In dem Gefecht zeigte sich aber bald die immer noch vorhandene bessere Ausbildung der deutschen Soldaten. Die Panzerkommandanten hatten sich über Funk abgestimmt und die Ziele in Sektoren für die einzelnen Fahrzeuge eingeteilt. Der systematische Beschuss zeigte Wirkung, nachdem 14 russische PAK vernichtet worden waren ergriffen die noch lebenden Bedienungsmannschaften die Flucht. Plötzlich war der Weg für die Deutschen frei, und die Panzer ruckten wieder an. Der Erfolg im Gefecht wurde aber durch die Geländebedingungen zunichte gemacht. 100 Meter vor den russischen Stellungen griffen die Ketten der „Panther“ nicht mehr. So sehr die Fahrer auch mit wechselnden Gängen und Drehzahlen versuchten weiter zu kommen, es war unmöglich, das letzte Stück bis zu den Gräben zu überwinden. Der Kompaniechef gab über Funk wütend den Befehl sich wieder auf die Ausgangspositionen zurückzuziehen, an diesem Abschnitt war kein Durchkommen möglich. Er informierte die Kommandanten noch, dass er dem Stab jetzt Bericht geben, und sobald neue Befehle vorliegen würden, diese unverzüglich an die Fahrzeuge übermitteln würde. Jetzt würde es erst einmal heißen aus diesem beschissenen Gelände wieder herauszukommen, und dann weiter zu sehen. Die Panzer zogen sich im Rückwärtsgang Meter um Meter zurück, das Wenden wollte keiner der Kommandanten riskieren, denn dann würde eine Kette abgebremst und die schwere Maschine herumgezogen werden. Das barg natürlich die Gefahr des Einsinkens in den Boden in sich. Im Schritttempo zogen sich die Panzer zurück. Beyer gab Friedrich Richtungsbefehle, und nach einiger Zeit waren sie wieder auf festerem Boden. Unabsichtlich aber fast wie einstudiert wendeten die Fahrzeuge und rollten im Vorwärtsgang wieder nach Westen. Dann wurde Halt befohlen. Beyer stieg aus und sprang vom Panzer herunter. Als erstes schlug er sein Wasser ab, dann brannte er sich eine Zigarette an. Der Himmel war immer noch wolkenverhangen, für sie ein glücklicher Umstand, kein Fliegerwetter. Im Osten sah er ölig schwarze Qualmsäulen aufsteigen, die abgeschossenen T 34 brannten dort aus. Die deutschen Panzer standen verteilt im Gelände, die Motoren blubberten im Leerlauf und die Besatzungen hockten auf ihren Sitzen. Beyer stieg wieder ein, es war immer noch Gefechtsbereitschaft befohlen und die Mannschaften warteten auf Befehle. Im Inneren des Fahrzeuges war es kalt, obwohl der Motor lief und Wärme erzeugte. Fred Beyer hatte einmal mit Friedrich darüber gesprochen, ob es denn nicht eine Lösung geben könnte, wie man den Kampfraum beheizen könnte.
„Die wird es sicher geben“ hatte der Fahrer gemeint „schließlich produziert der Motor sehr viel Abwärme. Das Problem wird wohl sein, dass das Aggregat sozusagen in einem Panzerkasten untergebracht ist und jede Durchführung diesen Schutz verringern würde. Technisch dürfte das vermutlich keine große Sache sein. Es würde ja ausreichen, kleine Rohrleitungen irgendwie in den Kampfraum zu führen. In die könnte man so was wie Regelklappen einbauen, wie beim Vergaser. Verstehst du nicht? Die Drosselklappe im Vergaser ist in einer kleinen Welle gelagert und damit beweglich. Ein Bowdenzug führt dorthin, und wenn du Gas gibst, dann wird die Klappe bewegt und bei Vollgas bis in die Waagerechte gebracht. Dann ist sozusagen der ganze Querschnitt frei, weil die Drosselklappe ja in waagerechter Position das Rohr nicht mehr verschließt und nur der geringe Querschnitt des Bodens der Klappe dann den Durchsatz stört. Gibst du weniger Gas, sorgt der Bowdenzug dafür, dass die Klappe dann wieder steiler angestellt wird, also die Fläche zum Durchströmen kleiner wird. So ähnlich könnte das auch mit der Heizung funktionieren. Aber es bleibt das Problem der Panzerung. Um die Luft in den Kampfraum zu leiten kann man ja kaum die Wanne durchbohren, sondern nur das Brandschott. Ob das gut ist, weiß ich nicht.“
Fred Beyer döste vor sich hin. Seit gut 15 Minuten standen sie schon auf der Stelle. Im schwachen Licht der Kampfraumbeleuchtung wirkte das Innere des Panzers düster. Dabei war ihm alles in diesem Fahrzeug vertraut. Bis zur Turmdecke war bei Lahmann, dem Richtschützen, nur wenig Platz nach oben. Vor dem Mann war der Ausblick des Turmzielfernrohres mit einem Gummipolster angebracht. Zwei Handräder dienten zum Höhen- und Seitenrichten, der 12-Uhr-Zeiger war zu sehen. In die Mitte des Kampfraumes ragte der Verschluss der Kampfwagenkanone mit dem Bodenstück hinein. Häber hatte seinen Platz rechts davon. Deswegen musste er die Granatkartusche nach links bewegen und in das Rohr einführen. Danach war der Verschluss zu schließen. War der Schuss gefallen, wurde die Hülse ausgeworfen und der Verschluss wieder gespannt, typisch für eine halbautomatische Kanone. Die ausgeworfene Hülse fiel in den Hülsensack unterhalb des Bodenstückes. Die Plätze des Fahrers und des Funkers wurden in der Mitte durch jeweils rechts beziehungsweise links von bei beiden Männern liegende Einbauten und das mächtige Schaltgetriebe abgetrennt. Bei Friedrich befanden sich die Pedale, die Steuerhebel und rechts von ihm der Gangvorwahlhebel und einige Anzeigen. Bergner hatte links von sich Funkgeräte und vor sich das Bug-MG mit seiner eigentümliche Kopfhalterung. All das waren nur die wesentlichen Bedienelemente, aber um diese überhaupt mit ihren Funktionen nutzen zu können waren verschiedenste Aggregate erforderlich. Der Turm wurde bei diesem Panzer hydraulisch geschwenkt, das erledigte das Turmschwenkwerk. Strom wurde aus der Lichtmaschine oder den Batterien gezogen. Im Panzerwannenboden waren Hydraulikleitungen und Kabel verlegt und führten zu verschiedenen Stellen des Fahrzeugs. Der Motor, der eben auch über die Lichtmaschine Strom erzeugte, war über Kardanwellen bis zum Schaltgetriebe verbunden. Im Heck arbeiten zwei große Lüfter für den Motor. Und, und, und.
Fred Beyer wusste, dass er ein modernes und schlagkräftiges Militärfahrzeug befehligte. Er war sich auch bewusst, dass die Herstellung dieses Panzers einen hohen Arbeitsaufwand verursacht hatte, und dass für das Fahrzeug viel Material und Zulieferteile benötigt worden waren. Wie teuer der Panzer war konnte er gleich gar nicht einschätzen. Aber allein die Achtung vor der Arbeit der vielen Menschen sagte ihm, dass er ihren Panzer durch den Krieg bringen musste. Natürlich war das Fahrzeug aber vor allem ihre Schildkrötenschale und bot ihnen guten Schutz. Wenn er den Panzer bewahren konnte könnte das auch bedeuten, dass er selbst durchkommen würde.
Martin Haberkorn, 17. Februar 1944, zur Biskaya
Die Detonationen von drei Torpedos waren im Boot deutlich zu hören gewesen. Anders als früher dröhnte kein Jubel durch die Stahlröhre denn die Männer wussten, dass der Gegner sie bald jagen würde. Die Anzahl der auf das Geleit angesetzten Boote war viel zu gering gewesen, als dass die Alliierten sie nicht hätten abwehren oder verfolgen können. Es war jetzt kurz nach sieben Uhr morgens und bis jetzt hatte Haberkorn registriert, dass schon drei Boote versenkt, aber auch zwei Schiffe des Konvois getroffen worden waren. Außerdem hatten drei Torpedos seines Bootes ihre Ziele gefunden, mit welchem Erfolg war allerdings nicht bekannt. Wenn er sich jetzt als Buchhalter fühlen würde könnte er eine einfache Rechnung aufmachen: drei U-Boote mit jeweils 50 Männern an Bord waren verloren gegangen, und vielleicht vier Frachter mit weniger Besatzung. Die von seinem Boot angegriffenen Schiffe schätzte er auf 15.000 und 8.000 Tonnen. Ein Tanker hatte lichterloh gebrannt, ein wertvolles Schiff. Von der Warte eines Kaufmannes aus gesehen könnte man vielleicht von einem Gleichstand reden, aber die Wahrheit war eine andere. Jedes versenkte U-Boot stellte für die Deutschen eine Schwächung der Kampfkraft dar, die bei der Zahl der in See stehenden Boote erhebliche Auswirkungen hatte, die Lücken in der Überwachung wurden immer größer. Natürlich waren die vernichteten Schiffe und die ums Leben gekommenen Männer der Besatzung auf der gegnerischen Seite eine bittere Quittung für die Alliierten, aber sie konnten für Ersatz sorgen. In den amerikanischen Werften liefen Schiffe im Fließbandverfahren vom Stapel, und hohe Prämien lockten auch Matrosen auf die Frachter. Die Ausbildung einer U-Bootbesatzung war jedoch eine langwierige Angelegenheit.
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