24 SATIREN
von
Christian Springer
Impressum:
24 Satiren von Christian Springer
published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
Copyright: © Christian Springer
ISBN 978-3-7450-6869-6
Für Christine
VORWORT
ALLGEMEINE SATIREN
DEUTSCHLAND UND ÖSTERREICH
DIE RUMPFHUBERS
VOM CHARISMA
AKADEMIKER UNTER SICH
EXPERTEN
Allgemeines Expertentum
Finanzexperten, Selbstdarstellungsexperten
X-perten
Intellektuelle Experten
Musik-Experten
Sport-Experten
Wissenschafts- und Plagiier-Experten
Medizin-Experten
Adels-Experten
Fazit
GELEBTE XENOPHOBIE
TAUSCHE WÄHLERSTIMMEN GEGEN STRAFFREIHEIT oder DIE VERTEIDIGUNG DER DEMOKRATIE
ZUCKERERS FLUCHTEN oder DIE ERBSCHAFT
ARSCHKRIECHEN – THEORIE UND PRAXIS
OOPS!
ER HEISST ALOIS
MUSIKSATIREN
DER SÄNGER UND DIE REALITÄT
DER APPLAUS DER WISSENDEN
DER INTENDANT
DER SCHAUSPIELELEVE
DER SINGENDE AUGENARZT
DIE MEHRFACHERKLÄRER
DIE OPERNLOGE
EHRLICHKEIT UND WITZ
EINE FRAGE DER GRÖSSE
DER SCHOTTE SHAKESPEARE IN ZYPERN
KOTTAN LEBT!
SOLDATEN IN DER OPER
GIUSEPPE VERDIS JAPANISCHE OPER
Die folgenden Satiren gliedern sich in Allgemeine Satiren und Musiksatiren . Die unter Musiksatiren gesammelten Texte beziehen sich auf die Welt der klassischen Musik. Beide Gruppen enthalten Realsatiren. Der bei manchem Leser bei der Lektüre des einen oder anderen Textes möglicherweise entstehende Eindruck von mangelnder political correctness (ein Begriff, der in der heutigen Anwendungspraxis selbst schon etwas Satirisches in sich trägt) ist in der nicht-satirischen Realität unzutreffend. Er ist einzig und allein auf die den jeweiligen Themen innewohnende und somit von diesen geradezu eingeforderte Art der satirischen Behandlung zurückzuführen. Jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen ist mehr oder minder zufällig. Die bei vielen Publikationen aus verschiedenen Gründen übliche Danksagung richtet sich im vorliegenden Fall deshalb an all jene, die dankenswerterweise Anlass zu satirischer Betrachtung gegeben haben.
Ch. S.
ALLGEMEINE SATIREN
DEUTSCHLAND UND ÖSTERREICH
Das Verhältnis zwischen Deutschland und Österreich hat einen Namen. Er ist spanisch und lautet aus österreichischer Sicht „Cordoba“. Die meisten Konflikte werden in der Neuzeit zwischen zivilisierten, westeuropäischen Ländern bekanntlich nicht mehr auf Schlachtfeldern, sondern in Fußballstadien ausgetragen. Damit sind nicht die handgreiflichen Auseinandersetzungen randalierender Hooligans gemeint, sondern Länderspiele, bei denen Nationen auf der Suche nach Siegen durch je elf balltretende Spieler vertreten werden. Überflüssig zu sagen, dass das Ansehen der vertretenen Nationen in diesem Moment einzig und allein in den Händen (beziehungsweise Beinen, Füßen und Köpfen) dieser Spieler liegt.
Im Zuge einer solchen Konfrontation hat der österreichische Nationalheld Johann Krankl, ein aus der Wiener Vorstadt stammender Fußballer, der sich neben der gut honorierten Beherrschung des damals noch als „Einnetzen“ bezeichneten Vorgangs hauptsächlich durch eine profunde Trainererkenntnis („Z’erst müass’ma gwinnan, ollas ondare is primär“) sowie durch die bis heute beibehaltene urwüchsige Verwendung der deutschen Sprache hervortat, in Cordoba anno 1978 einen Stellvertreterkrieg des kleinen Österreich gegen das große Deutschland gewonnen. Darauf baut das Selbstbewusstsein der Ösis, die zu der Zeit noch Österreicher hießen, bis heute auf: Wir sind David, der Goliath in die Suppe spuckt.
Begleitet wurde dieses – in jedem Sinn des Wortes: einmalige – Ereignis von der nicht unbedingt spontan klingenden, dafür aber lautstarken Ankündigung eines österreichischen Sportreporters im Radio über den unmittelbar bevorstehenden Verlust seines Verstandes („I wer’ naaarisch!!!“). Ob dieser Verlust eingetreten ist, ist nicht bekannt, jedenfalls strapaziert der bis heute in Radio und TV bis zum Überdruss wiederholte Urschrei den Verstand jener Österreicher, die ihn bis heute behalten haben. Bei den anderen, darunter die Erben des Reporters, dürfte das nicht der Fall sein, denn sie reichten gegen die Verwendung des dialektalen Reporterausrufs als Handyklingelton wegen Urheberrechtsverletzung eine Markenschutzklage ein. Diese wurde allerdings vom Obersten Gerichtshof abgewiesen, denn der Ausruf sei „keine geistige Leistung“, ja nicht einmal „eine originelle Wortwahl“, sondern bloß ein „Jubelruf in gebräuchlicher Wiener Mundart“. Der Anwalt der Erben will damit jetzt vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen. Daraus erhellt, dass es offenbar ein Menschenrecht auf Verstandesverlust gibt.
Bis zu einem gewissen Grad schwelt der nationale Fußballkomplex auch heute noch weiter, insofern, als der FC Bayern München ungeachtet (oder wegen) interessanter finanzieller Transaktionen seines Präsidenten anscheinend unbemerkt in österreichischen Besitz übergegangen ist. Wer die Berichte österreichischer Medien über den bei diesem Verein tätigen österreichischen Fußballer David Alaba verfolgt, wird bemerkt haben, dass dort immer von „David Alabas Bayern“ die Rede ist, was den Schluss auf Privatbesitz zulässt. Allerdings könnte man sich den Besitz auch auf den ganzen Freistaat ausgedehnt vorstellen, was mit der Wiederherstellung der Monarchie der 1918 abgesetzten Wittelsbacher zur Krönung von Herrn Alaba zum König von Bayern als David I. führen könnte, die dem Fußballclub vielleicht gar nicht unangenehm wäre. Auch Herr Alaba stammt aus einer Wiener Vorstadt, diesfalls aus dem transdanubianischen Aspern (im 22. Wiener Gemeindebezirk), wo Erzherzog Karl 1809 Napoleon Bonaparte die erste Niederlage zufügte und den Nimbus seiner Unbesiegbarkeit kurzfristig zerstörte, was mit Herrn Krankls Triumph aber nicht zu vergleichen ist.
Viele Deutsche und dementsprechend weniger Österreicher – die Einwohnerzahl Österreichs beträgt rund 10% von jener Deutschlands – kennen das Karl Kraus zugeschriebene Diktum „Was die Deutschen und die Österreicher trennt, ist ihre gemeinsame Sprache“. Es trifft zwar als Faktum zu, doch stammt der Ausspruch definitiv nicht von Kraus, denn er ist erst nach 1945 aufgetaucht.
Gemeint ist damit nicht der Unterschied zwischen Faschiertem und Hackfleisch, Erdäpfeln und Kartoffeln, Sackerln und Tüten, Schlagobers und Schlagsahne, Marillen und Aprikosen, faschierten Laberln und Bouletten, sondern die allgemeine Verwendung der Sprache. Es ist eine bekannte Tatsache, dass Hochdeutsch für viele Deutsche die auch im wirklichen Leben und im privaten Kreis verwendete Muttersprache ist. Anders in Österreich: Hier ist Hochdeutsch generell eine schlecht gesprochene Fremdsprache, derer sich Adelige sehr gut (wenn auch geziert und nasal), Schauspieler (die ihre Texte auswendig gelernt haben) relativ gut (wenn auch gespreizt) und Politiker ziemlich mühsam bedienen. Nur einem österreichischen Politiker kann es einfallen, öffentlich von „Mitgliedern und Mitgliederinnen“ zu sprechen, wie es ein österreichischer Gewerkschafter getan hat, oder gar von „Angestellten und Angestelltinnen“, wie es seinem Chef, dem Präsidenten des österreichischen Gewerkschaftsbundes, späterem Sozialminister und erfolglosem Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten zwanglos von den Lippen geflossen ist. Anscheinend hatten die Herren irgendwo etwas vom feministisch zwangsverordneten Sprachgendering aufgeschnappt, wussten aber aufgrund mangelhafter Kenntnisse der Hochsprache nicht, wie sie damit umgehen sollten. Dass die Sprache die Mutter des Gedankens ist – oder sein sollte –, ist nicht allen österreichischen Politikern bekannt.
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