gestern Abend habe ich die Misshandelte, die womöglich noch ein Teenager ist, gebadet. Habe mit Lavendelseife abgewaschen, was die Hellhounds auf ihr hinterlassen hatten. Ihre langen, blonden Haare wurden von mir mit Rosenshampoo vom Dreck befreit. Ich habe ihr Gesicht eingecremt, zwei Zöpfe geflochten und ihr ein weiches Flanellnachthemd mit unzähligen, kleinen Blümchen angezogen, das so himmelblau ist wie ihre Augen. Ich schätze, sie hat von alldem nichts mitbekommen und vielleicht lebt sie gar nicht mehr. Trotzdem konnte ich nicht anders. Ich wollte ihr dadurch ein Stück Würde zurückgeben.
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