Wer den Körper als ein Gefäß begreift, in welchem der Geist oder das Bewußtsein lediglich aufbewahrt wird, wie eine Flüssigkeit, der unterstellt, dass das die Flüssigkeit nach dem Zerschlagen des Gefäßes weiter existiert. Sie kann im Erdreich versickern, zu Eis gefrieren oder verdunsten, also einen anderen Aggregatzustand annehmen, der einer anderen Dimension entsprechen kann, zerstört oder vernichtet werden, kann die Flüssigkeit demnach jedoch nicht.
Wenn aber die Flüssigkeit, die dem Geist, dem Bewußtsein oder dem Atma entspricht, einen anderen Aggregatzustand annehmen kann, so impliziert diese Annahme, dass die Flüssigkeit jeden beliebigen Aggregatzustand annehmen und unter gewissen Bedingungen auch in den flüssigen Aggregatzustand zurück verwandelt werden kann, den sie während ihres Aufenthaltes in dem Gefäß inne hatte.
Auch das Gefäß, wenn es erst zerstört ist, wird seinen Aggregatzustand möglicherweise verändern. Verschwinden werden seine Atome jedoch nicht.
Zentrale Daseinsbedingungen sowohl für das Gefäß wie auch für die darin enthaltene Flüssigkeit sind also ihre Veränderbarkeit. Dabei verändert sich das Gefäß, das keine Essenz hat, sondern lediglich materielle Hülle oder Aufbewahrungsform ist. Auch die Flüssigkeit verändert sich, aber ihre wahre Essenz, als ihr innerstes Selbst, bleibt unveränderlich und unzerstörbar, unabhängig von dem Aggregatzustand oder der Dimension, die sie gerade inne hat.
Beide, Gefäß und Flüssigkeit, werden durch das Leid miteinander verbunden, das ihre grundlegende Daseinsform ist.
Jeder Rückzug aus dem physischen und elementaren Leid ist daher ein Rückzug aus der Körperlichkeit des Gefäßes und somit ein Los- und ein Fahrenlassen alles Körperlichen.
Jeder Rückzug aus dem Gefäß in das Atma ist damit ein Rückzug in das Wesentliche, in das eigentliche und unzerstörbare Selbst. Ein Rückzug aus dem physischen Leiden, welches uns die uns umgebenden Mitmenschen bereiten.
Wenn der Inhalt des Lebens Leid ist, so ist es das Bestreben der Lebewesen, das eigene Leid zu minimieren. Das eigene Leid jedoch wird minimiert durch egoistisches und rohes Verhalten, durch Gier bei der Aneignung der Güter dieser Erde.
Jedes Leben, das auf Minimierung des eigenen Leides durch Gier aus ist, schafft damit neues Leid in der Welt und erneuert des Kreislauf des Leidens, das sich mit jedem Lebewesen, welches zur Welt kommt und die Verhaltensmaxime verinnerlicht, akzeptiert und praktiziert, fortgesetzt eigenes Leid durch gieriges und rücksichtsloses Verhalten zu minimieren, erneuert.
So kommen mit den Lebewesen die Gier und das Leid auf die Welt und das Bewußtsein entwickelt sich, das Atma, als das unzerstörbare Selbst, welches das physische Leid reflektiert und das emotionale Leiden realisiert.
Warum aber soll man alles physische Sein loslassen?
Weil es in der Welt so unerträglich leidvoll und kalt sein kann, dass man dort nur noch Schmerz und Elend findet, nicht aber Trost.
Keine Art des Trostes kann von außerhalb, aus der physischen Welt oder von anderen Menschen kommen, deren Bestreben nur darin besteht, durch gieriges und egoistisches Verhalten das eigene Leid zu minimieren.
Der einzige wirkliche Trost kann nur aus dem Atma kommen, welches das eigentliche und das ewige und unzerstörbare Wesen allen individuellen Lebens ist.
Daher muss das äußere Sein und damit auch alles Leid los gelassen werden, um sich auf sich selbst und in sich selbst zurück zu ziehen, wie das Wasser bei Ebbe, das den Strand frei gibt und sich zurück zieht.
Es ist also eine Selbstentsagung und eine gewaltige Selbstkontraktion, dieser Rückzug. Es ist vergleichbar dem Versinken in den Schlaf oder in den Tod.
Schlaf und Tod sind eines. Sie trennen das Gefäß von der Flüssigkeit ab, so dass sich alles nach innen wendet, zum Atma hin und zum eigentlichen unzerstörbaren Selbst, welches in jenen Momenten, zwischen Wachen und Träumen, offenbar wird.
Allein auf dem Weg nach innen, offenbart sich dem Suchenden die wahre Natur der Dinge, wenn er sich niederlegt, in jenen Momenten, zwischen Wachen und Einschlafen, wie zwischen Leben und Sterben, dann lächelt ihm eine Ahnung seines Atmas zu.
Erst in jenen Momenten, nahezu losgelöst von allen Äußerlichkeiten des Gefäßes und nicht mehr gefangen in den Dingen der äußeren Welt, ist er in der Lage, sich auf die Flüssigkeit zu konzentrieren, die er in sich trägt und die sein eigentliches und unzerstörbares Wesen, sein Atma, repräsentiert.
Um wirklich die äußere Welt loszulassen und sich dem Atma zu stellen, bedarf es einigen Mutes. Doch ist das Leid der Welt zu groß, so findet jeder den Mut. Größer ist das Erschrecken vor der Welt und ihrem Leid, als das Erschrecken vor jenem, was er Loslassende jenseits des Gefäßes findet.
Zurückgeworfen auf das Leid seines Seins, ist er gezwungen, sein innerstes unzerstörbares Selbst, sein Atma, die Essenz seiner Existenz, zu erkennen. Dieser Zustand mag jenem Zustand am nächsten kommen, den die Buddhisten Erleuchtung nennen. Er ist eine Existenzform, in der das rein physische Leid seine Bedeutung verliert und sich das Leben dem Ausgesetztsein der Gier der anderen Individuen durch vollkommene Hinwendung nach innen und vollkommenes Loslassen entzieht.
Nicht wirtschaftliche Güter, nicht Erfahrung oder Status zählen hier, sondern allein die Quelle und die Essenz des eigenen Seins.
Es ist der Herbst 1415. Oktober, ein guter Monat zum Sterben. Wie fahle Leichentücher hängen die Nebel in den Feldern Frankreichs, in das wir gezogen sind, um den Anspruch unseres edlen Königs Heinrichs V. auf den Thron Frankreichs zu untermauern.
Ein Anspruch, der auf den Siegen Eduards III. bei Crécy und des Schwarzen Prinzen, Edwards of Woodstock, bei Maupertuis sowie dem nachfolgenden Friedenschlusse von Brétigny beruhte. Schließlich auch auf der Verschlagenheit der Franzosen, die in Brétigny getroffenen und als verbindlich angesehenen Abmachungen nicht bestätigt zu haben!
Das aber ist Politik. Und von Politik verstehe ich nichts, denn ich bin kein hoher Herr oder Gewappneter. Ich bin nur ein Gemeiner, der den Langbogen trägt und der im Heere Heinrichs V. in das hundsföttische Frankreich gezogen kam, geplagt von der Ruhr und der herbstlichen Nässe, um der Gier dieser französischen Herren ein Ende zu bereiten, die sich Gebiet um Gebiet um Gebiet zurück eroberten, zurück ergaunerten, um es schließlich durch feige und in hundsföttischer Absicht geschlossene Friedensverträge zu sichern.
Harry of Lancaster, der älteste Sohn Heinrichs des IV. und der Mary de Bohun, ein asketisch wirkender Jüngling mit einem an die mönchische Tonsur erinnerndem Haarschnitt, mit brennenden dunklen Augen, gewaltiger Nase und fleischigen roten Lippen, hatte als Heinrich V. von England als zweiter Souverän aus dem Hause Lancaster den Thron Englands bestiegen und entschlossen seine Forderungen an die hundsföttischen Barone Frankreichs immer weiter erhöht.
Ja, was er wollte war nicht nur die Anerkennung der Franzosen all der Friedensbedingungen von Brétigny, es war schlichtweg die komplette Wiederherstellung des alten Angevinischen Reiches, zu welchem auch die Normandie gehört hatte!
Es war die Restauration des kompletten und einst umfänglichen territorialen Besitzes des Hauses Plantagenet, zu dem nicht nur England gehörte, sondern auch der Festlandsbesitz, welcher die ganze westliche Hälfte Frankreichs maß! Ein Besitz, der vom 11. bis in das 13. Jahrhundert hinein Bestand gehabt hatte!
Neben dem Königreich England mit dem Königreich Schottland, den walisischen Fürstentümern und Ostirland, bildete diese westliche Hälfte, auf die wir nun endgültig erneut Anspruch zu erheben, als Reisige ausgezogen waren, die Grafschaften von Anjou, von Tours und Maine; das Herzogtum der Normandie; das Herzogtum Aquitanien und das Herzogtum Gascogne.
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