1 ...7 8 9 11 12 13 ...29 „Und dieser Name sagte Euch etwas“, stellte er fest.
„Ja, ich hatte von meinem Onkel bereits von Euch gehört. Als ich ungefähr zwölf Jahre alt war, fragte ich ihn einmal, was mit meinen Eltern geschehen wäre und wieso ich bei ihm aufwachsen würde. Ich schien damit einen wunden Punkt getroffen zu haben, denn zunächst wehrte er mich unwirsch ab und meinte, das sei nicht von Belang. Doch dann überlegte er es sich anders und erzählte mir, dass seine Schwester sich mit Radic von Trebenice, einem Ritter des Gaugrafen Boheslav, eingelassen hatte, als dieser zu einer Jagd mit seinen Männern auf Schloss Hauenstejn weilte. Sie wurde bald darauf mit mir schwanger. Mein Onkel war ihr Vormund und zwang sie in eine Ehe mit dem landlosen Ritter. Der Gaugraf gab sein Einverständnis unter der Bedingung, dass beide in Louny lebten, da er nicht auf seinen Gefolgsmann verzichten wollte. Dann starb mein Vater unter ungeklärten Umständen. Niemand ging der Sache nach. Mein Vater war ein entfernter Verwandter des Voyk von Trebenice, der ohne männliche Nachkommen gestorben war. Danach ging das Land in den Besitz des Prager Bischofs über. Doch mein Onkel weigerte sich, seine Schwester wieder bei sich aufzunehmen. Sie blieb auf Louny und war fortan den Schikanen des Gaugrafen ausgesetzt, der in ihr nur eine Dirne sah.“
Krystina verfiel in düsteres Schweigen. Nach einer Weile berührte Falk sie leicht am Arm. Sie zuckte erschrocken zusammen.
„Und dann? Ihr wart ein Kind, was ist aus Euch geworden nach dem Tod Eurer Mutter?“, fragte er, wohl ahnend, dass es sich bei ihrer Mutter um jene Frau handelte, deren Leben er als Knappe zu retten versucht hatte.
„Wer meine Mutter war und dass sie auf grausame Weise starb, wisst Ihr wohl“, bestätigte sie seine Überlegungen.
„Ja, auch wenn ich nicht gern daran erinnert werde“ Er machte eine kurze Pause. „Ihr habt die Augen Eurer Mutter.“
Krystina lächelte verhalten. „Auch, dass der Gaugraf unmittelbar darauf ermordet wurde, ist Euch bekannt, denn Ihr wart dabei.“ Sie schaute Falk wissend an, doch er zeigte keine Regung. „Mein Onkel hat mir erzählt, dass ein junger Knappe namens Falk von Schellenberg meine Mutter vor den Übergriffen der Ritter auf Louny schützen wollte, doch der Graf ihn gewaltsam daran gehindert hat.“
„So kann man es auch sehen“, antwortet Falk kurz, ohne sich zu weiteren Erklärungen herabzulassen. Als er nicht weitersprach, fuhr Krystina in ihrem Bericht fort.
„Später in Chomotau erfuhr ich also, dass Ihr der Neffe des dortigen Herrn wart. Ich verblieb allerdings noch fünf Jahre in Louny in der Obhut der alten Schließerin Hilda. Die war zu Zeiten des alten Gaugrafen auch Köchin gewesen. Ein Beamter des böhmischen Herzogs Ottokar verwaltete die Burg. Der Sohn Boheslavs trieb sich irgendwo im Heiligen Land im Umfeld des Kaisers herum, wohin ihn sein Vater geschickt hatte, damit sich die Kirche zufriedengab. Es waren einige wenige Leute dortgeblieben, ein paar Waffenknechte und zwei, drei Mägde, die sich um die Burg kümmerten. Eines Tages kamen Reiter in die Burg und fragten nach der Tochter Gidas von Trebenice. Zunächst wusste keiner, wo solch ein Kind sein sollte, keiner kannte eine Frau dieses Namens und die Reiter zogen wieder von dannen. Aber als Hilda kurz darauf davon erfuhr, schickte sie einen der Waffenknechte nach Hauenstejn und ließ dem Herrn dort die Nachricht überbringen, dass sich ein fünfjähriges Mädchen auf der Burg befände, dass das gesuchte Kind sein könnte. So genau wusste sie nicht, ob meine Mutter auch wirklich die Schwester Kaspars von Hauenstejn war. Und so kam ich in den Haushalt meines Onkels, in dem ich zehn Jahre verblieb. Er gab mir seinen Namen - wohl um sein Gewissen zu beruhigen - und meine Eltern gerieten in Vergessenheit.“ Krystina verstummte.
„Aber erklärt mir, warum Ihr nach Louny gekommen seid, um mich vor dem Tod zu retten? Das ergibt für mich keinen Sinn.“
„Nun, wie ich schon sagte, Ihr wart mir aufgefallen an jenem Nachmittag und ich musste immer wieder an Euch denken, hatte aber nie Gelegenheit, mit Euch zu sprechen. Gewiss sahen wir uns hin und wieder an der Tafel des Herrn, doch Ihr habt mich nicht beachtet. Wieso auch, war ich doch nur ein kleines unscheinbares Mädchen.“ Krystina machte eine Pause, aber Falk ging nicht auf ihre Worte ein.
„Ich wollte Euch so gerne danken. Doch ich fand nie den Mut, Euch unaufgefordert anzusprechen.“ Sie schmunzelte. „Vor einigen Tagen gab es großen Aufruhr auf der Burg in Chomotau. Ein Bote hatte Euren Onkel davon unterrichtet, dass der Gaugraf von Louny Euch gefangen hält. Es war die Rede davon, dass ihr einen Kaufmann erschlagen hättet. Auch, dass Ihr schon länger Euer Unwesen als Raubritter in der Gegend treiben würdet. Nun, letzteres hatte ich schon öfters vernommen, doch Euer Onkel meinte immer, es wäre üble Nachrede.“
„Er hatte schon immer eine viel zu hohe Meinung von mir“, warf Falk trocken dazwischen. „Aber den Kaufmann habe ich in der Tat nicht hinterrücks erschlagen. Es war reine Notwehr.“
Als er zu dieser Sache keine weiteren Erklärungen abgab, fuhr sie fort: „Nun, wie auch immer. Ich sah meine Chance gekommen, mich zu revanchieren, dafür, dass Ihr als einziger damals meiner Mutter helfen wolltet. Und so schloss ich mich einem fahrenden Händler an, der gerade auf der Burg seine Ware feilbot. Ich gab ihm einen Ring, das einzige, was ich an Wertvollem besaß, und er war bereit, mich mit nach Louny zu nehmen. Ich verkleidete mich, so dass mich niemand als Frau von Stand erkennen konnte. Als wir in Louny ankamen, hörte ich schon von weitem das Geschrei auf dem Marktplatz. Als ich näherkam, sah ich Euch da oben auf dem Blutgerüst. Ursprünglich wollte ich zum Gaugrafen gehen und um Euer Leben bitten. Aber dazu war es nun zu spät und ich fasste spontan den Entschluss, mich als einfaches Bauernmädchen auszugeben, dass seinen Liebsten retten will. Den Rest der Geschichte kennt Ihr ja.“
Falk war zu erschüttert von der Erzählung Krystinas, dass er zunächst nicht wusste, was er antworten sollte. Es gab nicht so leicht etwas, was ihn aus der Fassung bringen konnte. Doch, dass ein Mensch sich für ihn einsetzte, kam nicht sehr oft vor. Er hatte zu niemandem eine engere Beziehung, auch nicht zu seinem Onkel. Die einzige Person auf der Welt, die er über alles liebte, war seine Schwester Tyra. Und diese hatte er bitter enttäuscht, so dass sie sich von ihm abgewandt hatte.
Friedrich von Chomotau stand unentschlossen vor dem Haus des Gaugrafen. Miro von Louny hatte ihn regelrecht abblitzen lassen. Er spielte seine Macht als Vertreter der böhmischen Krone auf ganzer Linie aus. Am Vormittag war Falks Onkel der Zutritt zum Stadtverlies verwehrt worden. Daraufhin hatte Friedrich versucht, den Gaugrafen dazu zu bewegen, seine unsinnige Hatz auf Falk aufzugeben. Doch war er auf taube Ohren gestoßen. Miro sah das Recht auf seiner Seite. Er empfahl Friedrich, zurück nach Chomotau zu reiten. Doch in seiner Stimme schwang eine versteckte Drohung mit, und Friedrich war davon überzeugt, dass der Gaugraf beim böhmischen König gegen ihn Stimmung machen würde, falls er sich bei Ottokar beschwerte.
Friedrich wandte sich seinem Pferd zu, das er an dem dafür vorgesehenen Ring in der Mauer des Hauses festgebunden hatte. Schweren Herzens stieg er auf und ritt langsam in Richtung des Stadttores. Er musste die Pläne Miros unbedingt vereiteln.
Wälder um Vildstejn
November 1209
„Wollt Ihr mir nicht ein wenig von Euch erzählen, Falk?“, fragte Krystina neugierig. Falk empfand die junge Frau als etwas nervig. Er mochte zwar vor dem Gesetz jetzt mit ihr verheiratet sein, doch war das wohl eher ein Umstand, auf den er wenig Einfluss gehabt hatte. Dennoch würde er ihr seinen Schutz anbieten und war auch bereit, sie mit nach Schellenberg zu nehmen. Aber vielleicht konnte er Krystina doch davon überzeugen, sich wieder von ihm zu trennen, wenn sie aus dieser Sache hier heil herauskommen würden. Sie war zwar recht ansehnlich, aber er hatte das Gefühl, dass sie sich von ihm würde nicht allzu viel sagen lassen. Krystina war eine starke Frau, mit einem festen Willen und großem Mut und, wie er zugeben musste, auch mit einem sehr großen Herzen.
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