und ihre Kunden
Was an einer Frisur unerwartet so alles dranhängt:
Tragödie oder Satyrspiel
Peter Vinzens
Rolf Jaeger
Impressum:
Texte: © Copyright by Peter Vinzens
Umschlag:© Copyright by Ursel Jaeger
Fotos:© Copyright by vtvfra.de
Verlag:vtvfra.de
Stettiner Str. 18
61348 Bad Homburg
produktion@vtvfra.de
Druck:epubli ein Service der
neopubli GmbH, Berlin
ISBN Print 978-3-7450-9916-4
Printed in Germany
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verehrte Leserin,
geneigter Leser,
mein Name ist Peter Vinzens und ich bin Journalist. Als Kind habe ich Friseure gefürchtet. Das hatte mehrere Gründe: Zum einen wurde ich, so habe ich es zumindest gefühlt, immer dann zum Haareschneiden geschickt, wenn ich mitten im Spiel war und überhaupt keine Lust hatte das Haus zu verlassen. „Deine Haare sehen ja furchtbar aus“, wurde dann gesagt, aber ich konnte dieses Urteil nie nachvollziehen. Außerdem war die lange Warterei zwischen all den schlau daherschwätzenden Erwachsenen furchtbar langweilig. Hinzu kam noch ein weiterer unangenehmer Umstand: Die Friseure der damaligen Zeit bekamen es nicht fertig jene winzig kleinen Haarschnipsel davon abzuhalten in den Spalt zwischen Haut und Kragen hineinzufallen. Dort saßen sie dann fest und erzeugten ein unerträgliches Jucken, das sich nur durch anschließendes heftiges Duschen abstellen ließ. Auch heute noch ist dieser Mangel an Komfort in den Salons zu beobachten, stößt jedoch auf wenig Verständnis durch deren Betreiber, denn die glauben, sie hätten alles Erdenkliche gemacht. Leider ist mein emotionales Verhältnis zu den Haarschneidekünstlern bis auf wenige Ausnahmen so geblieben, wie ich es als Kind empfunden habe. Nun denn, daran kann man nun nichts mehr ändern.
Ich selbst habe natürlich als Journalist keine Ahnung von Haaren, der Frisiererei im Ganzen und den psychologischen Hintergründen der hohen Kunst der Menschenverschönerung im Speziellen. Für Journalisten ist das normal. Dafür kenne ich aber einen Menschen, der nicht nur durch lockere Sprüche aufgefallen ist, sondern auch durch fundiertes Fachwissen in Sachen Haarpflege, Friseurkunst und Menschenseelen auf Friseurstühlen. Das ist Rolf Jaeger. Er ist seit über fünfzig Jahren im Beruf, hat seinen Meister erlangt, andere fortgebildet und arbeitet seit geraumer Zeit mehr oder weniger alleine in seinem eigenen, kleinen, exklusiven Salon in einer kleineren Stadt in der Nähe der Bankenmetropole Frankfurt. Die Anmeldezeit für Neukunden liegt übrigens im Moment bei rund drei Monaten. Jaeger ist einer, vielleicht einer der letzten seiner Zunft, der die Berufsehre der Friseure hochhalten will und die Flagge der vollkommenen Dienstleistung vor sich herträgt. Dabei versteht er keinen Spaß, ist in diesem Bereich völlig humorlos und hält zum Beispiel den sogenannten Pferdeschwanz nicht für eine Frisur, sondern für einen beklagenswerten Zustand. Ihn bekümmert, wenn er denn mal gezwungen wird über seine Kollegen nachzudenken, der schlechte Ausbildungsstand dieser Helfer der Menschheit, der leider keine Qualitätssicherung bei der Arbeit am Kunden garantiert. Von ihm also stammen die Sachinformationen, die Erfahrungsberichte und das Gefühl, wie sich ein guter Salon von innen anfühlt oder zumindest anfühlen sollte.
Die Kombination von altgedientem Autor und Spezialisten in Sachen Haare hat den Vorteil, dass die Sachinformationen stimmen, vom Fachmann aber so formuliert werden müssen, dass der unwissende Journalist, der das Ganze in Worte kleiden soll, eben auch versteht.
Jetzt gehen wir mal von folgender Prämisse aus: Dieses Buch richtet sich an Fachleute an Schere und Chemiebaukasten, nicht jedoch an Professoren und Professorinnen der Fakultät „Ars Capillum“. Weiterhin sollen Menschen wie „Du und Ich“, bzw. wie „Sie und Ihr Nachbar“, angesprochen werden. Schließlich haben wir alle keine Ahnung von der Haarkunst im Speziellen, sondern höchstens eine gediegene Halbbildung von Menschen, die auf einem Stuhl in einem Friseursalon sitzen. Angeblich, so die Mitteilung aus den sogenannten Fachkreisen, trifft diese Unwissenheit sogar auf eine Vielzahl von gelernten Haare-Abschneidern, Kopf-Frisur-Chemie-Facharbeitern und Hobby-Seelenhelfern zu, die natürlich alle eine Prüfung vor entsprechenden Innungs-Gremien abgelegt haben. Das jedoch, träfe es denn tatsächlich zu, wäre eine traurig beschämende Angelegenheit.
Auf der anderen Seite soll man nicht alle Coiffeure mit dem Bade ausschütten, obwohl es in manchen Städten davon genug gibt. In dem Ort, in dem ich heute wohne zum Beispiel, gibt es einige Ecken, in denen sich drei oder mehr Friseure die Hand über die Straße reichen können. Zudem unterbieten sie sich gegenseitig dann auch noch in den Preisen und klagen hinterher über die schlechte Einkommenslage. Leider lässt sich die Wachstumsgeschwindigkeit von Haaren nur unwesentlich beeinflussen. Ein biologisches Faktum, das kapitalistischer Gewinnsucht natürlich im Wege steht. Die Konkurrenz ist groß und die Qualitätsunterschiede überschreiten häufig sogar die Größe dieser Konkurrenz. Es gibt Betriebe, die würden sich am liebsten die Kunden mit dem Lasso auf der Straße einfangen, so wenig haben sie zu tun. Und es gibt andere, die Wartezeiten von Monaten haben, bis der Strubbelkopf denselben überhaupt unter die Schere halten darf. Zugegeben die erste Kategorie überwiegt bei Weitem. Deshalb muss der Kunde höllisch aufpassen an wen er gerät, denn er liefert sich auf diesem Wege hernach friseurtechnisch dem Haarschneider gnadenlos und unerbittlich aus. Dies war eine Erfahrung die ich später, nach meiner Kindheit, immer wieder machen musste.
Es gibt nämlich nicht nur gute und schlechte Friseure, es gibt auch gute einfallsreiche und schlechte einfallsreiche. Die schlechten Einfallsreichen wollen zwar, können ihr Handwerk aber nicht. So ist das eben mit der Kunst: Kunst kommt von „Können“ und nicht von „Wollen“. Sonst hieße Kunst nämlich „Wunst“.
Die ganz Schlechten lassen wir zu Ehrenrettung des Berufsstandes jetzt in dieser Betrachtung besser mal weg. Denn der Beruf des Friseurs besteht eigentlich aus mehreren Berufszweigen. Nein, ich denke jetzt nicht an Dauerwelle, Haarverlängerung, Chemie und Schere, sondern an die grundlegenden Fähigkeiten die Friseure haben sollten und welche, an andere Stelle, unter anderen Namen, von hochbezahlten Spezialisten ausgefüllt werden.
Da ist, zum Beispiel der Künstler: Wie bei anderen Künstlern auch, erwarte ich von ihr oder ihm, neben der Kenntnis und dem Beherrschen des handwerklichen Teils, Kreativität im Umgang mit ihrem, resp. seinem Medium. Genauso, wie der Bildhauer nicht aus Versehen die Nase seiner Skulptur abschlagen darf, oder das Ohr, so muss der künstlerische Figaro wissen, ja sogar fühlen, welche der Locken abgeschnitten werden dürfen, welche aber, wenn abgeschnitten, ein großes Loch im Gesamtkunstwerk hinterlassen. Allein schon durch die Gewichtung dieses nicht unerheblichen handwerklichen Vorgangs, scheidet eine große Anzahl von Bewerbern bereits aus der engeren Auswahl an vertrauenserweckenden Mitgliedern des Gewerbes aus. Mangelnde Vorstellungskraft ist für anspruchsvolle Bewerber um den Titel „Friseur“ ein KO-Kriterium.
Betrachten wir eine weitere, unbedingt erforderliche Fähigkeit: Die des Psychologen.
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